Gesellschaft | Gewalt im Alter

Gewalt macht nicht halt: Gewalt in Südtiroler Altersheim

Die häusliche Gewalt steigt. Nicht nur gegenüber Frauen und Kindern, auch ältere Menschen sind zunehmend betroffen. Sabine aus einem Altersheim in Südtirol erzählt: "Eine Pflegerin hat sie an den Haaren gezogen."

Wir haben sie vergessen. Irgendwo, irgendwie sind sie uns abhanden gekommen. Die Menschen, die nicht mehr arbeitsfähig sind, nicht mehr produktiv, scheinen ausgemustert zu werden. Und Gewalt richtet sich gegen sie. Gewalt von den eigenen Angehörigen, Gewalt von den PflegerInnen in Altersheimen.

Offen spricht "Sabine", aus der Pflegedienstleitung des Altersheims in Deutschnofen über einen Vorfall an ihrer Arbeitsstelle. "Erst kürzlich hab ich Gewalt im Altersheim erlebt. Es ist eine Beschwerde eingegangen von einer Bewohnerin, dass sie von einer Pflegerin an den Haaren gezogen wird. Der Beschwerde sind wir sofort nachgegangen." Gespräche mit den MitarbeiterInnen, mit den Angehörigen, mit der "Täterin". "Wir haben der betroffenen Pflegerin den Vertrag nur mehr für ein Jahr verlängert", sagt Sabine. "Ein Projekt wäre derzeit zu viel", sagt die Pflegerin aus Deutschnofen zu der Interviewerin, "aber eine offene Gesprächsrunde können wir uns vorstellen."

Braucht es nicht mehr? Das Tabu "Gewalt im Alter" soll auf jeden Fall gebrochen werden. Das Interreg IV Italien – Österreich Projekt „Gewalt im Alter“  richtet sich an "Pflege- und Betreuungspersonen in ambulanten und stationären Seniorenbetreuungseinrichtungen, in der Haus- bzw. Hauskrankenpflege und an medizinisches Fachpersonal." Angesprochen werden auch die pflegenden Angehörigen, denn Gewalt hat viele Formen. Eine davon ist die strukturelle Gewalt. Sprüche wie: "Das Verlassen des Heimes ist nur in Begleitung erlaubt", oder „Die Besuchszeit ist vorbei!“ sind allgegenwärtig. Doch was heißt das für die Menschen, die es betrifft? "Sperren des Telefons, Abstecken der Notrufglocke oder Zusperren der Zimmertüre, aber auch die bewusste Verknappung von Personalressourcen ist eine Form von struktureller Gewalt", heißt es auf der Homepage gewaltimalter.eu.

Hilfe macht abhängig, Hilfe macht anfällig für Gewalt, sagt Dr. Beate Plättner, die das Interreg-Projekt wissenschaftlich begleitet.

In der Schweiz haben einzelne Kantone und Städte öffentliche Ombudsstellen für Alters- und Heimfragen geschaffen, die sich mit Beschwerden im Zusammenhang mit staatlich unterstützen Pflegeinstitutionen (Pflegeheime und Spitex) befassen.

Pflege braucht Unterstützung, Zeit und Geduld, einen Beitrag von telezuri.ch sehen Sie hier.

Irgendwo haben wir uns verloren, uns und unsere Mitmenschen.