Wirtschaft | Energie

Glückliche Trittbrettfahrer

Der Ahrntaler Hotelier Josef Steinhauser bekommt 10,9 Millionen vom Energieriesen Alperia. Die Hintergründe einer unglaublichen Südtiroler Stromgeschichte.
money-1005476_960_720.jpg
Foto: upi
Arthur Frei kennt die Frage. „Es gibt keine Hintermänner oder verdeckte Teilhaber“, sagt er mit Nachdruck. Der Bozner Anwalt hat gerade für seinen Mandanten außergerichtlich eine der höchsten Schadenersatzzahlungen erstritten, die je in Südtirol gezahlt wurden. 10,9 Millionen Euro wird der Südtiroler Energieriese Alperia dem privaten Unternehmen „Alpine Energy GmbH“ in den nächsten zwei Jahren zahlen müssen.
Das Unternehmen mit Sitz in Frei's Bozner Kanzlei gehört dem Ahrntaler Hotelier Josef Thomas Steinhauser. Das Duo Steinhauser/Frei hat damit einen Coup gelandet, der gleich mehreren Hauptgewinnen im Lotto gleichkommt.
Der Bozner Anwalt bleibt trotz des zweistelligen Millionengewinns pragmatisch. „Land und Alperia haben unsere Argumente einfach unterschätzt und am Ende musste man einsehen, dass die Gefahr konkret wurde und alle Stromkonzessionen fliegen könnten “, beschreibt Arthur Frei den für seinen Mandaten überaus glücklichen Ausgang des Verfahrens. Business as usual, eben.
Dabei ist die Geschichte der „Alpine Energy GmbH“ und des Glückspilzes Josef Steinhauser eine Parabel für die fehlgeleitete Südtiroler Energiepolitik rund um den SEL-Skandal. Sie ist aber auch ein Musterbeispiel dafür, wie private Unternehmer und findige Anwälte die Fehler und Nachlässigkeit der Politik und der Verwaltung geschickt ausnützen, um mit geringstem Aufwand Millionen zu verdienen.
Geld, das am Ende die öffentliche Hand und damit der Steuerzahler zahlen muss.
 

Kitzbühel & Klamme

 
Wer aber ist der Mann, der wenigstens auf dem Papier 10,9 Millionen Euro bekommen soll?
Josef Thomas Steinhauser redet mit der Presse nicht. Der 67jährige Hotelier aus St. Jakob im Ahrntal hat seit zwei Jahren seinen Wohnsitz nach Kitzbühel verlegt. Seit Jahren sind im Tiroler Handelsregister zwei Unternehmen auf seinem Namen eingetragen: Die „SHS Touristik GmbH“ und die „Steinhauser Hotel GmbH“. Beide Unternehmen haben ihren Firmensitz im „Hotel Alpenhof“ in Brixen im Thale. Steinhauser führt das Viersterne-Hotel.
 
