Sterbende Glückskäfer
Marienkäfer sind hübsche Tierchen und als Glückssymbole in Schokoladenform erhältlich. Sie verzieren Verpackungen und auf Früchten wie Äpfeln werden sie hinaufgeklebt. In Agrarökosystemen, von einer Ackerlandschaft bis hin zu einem Gemüsegarten, spielen sie als Nützlinge eine besondere Rolle, denn sie verspeisen Blattläuse und Schildläuse. welche manchmal geschwächte oder zu schnell gewachsene Pflanzen befallen. Marienkäfer legen ihre Eier bei Blattlauskolonien ab, aus denen dann die schwarzen-gelben Larven schlüpfen. Eine Larve eines Marienkäfers vertilgt ca. 150 Blattläuse pro Tag und damit tragen sie ganz erheblich dazu bei, dass sich Blattläuse nicht massenhaft vermehren. In agrarischen Ökosystemen spielt der Marienkäfer damit eine wichtige Rolle zur Minimierung von Blattläusen und Eindämmung von Blattlausepidemien. Oft ist es weniger das Saugen der Blattläuse, welches die Pflanzen schwächt, sondern vielmehr die Übertragung von Krankheiten, wodurch bei manchen Kulturen ernsthafte Schäden entstehen (z.B. Übertragung des Bohnenmosaikvirus durch Blattläuse und Absterben der Bohnen). Als Nützling und Fressfeind der Blattläuse und Schildläuse sind Marienkäferarten damit echte Glücksbringer für das Ökosystem der Agrarlandschaften. Ökosysteme leisten Dienste und erfüllen Funktionen und eine biodiversitätsgebundene Ökosystemfunktion ist die biologische Schädlingsbekämpfung. Der Marienkäfer erfüllt eine Funktion und leistet seinen Dienst, indem er Läuse verzehrt.
Biologische Invasoren
Invasive Neobiota, neue Arten mit weitreichendem Schadenspotenial, gefährden die Biodiversität und viele invasive Neobiota richten Schäden in der Landwirtschaft an. Es gibt zahlreiche natürlich vorkommende Arten von Marienkäfern in Europa und zur Schädlingsbekämpfung wurde der Asiatische Marienkäfer in den 1980eer Jahren nach Europa und schon früher in die USA eingeführt. Inzwischen tritt die Art gebietsweise massenhaft auf und wenn sich Hausbesitzer über Schwärme von Marienkäfern an Häusern beklagen, so handelt es sich um Massenvorkommen des Asiatischen Marienkäfers. Seit 2002 tritt die Art gehäuft in Europa auf und Massenvermehrungen des Asiatischen Marienkäferns gibt es seit 2004 in Großbritannien, Frankreich und Deutschland.
Dem Siegeszug des Asiatischen Marienkäfers stehen einheimische Marienkäferarten gegenüber, die in ihrem Bestand gefährdet sind und in Roten Listen stehen. Vom Asiatischen Marienkäfer wird berichtet, dass er heimische Arten verdrängt. Eingeführte Arten können heimische Arten verdrängen und invasive Neobiota sind eine der Hauptgefährdung der Biodiversität weltweit.
Der Asiatische Marienkäfer wurde zuerst in die USA eingeführt, wo er heute in Weinbergen als Schädling auftritt. Der eingeführte Nützling wurde zum genauen Gegenteil: zum Schädling in landwirtschafltichen Kulturen. Der Asiatische Marienkäfer ist in der Datenbank der global invasiven Arten der IUCN aufgelistet und ist inzwischen ein Schädling im Weinbau der USA.
Oft werden Arten eingeführt, obwohl es heimische Arten gibt, welche eigentlich die Aufgabe erfüllen. Sogar in Kastanienhainen Südtirols geht es recht chinesisch zu, die Japanische Esskastaniengallwespe, welche 2008 erstmals in Südtirol nachweislich auftrat, wurde mit einem eingeführten asiatischen Gegenspieler (Torymus sinensis) bekämpft. Wissenschaftliche Untersuchungen haben zwar ergeben, dass auch einheimische Schlupfwespenarten durchaus in der Lage sind, die Larven der Esskastaniengallwespe zu parasitieren, jedoch wurde eine asiatische Schlupfwespenart (Torymus sinensis) eingeführt.
