Politik | Klimakrise

Billionen fließen in fossile Energien

„Die Klimakrise ist ein globales Problem, kein Südtiroler,“ sagte kürzlich sinngemäß Prof. Matthias Gauly von der Univ. Bozen (Dolomiten, 3.6.23). Ist das wirklich so?
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Beispiel staatliche Energiekonzerne

Tatsächlich: während sich die Klimakrise weiter verschärft, pumpen private und staatliche Energiekonzerne, Pensionsfonds und Investmentfonds immer noch Milliarden in die fossilen Energieträger. Um die Klimaziele laut Abkommen von Paris 2015 zu erreichen, müsste die Produktion dieser Energieträger Jahr für Jahr um 6% sinken: die Förderung der Kohle müsste um 11%, jene von Öl um 4% und jene von Gas um 3% im Jahr abgebaut werden. Stattdessen planen die Energiekonzerne von 2020 bis 2030 einen Anstieg der Förderung um 2% jährlich. Dann hätte man 2030 die doppelte Menge jenes Verbrauchs, der noch mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar wäre (Production Gap Report, 2020). Die erforderliche Senkung der Förderung von fossiler Energie und die real zu beobachtende Steigerung klaffen zunehmend auseinander (Production Gap Report 2021). Keiner der großen Ölkonzerne hat sich verpflichtet, seine Öl- und Gasproduktion vor 2030 zu drosseln (Carbon Tracker Initiative, 2020), und die Investitionen dieser Unternehmen in die fossilen Brennstoffe machen nach wie vor 99,2% ihrer Gesamtinvestitionen aus, während nur 0,8% auf erneuerbare Energien und Kohlenstoffabscheidung und -speicherung entfallen (IEA, 2020).

Die Staaten selbst sitzen am Hebel. Gut die Hälfte der globalen Öl- und Gasförderung erfolgt durch staatliche Ölgesellschaften, 40% der Investitionen werden durch diese getätigt  Derzeit planen allein die nationalen Ölgesellschaften, bis 2030 400 Milliarden Dollar in Öl- und Gasprojekte zu investieren, was zu einer Überschreitung des globalen Kohlenstoffbudgets führen wird. Hier geht es um Projekte, die sich rechnerisch nur rentieren, wenn CO2-Emissionen weit über das 2°-Ziel hinaus freigesetzt werden. Entweder die Einhaltung der globalen Klimaziele oder die Amortisierung dieser Investitionen: beides gleichzeitig geht sich nicht aus. Zahlreich staatliche Energiekonzerne schaffen das finanziell nur, weil sie von den Regierungen massiv subventioniert werden. Damit unterlaufen diese Staaten systematisch die von ihnen mitunterzeichneten Pariser Klimaziele. Kein Wunder, denn es gibt auch noch keine verbindliche internationale Regulierung, die fossile Investitionen einschränkt oder verbietet.

Die Banken finanzieren Investitionen in fossile Energieträger

Nun könnte man annehmen, dass die Banken angesichts des steigenden Risikos, dass fossile Brennstoffe in Zukunft nicht mehr staatlich gefördert werden, aus vielen dieser Projekte und Investitionen aussteigen. Dem ist nicht so, denn bevor der Übergang richtig greift, lassen sich noch riesige Gewinne aus der fossilen Energie einfahren. Deshalb haben die größten Banken ihre Investitionen in diese Unternehmen weiter erhöht (Rainforest Action Network, 2021). Die Untersuchung Investing in Climate Chaos analysiert die weltweiten Investitionen von mehr als 6.500 institutionellen Investoren in Unternehmen des Öl-, Gas- und Kohlesektors. Die Gesamthöhe der von ihnen gehaltenen Aktien und Anleihen beläuft sich auf unfassbare 3,07 Billionen US-Dollar. Zwei Drittel - 2,13 Billionen US-Dollar – waren weltweit in Firmen investiert, die Öl und Gas fördern. Weitere 1,05 Billionen US-Dollar fließen in Investitionen im Bereich Kohle. Auf US-Investoren entfallen mit rund 2 Billionen Dollar (=2.000 Milliarden), also knapp zwei Drittel aller fossilen Investitionen. Europa ist weltweit die zweitgrößte Geldquelle. Die weltweit größten fossilen Investoren sind Vanguard (269 Milliarden US-Dollar) und BlackRock (263 Milliarden US-Dollar). 

