Wässrige Landesverräter

-
„Ein junger Spitzenschwimmer gerät ins Visier des DDR-Regimes. Wochenlange Verhöre, psychische Folter, ein lebenslanges Sportverbot“, heißt es in der Ankündigung zum Dokumentarfilm Der Wettkampf meines Lebens des Regisseurs Antonio La Regina, der heute in Bozen und morgen in Algund präsentiert wird.
War Mitbauers Heldentat vielleicht auch Anstoß für die Flucht des DDR-Wassersportlers Wulf Reinecke, die sich nur zwei Jahre später in Meran ereignete?
-
Schwimmen, schwimmen, schwimmen: Anfang August 1969 fuhr Mitbauer an die Ostsee. Um die mitreisenden Stasi-Begleiter abzuschütteln, sprang er bei Schwerin aus dem fahrenden Zug und zeltete unangemeldet auf einem Campingplatz. Am 17. August 1969 gegen 21 Uhr abends stieg er bei Boltenhagen – dem westlichsten Badeort der DDR – in die Ostsee. Foto: Stilkraftfilm
In der Nacht des 17. August 1969 schwamm der ehemalige DDR-Profischwimmer Axel Mitbauer von Boltenhagen (ehemalige DDR) bis in die Lübecker Bucht (ehemalige BRD). Dabei legte er eine Strecke von rund 25 km durch die Ostsee zurück. Vor seiner spektakulären Flucht vor dem DDR-Regime wurde er aufgrund verschiedener Umstände mehrere Wochen lang von der Geheimpolizei der DDR inhaftiert und verhört und lebenslang vom Sport und Schwimmen ausgeschlossen. Dieser Todesstoß für seine Sportkarriere in seiner ehemaligen Heimat war zugleich der Anstoß für seine Flucht.
Ohne Orts- und Wetterkenntnis schwamm Axel Mitbauer Richtung Westen und orientierte sich an den Sternen.(c) StilkraftfilmWar Mitbauers Heldentat vielleicht auch Anstoß für die Flucht des DDR-Wassersportlers Wulf Reinecke, die sich nur zwei Jahre später in Meran ereignete? „Ein Mitglied der DDR-Mannschaft, die an den Kanu-Weltmeisterschaften in Meran teilnimmt, ist seit Sonntag abgängig“, dokumentierte die Stasi den Kanuten-Fall des Wulf Reinecke, der im Juni 1971 zwar noch an der Preisverleihung in der Kurstadt teilnahm, dann aber nicht mehr ins Hotel zurückkehrte. Reinecke, Jahrgang 1949, aus Gera, war verheiratet und arbeitete als Werkzeugmacher. Nachdem er anlässlich der Kanu-Weltmeisterschaften – Weltmeister in der Mannschaft und Vizeweltmeister im Einer-Canadier – zwei Medaillen errungen hatte, kehrte er nicht mehr ins Hotel zurück, in dem die DDR-Delegation Quartier bezogen hatte.
Desgleichen habe er ihr auch nicht die exakte Adresse – entgegen seinem sonstigen Verhalten bei Auslandsstarts – angegeben.
„Reinecke hat bei seinen zehn Einsätzen im nichtsozialistischen Ausland ein einwandfreies Auftreten an den Tag gelegt und wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass er stolz sei, die DDR im Ausland repräsentieren zu können“, steht in den Geheimakten lobend vermerkt. Allerdings hatte er eine Mitgliedschaft in der Partei der Arbeiterklasse mit der Begründung abgelehnt, „noch nicht reif genug für diesen Schritt zu sein“. Laut Angaben seiner Ehefrau „hatte er ihr – entgegen sonstigen Gepflogenheiten – verboten, vor der Abreise zu den Weltmeisterschaften nach Meran die Reisetasche zu packen. Desgleichen habe er ihr auch nicht die exakte Adresse – entgegen seinem sonstigen Verhalten bei Auslandsstarts – angegeben.“ Des Weiteren habe er in den Tagen vor dem Wettkampf „kaum noch mit ihr gesprochen und sich auch nicht verabschiedet“, gab Reineckes Frau an. Sie habe „dem jedoch keine besondere Beachtung beigemessen“. Nach der Flucht in Meran 1971 übersiedelte er in die USA.Regisseur mit Soldatenerfahrung: Hinter den Kulissen zum Dreh von "Der Wettkampf meines Lebens" Foto: StilkraftfilmFür den Film Der Wettkampf meines Lebens zeichnet der 1989 in Trient geborene und in Süd- und Osttirol aufgewachsene Antonio La Regina verantwortlich. Auch er kann eine besondere Sportgeschichte erzählen, die ihn nachhaltig geprägt hat. Nach einer Offizierskarriere beim österreichischen Bundesheer entkam er nach einem schicksalhaften Absturz während eines Sportbewerbs am Weißseekopf (2.908 m) nur knapp dem Tod. Das Leben des Berufssoldaten veränderte in wenigen Augenblicken sein Leben. Seine Überlebensgeschichte präsentierte Antonio La Regina im Motivationsvortrag Mein Glücksfall im Jahr 2023.
Der Film zum Schwimmer Axel Mitbauer wird heute und morgen präsentiert. Ob Antonio La Regina irgendwann einen Film zum abgängigen Kanu-Weltmeister in Meran machen wird? Die Frage kann im Rahmen der beiden Vorführungen live gestellt werden. Regisseur Antonio La Regina wird bei den Projektionen in Bozen und Meran anwesend sein.Antonio La Regina ist bei den Vorstellungen am 13. und 14. persönlich anwesend und führt im Anschluss an die Vorführung ein Publikumsgespräch im Rahmen einer Q&A Session.
Weitere Artikel zum Thema
Culture | Salto Gespräch"Was will denn die mit Ballett?"
Culture | Salto WeekendServierte und erlebte Geschichten
Culture | Salto AfternoonGundi und Conny
"Auf spektakuläre Weise…
"Auf spektakuläre Weise haben zwei Wassersportler vor über 50 Jahren die DDR verraten. "
Ich finde diesen Satz angesichts der Unterdrückung in der DDR äußerst unangebracht. Die Sportler haben niemanden verraten. Im Gegenteil wurden die unterdrückten Bürger der DDR von den damaligen Machthabern verraten und ihrer Freiheitsrechte beraubt. Ich würde sogar behaupten, sie haben das sozialistische Gedankengut verraten und durch ein autoritäres Regime ersetzt.
Der Begriff "Verrat" ist eine eine typische Masche von allen autoritären Regimen, um abweichende Meinungen auszugrenzen und die Menschen brutal zu verfolgen.
Man sollte somit diesen Begriff nicht verwenden. Dahinter verbirgt sich eine typische Täter-Opfer Umkehr.