Wirtschaft | Overtourism

Die Öde des Tourismus

Letzte Woche, am 9. Juli, haben Hanna Battisti, Thomas Benedikter und Hans Heiss im Ost-West Club Meran ihr Buch “Heimat oder Destination Südtirol? Tourismus in Maßen" vorgestellt.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Präparationseinrichtung
Foto: Amselbruck
  • Bedeutung der Atmosphäre

    Die Öde des Tourismus 

     

    Letzte Woche, am 9. Juli, haben Hanna Battisti, Thomas Benedikter und Hans Heiss  im Ost-West Club Meran ihr Buch “Heimat oder Destination Südtirol? Tourismus in Ma­­­ßen statt in Massen“ vorgestellt: nüchtern, ernüchternd, desillusionierend und moti­vie­­rend. So sachlich die beeindruckenden Zahlen der dort präsentierten Statistiken auch sein mögen, so ist die Wirklichkeit, die sie erfassen, doch alles andere als so steril wie diese selbst. Denn mit den Massen an Touristen geht es gerade auch um die Atmo­sphäre, die sie überall verbreiten und das ist die von Stumpfsinn und Öde. Auch davon war letzte Woche die Rede, ebenso wie von der Flucht vor sich selbst, in der diese Mas­se unterwegs ist: Flucht vor einer inneren Öde, die elend groß sein muß, um andere derart schamlos mit sich zu belästigen. 

    Aber diese Wirklichkeit, auf der Flucht vor sich selbst zu sein, darf und wird sich nie­mand der Fliehenden eingestehen. Und gerade das machen sich die Touristiker zu Nut­zen indem sie eine heile Welt bzw. Natur vortäuschend inszenieren, deren eigentli­ches Un-heil sie nicht nur für die touristische Massenschwemme in Kauf nehmen, son­dern zur verleugneten Grundlage ihres absurden Geschäftsmodells machen. 

    Solange wir uns nur an die Zahlen der statistisch meßbaren Fakten halten, scheint es, als würde es das Faktum der erstickenden Atmosphäre irgendwie gar nicht geben, als wäre da nichts. Diese unstatistische Atmosphäre aber ist die einer in ihrer Vitalität zu­neh­mend drangsalierten Bevölkerung. Auch davon wollen und dürfen die Masse an Tou­risten und ihre Touristiker nichts wissen. Hier dagegen Harmlosigkeit und Einfach­heit für sich zu beanspruchen, haben sie nicht das Recht, geht es doch um die Ignoranz von Stumpfsinn und Öde, die ganz konkret zersetzend sind. 

    Eine Wirklichkeit von touristischem Stumpfsinn und entsprechender Öde weckt Ge­füh­­le von Ekel, Abscheu und Groll. Sie sind nicht böse oder fremdenfeindlich, sondern schlicht ehrlich empfunden, in einer Ehrlichkeit, die die Massen an Touristen gegenüber sich selbst nicht haben dürfen – sonst wären sie nicht im Übermaß hier, ja würden sich womöglich schämen. Nur, wie ein antiker Gedanke sagt: «… Unverschämtheit ist, Offen­kun­diges zu leug­nen, Unverschämtheit aber be­deu­­tet Krän­kung und Verachtung; denn nur solchen ge­genüber, die wir gänzlich ver­ach­ten, empfinden wir keine Scham.» Mas­sen­tourismus: systematisch organisierte Verachtung von Welt und Natur der einheimi­schen Bevölkerung? 

    Moritz Amselbrück