 
Steinhauser ist seit Jahren aber auch in der Südtiroler Energiewirtschaft aktiv. Der Nordtiroler Hotelier ist Geschäftsführer und Gesellschafter der „Ahr Energie GmbH“. Die Ahr Energie wurde 1993 als Unternehmen gegründet und betrieb ein kleines E-Werk in St. Peter im Ahrntal. 2001 wechselt das Unternehmen den Besitzer. Gründer Adolf Kirchler übergab das E-Werk und das Unternehmen zehn neuen Gesellschaftern. Darunter, mit einer Beteiligung von jeweils 9,09 Prozent Josef Thomas Steinhauser, der Wirtschaftsberater Karl Hellweger und der Ahrntaler Ingenieur Anton Griessmair.
Der Ahrntaler Karl Hellweger, ist ein angesehener Brunecker Wirtschaftsberater, lange Rechnungsprüfer im Südtiroler Sanitätsbetrieb und in der Gemeinde St. Lorenzen. Anton Griessmair gehört mit seinem „Studio G“ zu den rührigsten Südtiroler Kraftwerksprojektanten. Er ist sowohl für die öffentlichen Gesellschaften, wie auch für privaten Unternehmen als Kraftwerksplaner tätig.
Hellweger wird Präsident der Ahr Energie, Griessmair sein Stellvertreter. Steinhauser geschäftsführender Verwaltungsrat (Amministratore delegato).
Die Geschichte der Ahr Energie ist bekannt. Das private Unternehmen will in der sogenannten Klamme 2 ein Großkraftwerk errichten. Land und Gemeinde arbeiten dagegen. Die Ahr Energie zieht vor Gericht. Es kommt zu einem Dutzend Prozessen, die am Ende die Privatfirma gewinnt. 2009 erhält die Ahr Energie die Konzession für das Kraftwerk Klamme 2, das 2011 in Betrieb geht.
Der Anwalt, der diesen Rechtsstreit für die Ahr Energie führt und gewinnt, ist Arthur Frei. Damit ist jenes Quartett vollständig, das dann auch zu den Hauptdarstellern im jetzt gewonnen Schadenersatz-Prozess werden wird.
 

Lüsen & Neves Stausee

 
Am 3. März 2011 wird vor einem Bozner Notar die „Alpine Energy GmbH“ gegründet. Das Unternehmen mit einem Gesellschaftskapital von 10.000 Euro gehört dem Lüsner Freiberufler Ulrich Hinteregger. Hinteregger ist ebenfalls bereits im Energiesektor tätig. 2007 sucht er um eine Stromkonzession für ein Kraftwerk am Lüsenbach in der Gemeinde Lüsen an. Weil das Land die Konzession verweigert, zieht er vor Gericht. Sein Anwalt dabei Arthur Frei. Der Rekurs wird im 2011 vom Obersten Gericht für öffentliche Gewässer (TSAP) aber abgewiesen.
Wie eng das Beziehungsgeflecht Hintereggers von Anfang an zum Ahrntal-Bozner Quartett aber ist, wird an einigen Details deutlich. Die „Alpine Energy GmbH“ hat ihren Firmensitz in der Kanzlei von Arthur Frei. Anton Griessmairs „Studio G“ erarbeitet für Hintereggers Lüsner Kraftwerksprojekt den Umweltplan. Vor allem aber heiratet Ulrich Hinteregger im Juni 2011 eine Schwester von Karl Hellweger.
Man kann an Zufälle glauben oder an eine konzertierte Aktion. Tatsache ist, dass keine 12 Monate nach ihre Gründung die Alpine Energy bereits im Gerichtsstreit mit dem Land bzw. der damaligen SEL AG liegt.
Ausgangspunkt sind der Neves Stausee und die beiden Kraftwerke Lappach und Mühlen in Taufers. Denn die Alpine Energy legt im Juli 2011 ein Konzessionsansuchen und ein Projekt für ein Großkraftwerk vor, das vom Land umgehend abgewiesen wird.
 

Der Gerichtsstreit

 
Das Ansinnen der Alpine Energy scheint auf den ersten Blick absurd. Die Vergabe der Konzessionen für die Großkraftwerke – die, wie wir heute wissen, alles andere als legal verlaufen ist – ist zu diesem Zeitpunkt längst abgeschlossen. Laut Landesgesetz mussten Interessierte bereits vor dem 1. Jänner 2006 ihre Projekt vorlegen. Die Konzessionsvergabe erfolgte dann Ende 2010. Die beiden Kraftwerke Lappach und Mühlen wurden dabei der SEL-Tochter SE Hydropower zugesprochen.
 