Investitionen in Erneuerbare Energien noch zu gering

Je mehr Geld in die Förderung von fossilen Energieträgern fließt, desto weniger Kapital steht für die erneuerbaren Energien bereit. Je mehr Kapital in Förderungs- und Transportanlagen von Kohle, Öl und Gas gebunden wird, desto höher das Risiko, in 2-3 Jahrzehnten vor gigantischen „gestrandeten Investitionen“ zu stehen: Projekten, die sich aufgrund der geänderten Rahmenbedingungen nicht mehr rentieren. Die Aussichten auf einen grünen Aufschwung nach der Covid-Pandemie waren bereits 2022 verblasst, da nur 2,5% der Ausgaben für den Aufschwung in grüne Aktivitäten geflossen sind. Erst im Jahr 2021 erkannte die Internationale Energieagentur IEA, dass das Geschäftsmodell der fossilen Brennstoffindustrie nicht nachhaltig ist. Die IEA rechnete mit einem steilen Rückgang der Ölnachfrage bis 2030 von 90 Millionen Barrel Öl pro Tag auf 24 Millionen Barrel und einer Beschleunigung der Investitionen in erneuerbare Energien und Energieeffizienz sowie der Elektrifizierung von Verkehr, Industrie und Heizung, um Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen. Bis heute gibt die IEA jedoch keine klaren Leitlinien vor, wie die Unternehmen der fossilen Energiewirtschaft dazu gebracht werden sollen, einen solchen Rückgang zu akzeptieren (World Energy Outlook, 2022). Alle wissen es: die Klimaziele erfordern zwingend den raschen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas. Und wie u.a. Christian Breyer und seine Kollegen gezeigt haben, ist es praktisch möglich, den Energiebedarf der EU bis 2040 zu 100% mit erneuerbaren Energien zu decken. Die Staaten müssten nur konsequenter handeln, tun es aber nicht.

"Kumulative“ CO2-Emissionen

Ist es sinnvoll, den Bürgern und Bürgerinnen in Europa hohe Lasten aufzubürden, um Klimaneutralität bis 2040 oder bis 2050 zu erreichen, solange Konzerne unter Staatskontrolle noch Billionen in die fossile Energie stecken? Können die Regionen Europas die Verantwortung für die Energiewende abschieben, wenn eine Fülle von Regierungen beim Klimaschutz nicht konsequenter handeln? Um auf Prof. Gauly zurückzukommen, der vor allem die Interessen der Bergbauern und Tierhalter im Blick hat: es sieht tatsächlich so aus, als könnten wir nur marginal zur Reduktion der Treibhausgase beitragen. Doch sieht man sich die historisch kumulierten CO2-Emissionen an, stecken wir als Teil eines Industrielandes wie alle Industrieländer des Westens sehr tief in der Verantwortung. Nimmt man nämlich als Bezugszeitraum jenen von 1850 bis 2011 und berechnet die sog. „kumulativen CO2-Emissionen“, liegen die historischen Industrieländer immer noch vorne. Allein die USA und die EU-28 sind zusammen für mehr als die Hälfte der heute in der Atmosphäre deponierten Treibhausgase verantwortlich. Insofern hat Gauly wieder unrecht, denn die Industrieländer haben eine enorme Bringschuld. Außerdem: wenn man sich als emissionsintensive Region aus dem Klimaschutz ausklinkt und die CO2-Reduktion nur von den anderen einfordert, verpasst man zum einen die Chancen der Energiewende, zum anderen platzt die solidarische Verantwortung für das Weltklima.

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Profil für Benutzer Dietmar Nußbaumer
Dietmar Nußbaumer Mi., 14.06.2023 - 21:43

Das Geld sch... auf die Klimaziele. BlackRock, Ex-Arbeitgeber von Merz, verwaltet u.a. als Investmentfonds Europas Rentenkassen und die Chefetage verdient zig Millionen € im Jahr.

Mi., 14.06.2023 - 21:43 Permalink
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Josef Fulterer Sa., 24.06.2023 - 06:50

Antwort auf von Stefan S

Gegenwärtig wird auf der Welt in 1 Jahr soviel so-viel FOSSILE - ENERGIE v e r-p r a s s t, wie früher in 1.000.000 Jahren entstanden ist.
Um die KLIMA-ERWÄRMUNG auf-zu-halten, "müsste A L L E S radikal gebremst werden!"
Die gegenwärtige Landesregierung lässt zwar mit der IDM, S A U - T E U E R über das KLIMA reden, "schwimmt aber beim IMMER MEHR + ALLES NOCH SCHNELLER voraus!"
F L U G - H A F E L E - BZ: mehr Geld in der Bilanz zur Pisten-Verlängerung versteckt, wie beim Verkauf erlöst wurde, obwohl mit der LEICHT-FERTIGEN - FERIEN - FLIEGEREI - wider-sinnig + STEUER-frei, die CO2 - Belastung erhöht wird + der Gostner sich weigert den Brandschutz zu bezahlen.
B E T R Ä G E der Landesverwaltung: für die ENERGIE-SCHLEUDER-BOB-BAHN-CORTINA, STADION - Antholz, Kavernen-Garage Meran, babilonische Verkehrs-Bauten für noch mehr Verkehr.
U M A - Treibstoff: (L R Schuler) für Traktoren mit über 5 Tonnen + 100 Ps aufwärts für Betriebe mit kaum 1 Dutzend ha usw.

Sa., 24.06.2023 - 06:50 Permalink