Gesellschaft | Kirche

Ratzingers Foul

Josef Ratzinger spricht sich für den Zölibat aus – und erntet große Kritik aus Kirchenkreisen. “Das gehört sich nicht und ist unannehmbar”, sagt auch Robert Hochgruber.
Josef Ratzinger
Foto: Pixabay

Vor den Kopf gestoßen. So fühlen sich derzeit viele Gläubige von keinem geringeren als Josef Ratzinger, der von 2005 bis zu seinem Amtsverzicht im Februar 2013 als Papst Benedikt XVI. der katholischen Kirche als Oberhaupt vorstand. In einem Buch, das am Mittwoch erscheinen soll, spricht sich Ratzinger für die Beibehaltung des Zölibats aus. Das belegen Vorab-Drucke, die Anfang der Woche in der französischen Zeitung “Le Figaro” veröffentlicht wurden. Autor des Buchs ist der konservative Kardinal Robert Sarah aus Guinea. Sarah spricht sich gegen die Lockerung des Zölibats aus, wie sie im Oktober 2019 von der “Amazonas-Synode” gefordert wurde.

In Italien, Deutschland und Österreich zeigt sich die Initiative “Noi siamo Chiesa” bzw. “Wir sind Kirche” entsetzt über die “ungeheuerlichen Äußerungen” des emeritierten Papstes Benedikt. “Wir sind Kirche” ist eine Bewegung, deren Ziel es ist, grundlegende Reformen in der katholischen Kirche herbeizuführen. Neben der Abschaffung des verpflichtenden Zölibats setzt sie sich unter anderem auch für die Gleichstellung der Laien mit dem Klerus ein. Nun wirft die Reformbewegung Josef Ratzinger vor, in einer “Kraftprobe” mit seinem Nachfolger, Papst Franziskus, “ganz entschieden und in ganz unverantwortlicher Weise” zu einer Kirchenspaltung beizutragen.

In einer Aussendung von “Wir sind Kirche Österreich” heißt es: “Mit dieser dramatischen Grenzüberschreitung torpediert der gewesene Papst nicht nur seinen eigenen Rückzug von der Kirchenleitung und seinen Nachfolger sowie die Amazonas-Synode an sich, sondern er riskiert damit in einem noch nie dagewesenen Maß auch die Einheit der Kirche. Dieser öffentliche Versuch, über die eigene Amtszeit hinaus in die Kirche hinein zu regieren, kann nur schief gehen.”

 

In die Zukunft bringen, nicht zurück

 

Auch in Südtirol ist eine kritische Stimme laut geworden. Der Theologe und inzwischen pensionierte Religionslehrer Robert Hochgruber, der sich seit Langem für mehr Mitsprache und Mitbestimmung in der Kirche einsetzt, spricht von einer “völlig ungerechtfertigten Einmischung” Ratzingers. “Jeder Mensch darf sich öffentlich äußern, auch ein emeritierter Papst. Wenn das Benedikt XVI. in dieser heiklen Phase der Kirche tut, muss er sich vorhalten lassen, dass er dem amtierenden Papst ins Handwerk pfuschen will. Das gehört sich nicht und ist unannehmbar”, sagt Hochgruber.

 

Und weiter: “Es ist zu hoffen, dass sich Papst Franziskus von den Äußerungen seines Vorgängers nicht beeindrucken lässt und die Ergebnisse der Amazonassynode im Sinne der dort mit zwei Drittel getroffenen Entscheidungen in die Tat umsetzt. Meine volle Solidarität gilt Papst Franziskus ebenso wie den Bischöfen Amazoniens. Sie haben im Sinne des Evangeliums für die Menschen in der Kirche zukunftsträchtige Wege gesucht.”

Auch “Wir sind Kirche” richtet die Bitte an Papst Franziskus, “sich von solchen Fouls nicht beirren zu lassen”. Kardinal Sarah hingegen fordert man zum umgehenden Rücktritt auf – und den gewesenen Papst Benedikt dazu, “sich aus allen Entscheidungen über die zukünftige Gestaltung der Kirche heraus zu halten, wie es einem Papst im Ruhestand entspricht, und sich nicht länger an das Gängelband erzkonservativer Kreise binden zu lassen”. “Die Kirche hat Zukunft verdient und nicht nur Vergangenheit!”, so die klaren Worte der Reformbewegung.