Die Ausbreitung des Asiatischen Marienkäfers hat in Deutschland dazu geführt, dass der einst häufigste Marienkäfer, der Zweitpunkt Marienkäfer stark abgenommen hat. Parasiten des Asiatischen Marienkäfers wurden mit der Art eingeführt und die heimischen Zweitpunkt-Marienkäfer werden von diesem Parasiten infiziert und sterben, wie eine Studie der Universität Gießen herausfand. Der Asiatische Marienkäfer trägt Pilze in sich, auf welche die Art restitent ist, der heimische Zweipunkt Marienkäfer jedoch ist nicht restistent dagegen und stirbt durch diesen Pilz. Neobiota sind häufig eine Gefährdungsursache für heimische Arten, gerade auch als Überträger von Krankheiten. Klassisches Beispiel für das hohe Schadenspotential durch die Übertragung von Krankheiten eingeführter Arten ist die sogenannte Krebspest, welche schon vor 100 Jahren die europäischen heimischen Flusskrebsarten durch die Einfuhr und Ausbreitung einer amerikanischen Art dahinraffte.
Leider wird auch in der biologischen Schädlingsbekämpfung nicht immer auf den Schutz der heimischen Arten Rücksicht genommen und Arten wurden absichtlich eingeführt und erst im Nachhinein zeigten sich die weitreichenden und gravierenden negativen Effekte, die mit ihrer Einfuhr verknüpft sind. Dem Siegeszug des Asiatischen Marienkäfers steht die Bedrohung der heimischen Marienkäfer gegenüber.
Pestizide und Nützlinge
In der konventionellen Landwirtschaft werden mit einer Vielzahl an chemisch-synthetischen Pestiziden Organismen bekämpft, die eventuell Schäden hervorrufen. Pestizide werden auch prophylaktisch eingesetzt, also bevor eine Schädigung durch bestimmte Organismen eintritt. Die Europäsche Union hat 2009 eine Richtlinie über die nachhaltige Verwendung von Pestiziden erlassen und festgehalten:
„Die derzeitige Abhängigkeit von Pestiziden als vorrangiges Mittel zur Bekämpfung von Schädlingen ist eindeutig nicht mit der nachhaltigen Landwirtschaft vereinbar, da die regelmäßige Verwendung von Pestiziden über einen längeren Zeitraum die Entstehung von Resistenzen bei Schädlingen bewirkt. Sie hat außerdem den schädlichen Nebeneffekt, dass auch Nützlinge, die wichtig sind, um Schädlingsbefall vorzubeugen, vernichtet werden und dass es häufig zu Sekundärschädigungen kommt. Beide Faktoren können dazu führen, dass noch mehr Pestizide eingesetzt werden und ein Teufelskreis entsteht.“ (Bericht vom 30.01.2019 des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit über die Umsetzung der Richtlinie 2009/128EG über die nachhaltige Verwendung von Pestiziden an das Europaparlament)
Pestizide werden in der biologischen Landwirtschaft nicht verwendet und Pestiziden gehört nicht die Zukunft, da ihre negativen Auswirkungen auf die Biodiversität und die Lebensgrundlagen des Menschen (z.B. Anreicherung von Pestiziden in Grundwasserkörpern) bekannt sind.
Sie hat außerdem den schädlichen Nebeneffekt, dass auch Nützlinge, die wichtig sind, um Schädlingsbefall vorzubeugen, vernichtet werden und dass es häufig zu Sekundärschädigungen kommt."
Für Marienkäfer wirken Pestizide besonders gravierend, Tiere sterben durch Pestizide. Sie reagieren viel empfindlicher auf Gifte, als es beispielsweise Blattläuse tun. Das ist deshalb so, weil sie eine große Anzahl von vergifteten Beutetieren zu sich nehmen und dadurch einer viel höheren Dosis ausgesetzt sind.
