„Humor, Anarchie und Abenteuergeist“

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SALTO: Welches Buch hat Sie in Ihrer Kindheit nachhaltiger geprägt, als Sie damals je geglaubt hätten?
Margareth Kaserer: Als Kind wollte ich die ganze Bibliothek in Wangen und später in Klobenstein auslesen. Die Hanni und Nanni-Serie, Donald Duck-Comics, Wilhelm Busch, diverse Pferdenärrinnen-Bücher usw. Ich wollte dann auch eine Pferdenärrin sein, aber als das reale Pony ins Haus kam, wars vorbei damit.
Ich weiß noch, wie ich Steven King weglegen musste, weil es so extrem gruselig war. Dann las ich in einem späteren Moment weiter, und das Beenden einer Geschichte war wie eine Errungenschaft. Später ging es mir und meiner Schwester Sophia noch einmal so, nämlich mit den Büchern von Sybille Berg. Wir haben sie bewundert, aber die Bücher waren so gewalttätig und brutal und dark, dass wir beide nicht mehr weiterlesen konnten. Vielleicht auch nicht unbedingt geeigneter Stoff für Heranwachsende.
Ich habe ein Buch aus meiner Kindheit aufbewahrt, von Erwin Moser „Der Siebenschläfer“. Aus diesem Buch lese ich heute gern meinem 5-jährigen Sohn vor. Es hat wunderbare Illustrationen, viel Humor und Anarchie und Abenteuergeist darin, und ist auch sehr warmherzig.Welcher letzte Satz eines Romans ist und bleibt für Sie ganz großes Kopfkino?
Der letzte Satz wird immer wieder begraben von neuen Sätzen in neuen Büchern.. Wenn das Buch gut war, sind der letzte Satz und die letzten Seiten manchmal von Wehmut begleitet und sogar Trauer.. wie Abschied nehmen von einem Freund, der weggeht.
Im Grunde kann man die meisten gelesenen Bücher zurücklassen bzw. wieder in Umlauf bringen.
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RISS / Blitzanzieher / Wildflowers and insects: Der Stadel von Hotel Amazonas darf nach seiner Aufrichtung wieder betreten werden und das Dach lässt kein Wasser mehr durch. Der alte Patient hat wie Kris Jenner, die Mutter-Managerin der Kardashians, ein paar OPs – keinen „Abriss“! – erhalten. Die alten Bretter werden zu Brennholz geschnitten, die Ziegel vermahlen, und die neuen Stützen sind verbaut. Licht fällt ein! Das Hamsterrad dreht sich. Nun kann wieder neues Leben einziehen. Am 12. Juli 2025, ab 18 Uhr im Hotel Amazonas: Soundscape und Live-Set Hannes Hoelzl Lesung von Gerd Sulzenbacher aus „Abriss“ (Engeler Verlag, 2025) Ausstellung mit: Aaa Biczysko, Arnold Holzknecht, Margareth Kaserer, Clara Mayr, Alexander Wierer und TETA (Jörg Zemmler) Foto: Daniel Mazza
Reimen ist doof, Schleimen ist noch doofer… Auf welches – anscheinend gute – Buch konnten Sie sich nie wirklich einen Reim machen?
Reimen ist übrigens cool und ein lustiges Spiel! Ich hab viele Bücher nicht zu Ende gelesen, letztens eins von Ocean Vuong, das lag vielleicht auch daran, dass ich es auf Englisch geschenkt bekommen habe.
Ein Fall für Commissario Vernatschio. Wie erklären Sie einem Außerirdischen die geheimnisvolle Banalität von Lokalkrimis?
Keine Ahnung, ehrlich gesagt. Gibts vielleicht auch gute Lokalkrimis? Da könnte auch was dran sein, wenn sie gelesen werden. Von mir halt nicht.
Gewichtig! Welchen Buch-Tipps schenken Sie noch uneingeschränkt Vertrauen?
Wenn etwas interessant klingt, versuche ich es mir zu notieren, oft Internet-Funde, manchmal von FreundInnen. Ich kaufe Bücher nicht so oft, sondern leihe sie eher aus, allen Mahngebühren und Fahrten in Kauf nehmen zum Trotz. Letztens diese zwei – kann ich empfehlen: Miranda July: Auf allen Vieren und bell hooks: Die Bedeutung von Klasse.
Was für ein Fehlschlag! Welches Buch würden Sie auf einer einsamen Insel zurücklassen?
Im Grunde kann man die meisten gelesenen Bücher zurücklassen bzw. wieder in Umlauf bringen. Ein Buch lesen markiert immer einen speziellen Zeitraum- und Ort. Der entweder gerade passt oder eher nicht oder vielleicht nie. Habe letztens auf der Suche nach einem Roman in meiner Bibliothek ein Buch von Christine Angot herausgenommen. Ich fand sie während meines Studiums super, jetzt aber konnte ich mit ihrer Sprache überhaupt nichts mehr anfangen und nach einer Seite habe ich das Buch wieder weggelegt.
Hingegen würde ich den heuer erhaltenen Katalog der Schweizer Künstlerin Sandra Knecht „Home is a foreign place“ momentan nicht hergeben. Da sind u.a. auch Musiktitel zum Recherchieren aufgelistet, viele Texte und Fotos, und ich nehme es öfters in die Hand.Das Rauschen des Blätterns. Welches Buch würden Sie auf keinen Fall am E-Book-Reader lesen?
Bin noch keine E-Book-Besitzerin. Murakami, Sargnagel, Woolf, Schlingensief, Jodorowsky, Sapienza... gibt’s alles auch auf Papier.
Welches Buch zu Südtirol oder eines/einer Autors/Autorin aus Südtirol würden Sie unbedingt weiterempfehlen?
Natürlich die der Artists in Residency von Hotel Amazonas 2025, Jörg Zemmler: „Wir wussten nicht warum / Nur Zweifel gab es keine“, und Gerd Sulzenbacher: „Abriss. Prosa“ – spielt allerdings in Wien. Roberta Dapunts Gedichte. Das 2021 von BAU zusammen mit Hotel Amazonas herausgegebene Künstlerbuch „The Chestnut, The Sea Urchin & The Tuning of the Bells“ von den Futurefarmers. „Im Körper der Sprache“, der bei bruno erschienene, über 300-seitige Katalog zur von mir im letzen Jahr co-kuratierten Fort-Biennale in der Franzensfeste. Ein Buch zu Südtirol vom Interviewenden: Oh! Südtirol! Und das Kochbuch von Mali Höller.
Margareth Kaserer (*1983) lebt und arbeitet am Ritten als Künstlerin, Landwirtin, Kuratorin und Köchin. Studium der Vergleichenden Literaturwissenschaften in Wien und postgradualer Lehrgang in Performance und Szenografie „a.pass“ in Antwerpen (Belgien). 2012 Gründung des Artist in Residency- und Kulturveranstaltungsprojektes „Hotel Amazonas“ auf ihrem Bergbauernhof in Südtirol.
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