Film | Dokumentarfilm

Gute Aussichten

Der aktuelle Film "Vista Mare" von Julia Gutweniger und Florian Kofler ist gerne auf Reisen. Und gewinnt gerne Preise. Am vergangenen Wochenende gleich zwei. In Florenz und in Duisburg.
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Foto: Eutopiafilm
  • „Wir sind grade Winter“, lächeln Julia Gutweniger und Florian Kofler ins Telefon. Wer ihren Film gesehen hat, weiß was sie damit meinen. SALTO erreicht das junge Filmpaar in ihrer Wohnung, wenige Stunden nachdem sie mit dem Nachtzug von einer erfolgreichen Filmtour zurückgekommen sind. Zwei wichtige Preise haben Gutweniger und Kofler mit ihrem Frischling Vista Mare einheimsen können, den Preis für den besten Dokumentarfilm beim Festival dei Popoli in Florenz, sowie den Publikumspreis auf der Duisburger Filmwoche

  • Vista Locarno: Julia Gutweniger und Florian Kofler, vor wenigen Monaten mit "Vista Mare" beim Festival in Locarno Foto: Filmfestival Locarno

    Die Arbeit an Vista Mare habe beide erkennen lassen, dass durchaus Parallelen zwischen Filmproduktion und der Arbeit der Menschen in touristischen Destinationen bestünden, und dass da irgendwie eine „Verbindung“ da wäre, diese „Arbeit in der Form von Nichtarbeit“, sagt Kofler: „Es gibt Saisonen und dann ist die Saison fertig. Das ist vergleichbar mit einem Filmprojekt, das immer extrem intensiv ist und dann wieder endet. Und so geht es im Film auch um ein Nachdenken über Arbeit.“ Koflers berufliche wie private Partnerin Julia Gutweniger fügt hinzu: „Wir erzählen was alles getan wird, von den Leuten die ihm Tourismus arbeiten, aber zeigen auch jene, die Urlaub machen.“

  • Foto: Eutopiafilm

    Ideelle Vorarbeit: 2019 arbeiteten beide audiovisuell zum Thema Rettungsschwimmer*innen, fuhren durch Italien und kamen an viele Orte und Begebenheiten. „Das war sehr beeindruckend“, erinnert sich Gutweniger, „dieses Arbeitsfeld zu beobachten, das man nicht so kennt und wo man denkt: der oder die haben es eigentlich angenehm auf ihrem Turm. Aber Rettungsschwimmer*innen müssen schnell erkennen und unterscheiden ob Kinder am Strand oder im Wasser spielen oder ob es sich um einen ernstzunehmenden Vorfall handelt.“ Diese Verdammung „anderen Menschen beim Urlauben zuzuschauen“, sei doch eigentlich „absurd“, kommentiert Kofler die Aussage von Gutweniger. 
     

    Wir haben eben auch Zweifel, und das ist ja auch wichtig. 

     

  • Bestechend sind in Vista Mare nicht nur saisonale oder außersaisonale Momente. Es geht auch um Orte, „die nur funktionieren, da es Sommertourismus gibt, wo im Winter alles vollkommen heruntergefahren wird“, wo es anstelle von Natur, "nur" Struktur gibt, wo künstliche Landschaften Leuten gehört, die sie an Urlaubende weiterreichen. Dieser Zustand habe „eine gewisse Faszination“ bestätigen die beiden. Es ist ihr Blick von außen, auf eine auch für Südtirol schwierige Thematik. 

  • Foto: Eutopiafilm

    Für den Film Vista Mare konnte das nur an einem Wochenende mehrfach prämierte Filmpaar auf die konstruktive Mitarbeit des erfolgreichen Filmpaars Tizza Covi und Rainer Frimmel zählen, die Kofler und Gutweniger bestmöglich – insbesondere „moralisch“ und „dramaturgisch“ – unterstützten. „Wir haben eben auch Zweifel, und das ist ja auch wichtig. Wir wollen immer auch wissen, was andere von unserer Arbeit halten“, erzählt Kofler. Werden kollektive Filme besser? Natürlich benötige ein kollektiver, gemeinschaftlicher Ansatz „mehr Zeit“, ein Projekt dauere „einfach länger“, sei aber immer auch „ein Prozess, eine Entwicklung“, so Gutweniger. 

  • „Das Festival in Locarno war für den Film ein Türöffner“, bestätigt eine der Produzent*innen von Vista Mare, Debora Nischler. Seit den ersten positiven Stimmen aus dem Tessiner Filmort ist der Dokumentarfilm unterwegs und reist von einem Festival zum nächsten. Nach Locarno folgten wichtige Festivals in Leipzig, Stockholm, Wien, Florenz und Duisburg. Weitere Termine stehen an. 
    Vista Mare sei, laut Aussage der beiden, die „Gleichzeitigkeit von vorher und nachher“. Ihr Film zeigt die Verzauberung von Urlaub und Arbeit in ihrer Verschränkung, und bucht seinen Urlaub hoffentlich bald auch einmal in einem der Südtiroler Kinos.

  • (c) Eutopiafilm