In einer europaweiten Studie über die Intensivierung der Landwirtschaft im Jahr 2010 wurden weitreichende negative Effekte auf die Anzahl durch natürliche Feinde gefressenen Blattläuse festgestellt. Die natürliche Schädlingsbekämpfung wird durch den Gebrauch von Pestiziden verringert und die biologische Schädlingsbekämpfung nimmt ab. „Wenn die Biodiversität in Europa erhalten werden soll und die Chance auf biodiversitätsgebundenen Ökosystemfunktionen, wie biologische Schädlingsbekämpfung, beruhenden Ackerbau geschaffen werden soll, ist eine europaweite Veränderung zu einer Bewirtschaftung mit minimalem Gebrauch von Pestiziden über große Flächen notwenig“, Geiger, F., Bengtsson, J., Berendse, F., Weisser, W. W., Emmerson, M., Morales, M. B., ... Inchausti, P. (2010). Persistent negative effects of pesticides on biodiversity and biological control potential on European farmland. Basic and Applied Ecology, 11(2), 97-105. https://doi.org/10.1016/j.baae.2009.12.001
Ein Beispiel für die negativen Auswirkungen von Pestiziden auf die biologische Schädlingsbekämpfung in Südtirol ist auch der bereits erwähnte Fall der Asiatischen Esskastaniengallwespe, welche Kastanienbäume befällt. Das Wochenmagazin ff berichtete am 2. November 2017 darüber. Die aus Asien eingeschleppte japanische Esskastaniengallwespe (Dryocosmus kuriphilus) wurde mit einem natürlichen Gegenspieler, der Schlupfwespenart Torymus sinensis, bekämpft. In einem abschließenden Bericht wurde 2017 die Nutzlosigkeit der Bekämpfung deutlich: “in Anbetracht der ermittelten Gegebenheiten- durch Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in angrenzenden Obstbaugebieten- als nutzlos erachtet“. In Kastanienhainen selbst werden keine Pestizide eingesetzt, jedoch gelangen diese über die Luft (z.B. Abdrift) in andere Kulturen. Analysen von Blättern der Kastanienbäume und aus der Krautschicht ergaben Rückstände. Dabei wurde ein Pestizid des Apfelanbaus zur Bekämpfung des Weißdornblattsaugers, des Überträgers der Apfeltriebsucht, gefunden und dieses Pestizid wird zum Zeitpunkt des Fluges der Nützlinge versprüht und gilt als Grund für den mangelnden Erfolg. Das Programm zur biologischen Bekämpfung der japanischen Kastaniengallwespe wurde in Südtirol eingestellt.
Marienkäfer waren häufig in Gärten, Wiesen und Feldern Europas und Südtirols. Heute sieht man im Etschtal nur noch selten Marienkäfer, ebenso wie bunte Schmetterlinge, Glühwürmchen oder andere Insekten. Die derzeitige Abhängigkeit von Pestiziden als vorrangiges Mittel zur Bekämpfung von Schädlingen in der Landwirtschaft ist nicht mit einer nachhaltigen Landwirtschaft und dem Erhalt der Artenvielfalt vereinbar. Die Gefahr, welche durch die Einführung von neuen Arten auf heimische Arten ausgeht, insbesondere als Überträger von Krankheiten oder die ungewollte Einschleppung von Parasiten, ist ein Aspekt, der unzureichend in der allgemeinen Diskussion berücksichtigt wird. Auch Nützlinge der biologischen Schädlingsbekämpfung, wie der Fall des Asiatischen Marienkäfers deutlich macht, können weitreichende negative Folgen für die Biodiversität haben und am Ende sogar Kulturpflanzen schaden.
"Pestizide werden in der
"Pestizide werden in der biologischen Landwirtschaft nicht verwendet ... "???
Was wird dann verwendet?
Sprachverwirrung?
Ist schon klar, die jeweils
Ist schon klar, die jeweils zugelassenen Listen sind einsehbar und bekannt.
Meine Frage ist:
Sind grundsäzlich die im biologischen Anbau verwendeten "Mittel" auch als Pflanzenschutzmittel bzw. Pestizide zu bezeichnen, ja oder nein?
Die jeweiligen Etiketten geben klar Auskunft darüber!
Dennoch wird ein und dasselbe "Mittel" im Bio-Bereich häufig als "Präparat" und im "konventionellen"-Bereich als Pestizid bezeichnet.
Ist der Brei so heiß?
Ist der Brei so heiß?
Man sieht unschwer:
Man sieht unschwer:
Ein korrekter Sprachgebrauch und Begriffsbezeichnung wären die Grundlage einer weiterführenden Diskussion ...
Babel?!
Antwort auf Man sieht unschwer: von Günther Mayr
Der Turmbau zu Babel zeugt
Der Turmbau zu Babel zeugt von der Hybris der Menschen.