 
Dass nach einem abgeschlossenen Wettbewerb plötzlich jemand auftaucht und ein Projekt einreicht, klingt skurril. Doch Anwalt Arthur Frei, der von Anfang an die Prozessstrategie festlegt, gelingt es die Schwachstellen der Landesgesetzgebung und die noch größeren Unzulänglichkeiten bei der Umsetzung dieser Bestimmungen durch die Landespolitik auszunutzen.
Weil erst 2012 die Konzessionen für die Kraftwerke ausgestellt werden, stellt sich der Anwalt auf den Standpunkt, dass erst damit die Vergabe abgeschlossen sei. Zudem macht das Land bei der Abweisung des Alpine Energy Projekts einige Fehler. Vor allem gehen die Privaten aber jetzt in die Vollen. Denn Frei und die Alpine Energy fechten vor dem obersten Wassergericht alle Konzessionen für Südtirols Großkraftwerke an. Anwalt Arthur Frei's Hauptargument dabei: Das Südtiroler Vergabegesetz sei nicht rechtens.
Sowohl die Politik, als auch die SEL-Führung und deren honorige Anwälte reagieren auf die Klage mit Nichtbeachtung. Laimer, Rainer & Co gehen davon aus, dass die Klage ein Rohrkrepierer ist. Zudem bricht fast gleichzeitig der SEL-Skandal aus und damit hatte man jahrelang ganz andere Sorgen.
 

Das Urteil

 
 
Anfang Juli 2016 dann der Paukenschlag. Das Oberste Gericht für öffentliche Gewässer in Rom nimmt den Rekurs der Alpine Energy an und annulliert die Konzessionen für die beiden Kraftwerke Lappach und Mühlen. Die restlichen zehn Rekurse werden zwar aus formalen Gründen abgelehnt, doch im Urteil wird klar gesagt, dass der Südtiroler Vergabemodus so nicht rechtens ist. Deshalb berufen Frei und die Alpine Energy gegen die Abweisungen vor dem Kassationsgericht.
Spätestens jetzt merken die Politik und die Alperia-Führung, dass der SuperGau droht. Der Verlust der beiden Ahrntaler Konzessionen ist ein Großbrand, der sich im Kassationsverfahren aber zum Flächenbrand ausweiten könnte.
Das bereits wackelige System der Südtiroler Konzessionsvergabe droht plötzlich wie ein Kartenhaus zusammenzufallen. Die einzige Chance dieses Risiko auszuschalten: eine außergerichtliche Einigung.
 
 
 

Die Verhandlungen

 
Als im Sommer die Vergleichsverhandlungen beginnen, sitzt aber nicht mehr der ursprüngliche Eigentümer der Alpine Energy am Verhandlungstisch. Denn Ulrich Hinteregger verkauft kurz vor Weihnachten 2013 das gesamte Unternehmen zum Nominalwert an Josef Thomas Steinhauser.
Steinhauser führt die Verhandlungen mit der Alperia-Spitze zusammen mit seinem Wirtschaftsberater. Es ist Karl Hellweger. Von der ursprünglichen Forderung von 200 Millionen Euro an Schadenersatz geht die Alpine Energy relativ schnell auf 20 Millionen Euro herunter. Vergangene Woche einigt man sich dann auf 10,9 Millionen. Am Dienstag wurde die Vereinbarung von beiden Parteien unterzeichnet. Weil eine Reihe von Verfahren beigelegt werden müssen und in die Einigung auch Streitigkeiten der Ahr Energie GmbH aufgenommen wurden, werden sich der Vergleich und die Zahlung fast zwei Jahre lang hinziehen.
Von den 10,9 Millionen dürften nach Abzug der Kosten für die Prozesse und das Projekt sowie den Steuern am Ende gut 6 Millionen Euro übrig bleiben. Dieses Geld bleibt offiziell Josef Thomas Steinhauser. Er ist auf dem Papier der einzige Gesellschafter der Alpine Energy.
Geht man davon aus, dass die gesamte Aktion von Beginn an darauf ausgelegt war, Geld zu verdienen, dann ist das Spiel aufgegangen.
Steinhauser und seine Mitstreiter haben mit dem geringsten Einsatz den maximalen Gewinn gemacht.