Gesellschaft | Diskussion?

Giftiges Duett

Arnold Schuler und Alexander Schiebel sind im Meraner Ost West Club aufeinander getroffen. Ein Abend voller Giftpfeile, Schuldzuweisungen und unbeantworteter Fragen.
Ost West Mals
Foto: Arno Ebner

Vergiftet. Mit diesem einen Wort lässt sich der Mittwoch Abend im Meraner Ost West Club zusammenfassen. Bis auf die Anfangsbuchstaben ihrer Namen haben die beiden Gäste, die Markus Lobis geladen hat, nichts, aber auch gar nichts gemein. Tatsächlich? Die Positionen von Arnold Schuler und Alexander Schiebel sind bereits vor Beginn der Diskussion über “Das Wunder von Mals – Trendwende oder Strohfeuer” geklärt. Den Landesrat für Landwirtschaft und den Filmemacher und Buchautor trennen Welten. Der eine fühlt sich vom anderen verunglimpft und hat ihn angezeigt. Der andere sieht sich als Schutzherr der Malser Bevölkerung, die im September 2014 mit deutlicher Mehrheit Ja zu einer pestizidfreien Gemeinde gesagt hat – und die seither von mächtigen Gegenspielern (Schiebel nennt die Landesregierung, Landesrat Schuler und den Südtiroler Bauernbund) in ihrem Wunsch behindert wird: durch Anfechtungen, Ankreidungen, aneinander Vorbeireden.

Trotz aller Unterschiede sind am Mittwoch doch Gemeinsamkeiten der beiden A. S. auszumachen – zu einem konstruktiven Dialog tragen die allerdings herzlich wenig bei. Gegenseitige Schuldzuweisungen, Anfeindungen und Hiebe, knapp über der Gürtellinie, ziehen sich durch den gesamten Abend. Angeheizt von den beiden Lagern im Publikum, in dem Schulers Mitarbeiter samt Sohn und viele Malser Aktivisten sitzen. Die Südtiroler Obstwirtschaft, wie sie auch im Obervinschgau betrieben wird, sei ein Auslaufmodell, das mit Zähnen und Klauen verteidigt werde, behauptet Schiebel – eine These, die er auch in seinem jüngst erschienenen Buch “Das Wunder von Mals” vertritt. “Komplett falsch” sei der Eindruck, den “der Schiebel, pardon, Herr Schiebel” erwecke, kontert Schuler. Er spiele mit Emotionen, verbreite Falschaussagen und sei an einer ehrlichen Debatte nicht interessiert. “Was Sie sagen ist lächerlich”, erwidert Schiebel. Es sei der Landesrat, der Fantasiegeschichten aus dem Märchenbuch erzähle, “eine Menge an Lügen und Halbwahrheiten”.

Der Landesrat spielt sich als überlegen auf: “Ich weiß, wovon ich rede, im Gegensatz zu Herrn Schiebel, der ein Filmemacher und kein Agrarexperte ist.” Doch ist Schuler nicht imstande, eine klare Antwort auf die Frage zu geben, die bleiern im Raum steht – und vielmehr mit demokratiepolitischem Verständnis als mit landwirtschaftlichem Fachwissen zu tun hat: 76 Prozent der Malser haben Ja zu einem kompletten Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel gesagt. Warum akzeptiert die Landespolitik den Willen der Menschen nicht, unterstützt sie in der Umsetzung, ist stolz auf Mals, das über die Landesgrenzen hinaus als Vorreiter für ein Umdenken in der Landwirtschaft wahrgenommen wird?

Schuler wagt einen abenteuerlichen Vergleich, um die Apathie in Mals zu begründen – und mit dem Finger auf die Promotoren des Pestizid-Referendums zu zeigen: “Man kann nicht, wie in Katalonien, zuerst über etwas abstimmen und dann die Verhandlungen beginnen. Man muss die Leute auf der Reise mitnehmen und darf nicht eine Entscheidung mit Gewalt herbeiführen.” Die Entwicklung in der Landwirtschaft gehe ohnehin immer mehr in Richtung Ökologisierung – “warum erzwingen?”, so Schuler. Ja, man habe Fehler gemacht, nein, er nehme weder sich noch die Bauern aus der Verantwortung, dass in der Landwirtschaft nicht alles so klappt wie es könnte. Aber was es brauche, seien gemeinsame Lösungen – und das heißt für Schuler vor allem eines: “Geduld haben.” Doch wie lange sollen die Malser noch warten?

“Sie haben sich seit 1.124 Tagen, seit der Abstimmung in Mals, nicht bewegt”, wirft Schiebel Schuler vor, “haben keine sachpolitischen Lösungen für die Koexistenz von Bio- und konventionellen Bauern präsentiert”. Stimmt nicht, er sei sehr wohl an Gesprächen mit den Malsern interessiert, habe sie auch geführt, will der Landesrat festgehalten wissen. “Mit welchem Resultat?”, stellt sein Gegenüber eine Frage, auf die einer aus dem Publikum die Antwort gibt: “Nix isch passiert, Arnold!” Es ist Urban Gluderer vom Kräuterschlössl in Goldrain, der seit 27 Jahren Biobauer ist und inzwischen über 200.000 Euro ausgegeben hat, um seinen Betrieb vor den Pestiziden zu schützen, die von den Nachbarflächen herüber wehen. Gluderers Stimme bebt vor Zorn, während Schuler poltert: “Zu sagen, wir bemühen uns nicht, ist eine Schweinerei!”

Es ist ein stellenweise dreckiges Ping-Pong-Spiel, das sich bis zum Ende durchzieht. Manches Mal zweifelt man, ob sich Schiebel und Schuler überhaupt gegenseitig zuhören – oder nur daran interessiert sind, schärfer, giftiger, tiefer als der jeweils andere zu schießen. Als Gewinner darf sich keiner der beiden fühlen.
Dass man ohne Durchbruch in der festgefahrenen Debatte, ohne revolutionär neue Entwürfe für die Südtiroler Landwirtschaft nach Hause gehen wird, prophezeit Moderator Markus Lobis bereits bevor das erste Wort seiner Gäste gefallen ist. Am Ende wird Arnold Schuler “gegenseitiges Vertrauen” und “Respekt für die Bauern” fordern. Alexander Schiebel schließt den Abend mit einem Plädoyer für “eine andere Landwirtschaft – sie ist möglich!”. Es ist das letzte Mal, dass die beiden Kontrahenten aufeinander treffen. Schlammschlachten sind mühselig. Vor allem wenn sie auf offener Bühne ausgetragen werden (müssen).