Chronik | Zollpolitik

EU zwischen US-Druck und Eigeninteressen

Der Handelskrieg ist nicht nur ein wirtschaftliches Instrument, sondern verstärkt auch ein politisches.
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(C) Pixabay
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  • Dies zeigt sich deutlich am Beispiel Brasiliens unter der Präsidentschaft von Lula, das in einen heftigen Konflikt mit den Vereinigten Staaten unter der Führung von Donald Trump verwickelt ist. Die Zölle von 50 % auf alle aus Brasilien importierten Waren verfolgen ein klares politisches Ziel. Man will den linken Präsidenten Lula treffen, während Trump den ehemaligen rechtsextremen Präsidenten Jair Bolsonaro unterstützt, der wegen eines Putschversuchs angeklagt ist.


    Gleichzeitig profitiert das mit Trump verbündete Argentinien von günstigeren Abkommen für seine Exporte in die USA, was die politischen und wirtschaftlichen Spannungen in der Region zusätzlich verschärft.


    Parallel dazu verfolgt Trump sogar gegenüber Kanada eine harte Linie und erhob sehr fragwürdige Vorwürfe gegen die kanadische Regierung. Auch Indien ist von dieser Politik betroffen, da das Land russisches Öl importiert. Nun rücken allerdings besonders die BRICS-Staaten näher zusammen, wodurch auch jahrzehntelange strategische Partnerschaften mit den USA auf der Kippe stehen. Der Handelskrieg wird somit zum politischen Werkzeug, um gezielt Länder und Wirtschaftssektoren – auch aus strategischen Erwägungen – zu treffen. Dies wird mittelfristig die bestehende Weltordnung stark belasten.


    Zölle sind ohnehin ein umstrittenes Instrument der Wirtschaftspolitik. Zwar sind sie dazu gedacht, die heimische Industrie zu schützen und Handelsdefizite auszugleichen, doch oft schaden sie gerade denjenigen, die sie verhängen. Zölle verzerren die Märkte und schaffen wirtschaftliche Unsicherheit. Zudem sendet Trump eine politisch aggressive Botschaft aus und schiebt die eigenen wirtschaftlichen Probleme auf zuverlässige Handelspartner ab. Dies könnte eine allgemeine Welle des Protektionismus auslösen. Europa könnte mit einer Flut von Waren aus China und dem asiatischen Südosten konfrontiert sein und wäre gezwungen, seinerseits die eigene Wirtschaft zu schützen.

    Zölle erzeugen daher meist negative und unerwartete Effekte auf die Weltwirtschaft, verschärfen den Wettbewerb und benachteiligen Länder mit einem starken Exportvolumen. Zudem verhindern sie Investitionen, was durch die Unberechenbarkeit Trumps und seine aus rein wirtschaftlicher Sicht absurden Ankündigungen noch verstärkt wird. Er allein bestimmt die Regeln und der Rest der Welt kann sie am nächsten Tag in den Zeitungen lesen.


    Sein Ziel ist es, die Industrie und Investitionen zurückzuholen, Importe einzuschränken und die reale Wirtschaft zu stützen, um die gigantische Staatsverschuldung zu begrenzen. Allerdings verfolgen Trumps Maßnahmen laut vielen Experten eine Strategie, die ihm selbst schaden wird. Zölle sind eine zusätzliche Steuer auf Waren, die aus Drittländern in die USA importiert werden. Sie verteuern diese Güter für die Endverbraucher, also die US-Bürger. Das bedeutet nicht automatisch, dass auch die italienischen Verbraucher darunter leiden müssen. In Italien wurde Panik verbreitet, als ob wir die Zölle zahlen müssten. Auch bestehen auf Importe aus den USA aut Abkommen keine zusätzlichen Zölle.


    Unser Risiko besteht hauptsächlich darin, dass Unternehmen ihre Produktion aus Europa in die USA verlagern, um die Zölle zu umgehen. Die Angst vor Millionen verlorener Arbeitsplätze beruht jedoch momentan nicht auf Fakten oder realen Zahlen, denn die Unsicherheit ist zu groß für massive Investitionen.


    Im Gegensatz zu anderen Ländern wie China und Kanada verhält sich die EU eher unterwürfig, anstatt Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Dies ermutigt Trump, die Grenzen des Möglichen zu seinem Vorteil auszunutzen. Dabei handelt es sich um einen Binnenmarkt mit 450 Millionen Verbrauchern, der bisher leider wenig Zusammenhalt gezeigt hat. Dass zuletzt ein durchschnittlicher Zollsatz von 15 % vereinbart wurde, hängt auch damit zusammen. Durch die zu erwartenden Rückgänge bei den Exporten werden kleine und mittlere Unternehmen sowie Zulieferer stark leiden. Das geschlossene Abkommen wird zu Recht als Kapitulation der EU wahrgenommen, denn es gilt der Wille des Stärkeren.


    Hinzu kommen die Dollar-Abwertung und die durch die instabile Handelspolitik erzeugte Ungewissheit. Zudem fehlen wichtige Details im Abkommen, die erst noch ausgehandelt werden müssen. Dies könnte Monate, wenn nicht Jahre dauern, wodurch Europa den Launen und Erpressungen Amerikas ausgeliefert wäre. Es besteht die Gefahr, dass Trump seine Zollpolitik nutzen könnte, um die strengeren EU-Regeln in den Bereichen Müllentsorgung, Luftqualität, Pestizide, Chemikalien und KI auszuhebeln. Dies würde die wirtschaftliche Unsicherheit verstärken und künftige Verhandlungen und Strategien erschweren.


    Die Verpflichtungen der EU umfassen zudem den Kauf von etwa 750 Milliarden US-Dollar an Energie (hauptsächlich Gas) und amerikanischen Rüstungsgütern sowie Investitionen von rund 600 Milliarden US-Dollar in den Vereinigten Staaten in den kommenden Jahren. Dies gilt als schwer realisierbar, was Trumps Erpressungsversuche beflügeln wird. Auch wird der massive Kauf von US-Gas die europäischen Energiekosten aufgrund von Transport und Verflüssigung erhöhen. Zudem rechtfertigt der Energieverbrauch Europas ein derartiges Volumen nicht, wodurch bereits bestehende Abkommen mit Drittländern infrage gestellt werden.


    Jetzt schieben alle Ursula von der Leyen die Schuld für das enttäuschende Abkommen zu. Tatsächlich ist sie ohne konkrete Druckmittel in der Hand zur Verhandlung gereist. Auch mangelt es ihr an Kollegialität. Allerdings wollte niemand einen „Handelskrieg“ mit den USA – nur Frankreich und teilweise Spanien waren für einen härteren Kurs. Weder die deutsche noch die italienische Regierung noch andere Exportländer in die USA waren für eine Konfrontation. Dies gilt auch für die großen Unternehmen und deren Verbände.


    Zudem hatten sich die europäischen Länder im Rahmen der NATO und der OECD bereits verpflichtet, die Militärausgaben auf fünf Prozent zu erhöhen und die großen US-Unternehmen von der globalen Mindeststeuer zu befreien, wie Trump es gefordert hatte. So hatte von der Leyen den Erpressungen Trumps wenig entgegenzusetzen. Ausschlaggebend war letztlich auch die europäische Sicherheit. Daher ist es grotesk, dass ausgerechnet diejenigen, die gestern noch sehr zahm waren, sich heute über von der Leyen und die mangelnden Ergebnisse beklagen. Wenn jedes europäische Land nur auf seine eigenen Vorteile schaut und nicht imstande ist, einer Gesamtstrategie zu folgen, dürfte dies erst der Anfang sein.
     

    Alfred Ebner