Neue Pacher-Schätze
Jein, sagt die Amtsdirektorin für Bau- und Kunstdenkmäler, Waltraud Kofler Engl, denn von der holzgeschnitzten Madonna mit der Weintraube wusste man und vermutete, dass sie wohl von Michael Pacher selbst stammen könnte. Jetzt hingegen sei der Zeitpunkt gekommen, um die beiden Werke aus dem Brixner Diözesanmuseum als gesicherte Pacher-Werke bekanntzugeben. Neben der Madonna wurde auch das Holztafelbild der Heiligen Katharina von Professor Giorgio Bonsanti aus Florenz dem Bildschnitzer und Maler aus Pfalzen zugeordnet.
Giorgio Bonsanti, Kunsthistoriker und Professor an der Universität Florenz, forscht seit einem guten halben Jahrhundert zu Michael Pacher, dem 1435 vermutlich in Mühlen bei Pfalzen geborenen Meister der Tiroler Spätgotik. Die Madonna und das Tafelbild aus dem Diözesanmuseum erweitern den Kreis der noch existierenden Pacher-Arbeiten, zu denen vor allem seine Altarwerke gehören. Die bekanntesten sind wohl der Laurentiusaltar für St. Lorenzen bei Bruneck, der Marienaltar für die Alte Pfarrkirche bei Gries in Bozen sowie der gotische Flügelaltar für St. Wolfgang im Salzkammergut. Den Kirchenväteraltar für Kloster Neustift bei Brixen beherbergt nun die Alte Pinakothek in München.
Madonna mit der Traube
Neben diesen Großwerken sind rund zwei Dutzend Einzelfiguren und Gemälde bekannt, die die kunsthistorische Forschung beschäftigen. Dass die beiden „neu entdeckten“ Pacher-Werke von anderer Seite wiederum bezweifelt werden könnte, ist Bonsanti klar. Seine Argumentation baut er auf die Datierungen der Kunstgegenstände auf. Dass es sich bei der Madonna mit der Traube um eine Arbeit Pachers handelt, schließt er aus dem charakteristischen Stil des Werkes, der für ein Jugendwerk des Michael Pacher spreche. Die Figur falle in seine frühe Schaffenszeit noch vor 1465, also noch vor seinem ersten wichtigen Hauptwerk, dem Altar von St. Lorenzen. „Damals aber gab es weder Schüler noch einen Umkreis, somit ist Michael Pacher sicher der Schöpfer der Madonna,“ betonte Giorgio Bonsanti bei der Präsentation im Brixner Diözesanmuseum. Auch die letzte Restaurierung hat die Beurteilung der Madonna als eigenhändiges Jugendwerk des Künstlers noch erhärtet.
Das Martyrium der Heiligen Katharina
Das zweite Werk, ein fragmentarisches Tafelbild mit dem Martyrium der Heiligen Katharina, war bisher völlig unbekannt und unerkannt. Die Tafel befindet sich zwar in schlechtem Erhaltungszustand, lässt die hohe künstlerische Qualität aber trotzdem erkennen. 1911 als Schenkung ins Diözesanmuseum gekommen, wurde das Tafelbild 1983 restauriert. Auch hierbei handelt es sich laut Kunsthistoriker Bonsanti um ein Jugendwerk Pachers und die möglichen stilistischen Vergleiche führen zu den sieben erhaltenen Tafeln des Altares von St. Lorenzen, die sich heute in verschiedenen Museen in München, Wien und Rychnov in der Tschechischen Republik befinden. Er habe die Gesichter der Figuren in diesen sieben Altartafeln und jenes der Heiligen Katharina miteinander verglichen. „Außergewöhnlich und sehr kostbar“ sei diese Katharina, gab es doch bisher lediglich ein weiteres Tafelbild von Michael Pacher, „alle anderen Gemälde in der Region sind Wandmalereien, etwa die Fragmente am Bildstock in Welsberg,“ erinnert Bonsanti.
Der Direktor des Diözesanmuseums Johann Kronbichler zeigt sich erfreut über die Zuschreibungen und somit den Zuwachs der Sammlung um zwei unschätzbare Kunstwerke; ein wenig skeptisch ist er trotzdem, besonders was die zweite Zuschreibung betrifft. „Bei der Madonna bin ich durchaus einverstanden, dass es sich um ein Jugendwerk Pachers handelt, die Heilige Katharina hingegen würde ich nicht dem Meister zuordnen.“ Weitere kunsthistorische Forschungen werden dies nun wohl beweisen oder widerlegen müssen.