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Der trügerische Test

Ein deutsches Ehepaar hat sich bei seinem Südtirol-Urlaub in falscher Sicherheit gewogen. Weil das Hotel wohl eine überholte Regelung zu den Corona-Tests angewandt hat.
Südtirol-Urlaub
Foto: Othmar Seehauser

“Ich habe mich betrogen gefühlt.” Das sagt eine bundesdeutsche Urlauberin nach ihrem Südtirol-Aufenthalt zu ZEIT ONLINE. Die Frau war Ende September gemeinsam mit ihrem Ehemann für drei Tage in einem Hotel nahe Bozen zu Gast. Der Betrieb hatte auf seiner Webseite damit geworben, eine “Covid Protected Area” umgesetzt zu haben. Dafür ist unter anderem vorgesehen, die Gäste bei Ankunft auf das Coronavirus zu testen. Doch der angenommene Schutz dürfte in dem Fall, den die ZEIT rekonstruiert hat, trügerisch gewesen sein.


Falsche Sicherheit

 

Das deutsche Ehepaar, von dem ZEIT ONLINE am Donnerstag Morgen in einem Artikel mit dem Titel “Schöner Schein” berichtet, wurde bei seiner Ankunft im Hotel auf das Coronavirus getestet. Die Hotelbesitzerin persönlich habe den beiden Gästen mit einer Nadel in den Finger gestochen, berichtet die ZEIT. Zehn Minuten später sei das Testergebnis da gewesen: Es war negativ. Das Urlauberpaar habe dann “drei Tage im Hotel verbracht, als würde es Corona nicht geben”, schreibt die ZEIT – und gibt die Erzählung der Frau wieder: Es seien keine Masken getragen worden, niemand habe Abstand gehalten und nirgendwo habe Desinfektionsmittel gestanden. Sie sei davon ausgegangen, dass jeder im Hotel negativ auf Corona getestet worden sei.

Bis sie bei ihrer Rückkehr nach Deutschland ein böses Erwachen erlebte. Eine befreundete Ärztin habe die Dame darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Test, der bei ihrer Ankunft in dem Südtiroler Hotel durchgeführt wurde, um einen Antikörpertest handle. Das negative Testergebnis bestätigt nur, dass sie keine Antikörper auf das Coronavirus entwickelt hat. Eine laufende Infektion aber kann er nicht ausschließen. “Dafür ist der Test völlig ungeeignet”, zitiert die ZEIT den Geschäftsführer des Herstellers der im Hotel benutzten Tests. Dieser Test diene nur dazu, zu sehen, ob jemand Antikörper gebildet und somit eine Immunität aufgebaut hat. Das sei nur der Fall, wenn der Test positiv ausfällt. Um eine laufende Infektion auszuschließen, wäre ein Nasen-Rachen-Abstrich, also ein PCR-Test oder ein Antigen-Schnelltest nötig gewesen.

 

Sie habe dem Hotel vertraut und den Test sowie das Resultat nicht hinterfragt und ärgere sich nun über ihre Naivität, gesteht die deutsche Urlauberin im Gespräch mit der ZEIT. “Ich habe mich betrogen gefühlt.” Während die Hotelbesitzerin auf Anfragen nicht geantwortet habe, hat die ZEIT eine Stellungnahme aus dem Büro von Landeshauptmann Arno Kompatscher erhalten. “Es dürfte notwendig sein, dieses Konzept aus dem Frühjahr etwas zu überarbeiten”, wird Kabinettschef Dominik Holzer zitiert.

Dabei ist das längst passiert.

 

Gefährlicher Fauxpas


Das Konzept der “Covid Protected Area” wurde mit dem Landesgesetz Nr. 4 vom 8. Mai 2020 zum “Südtiroler Weg” aus dem (ersten) Lockdown eingeführt und soll den Hausgästen erlauben, sich frei in der Hotelanlage zu bewegen, wenn einige Voraussetzungen erfüllt sind. Unter anderem folgende: Urlauber müssen beim Check-in “einen zertifizierten, negativen PCR-Test vorweisen, dessen Ergebnis nicht älter als vier Tage ist”, oder “den zertifizierten Nachweis einer Antikörper-Entwicklung (also einen positiven Antikörper-Test, Anm.d.Red.) erbringen”, oder bei Ankunft “einen Test gemäß Protokoll des Sanitätsbetriebs machen”. So steht es in der aktuellen Anlage A zum Landesgesetz.

Doch am 8. Mai war eine andere Version der Anlage A verabschiedet worden. Darin hieß es: “Gäste und Kunden weisen beim Check-in einen zertifizierten, negativ serologischen Schnelltest vor, dessen Ergebnis nicht älter als vier Tage ist, oder erbringen den zertifizierten Nachweis einer Antikörper-Entwicklung.” Ein serologischer Schnelltest aber misst die Entwicklung von Antikörpern im Blut. Was bedeutet hätte: Egal, ob ein Gast Corona-Antikörper hat oder nicht, er darf sich in Hotels, die eine “Covid Protected Area” schaffen, auf jeden Fall ohne weitere Sicherheitsvorschriften bewegen. Demnach wäre auch ein negativer Antikörper-Test wie im Falle des deutschen Urlauberpaares zulässig gewesen.

Doch die Opposition hatte den gefährlichen Fauxpas bemerkt und bei der Behandlung des Gesetzentwurfes zum “Südtiroler Weg” einen Abänderungsantrag im Landtag vorgelegt. Statt eines negativen Antikörpertests, wie es der serologische Test ist, sollte bei Anreise ein negativer PCR-Test verlangt werden, der eine aktuelle Infektion ausschließen kann. Der Änderungsantrag wurde allerdings von der Mehrheit abgelehnt. Erst am 26. Mai reagierte die Landesregierung – und änderte per Beschluss die Anlage A ab.

Warum aber wurde Ende September offensichtlich immer noch das überholte Protokoll vom 8. Mai, das keinerlei Sicherheit bietet, angewandt? Und in wie vielen Betrieben? Gab es Kontrollen? Vermutlich nicht. Denn wie die ZEIT berichtet, mussten die “Covid Protected Areas” nicht bei den Behörden angemeldet werden. Wie viele Hotels dieses Konzept umgesetzt haben, ist nicht bekannt.