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Sarner Connection

Am 22. Dezember rückt das Sarntal ein wenig näher an das restliche Land heran. Über zwei Tunnels, mit denen im Norden von Bozen eine legendenreiche Epoche zu Ende geht.
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Foto: Salto.bz

Es sind geschäftige Tage am Eingang zum Sarntal. Dort wo bereits ab kommenden Donnerstag rund 3500 Fahrzeuge am Tag passieren sollen, haben Handwerker, Techniker oder Sicherheitskräfte bis 22. Dezember Dauereinsatz. Am Samstag steigt noch die große Eröffnungsfeier mit Landespolitik und Lokalprominenz. In der kommenden Woche stehen dann am Montag und Dienstag Rauchtest in den beiden neuen Tunnels an. Danach muss geputzt werden, letzte Sicherheitsabnahmen gemacht und nicht zuletzt die Fassade aufgeputzt werden, bevor das neue Teilstück am 22. Dezember um 12 Uhr für den Verkehr geöffnet wird. Bislang umrahmt noch ein kahles Eisengerüst den Bogen am Südportal des neuen Rafenstein-Tunnels. Eigentlich sollte die Verkleidung aus Cortenstahl bereits dieser Tage montiert werden. Doch um die Nerven bis zum Ende zu strapazieren, gibt es dabei Probleme. Nun hofft man zumindest bis zur Inbetriebnahme des Tunnels so weit zu sein, dass sich der Eingang zum neuen Teilstück in seinem edlen Rostlook zeigt.

„Das neue Tor zum Sarntal“, nennt Maurizio Mazagg die Einfahrt in den ersten der beiden neuen Tunnels mit sichtlichem Stolz. Seit mehr als zehn Jahren ist der Direktor des Amtes für Straßenbau Mitte-Süd für das ehrgeizige Projekt verantwortlich, eine der gefährlichsten Straßen des Landes durch ein neues Teilstück zwischen Kilometer drei und 7,8 sicherer und schneller zu machen. Bereits 2004 war sein Amt startbereit; damals rechnete man damit das Unterfangen in rund vier bis fünf Jahren Bauzeit abzuschließen. Doch dann entschloss sich die damalige Regierung Durnwalder den großen Umfahrungsprojekten in Brixen, Meran, Leifers und Auer Vorfahrt zu geben.  Auf der Sarntalerstraße wurde dagegen deutlich hergebremst. Auf Eis legen konnte man den Bau der beiden Tunnel und eines kurzen offenen Straßenstücks auf Höhe des ehemaligen Steinbruchs Goldegg angesichts der großen Steinschlaggefahr auf der alten Straße und des Drucks der Sarner nicht. Doch durch die Teilung in vier Baulose schaffte man es beim Land, die gesamten Projektkosten von insgesamt 62,7 Millionen Euro so über die Jahre zu verteilen, dass das Budget der Abteilung  für alle laufenden Projekte ausreichte. Im Oktober 2007 wurde mit der Ausführung des ersten Bauloses begonnen. Bis Mitte Jänner 2017 sollen auch die letzten Details wie zwei Materialseilbahnen zur Milchanlieferung von höher gelegenen Höfen fertiggestellt sein.

„Wir freuen uns schon riesig“, fiebert auch der Sarntaler Bürgermeister Franz Locher der Eröffnung entgegen. Ein Christkindl gewissermaßen, wenn man das Datum zwei Tage vor Heiligabend hernimmt. 40 Prozent der Sarner Bevölkerung, rund 1400 Menschen, arbeiten laut Locher außerhalb des Tales. „Für sie war die Straße schon lange eine Zumutung“, sagt der Bürgermeister. Was der rasante Fahrstil vieler Einheimischer nicht immer erkennen ließ, wurde vor allem bei Fahrzeugen mit ausländischem Kennzeichen deutlich. Die von den Faschisten gebauten finsteren, engen und vielfach in den blanken Fels gehauenen ersten 15 Tunnels, die in den Dreißiger Jahren als Inbegriff des Fortschritts gegolten haben mögen, tragen nicht unwesentlich zum wild-rauen Image des Tales bei - und waren vor allem dem heutigen Verkehrsaufkommen schon lange nicht mehr gewachsen. „Wenn in so einem Tunnel zwei LKW aufeinandertreffen, gibt es kein Vor und kein Zurück mehr“, sagt Locher. Dazu kam noch die extreme Steinschlaggefahr, die man vor allem in diesem engsten ersten Stück der wildromantischen Sarner Schlucht trotz massivem Aufwand nie ganz ausschließen konnte.

Aus 21 Tunnels werden acht

All das soll in Kürze der Vergangenheit angehören. Denn die 15 engen Tunnels samt dazwischenliegender ausgesetzter Straßenstücke werden ab Ende kommender Woche durch zwei hochmoderne helle Tunnels mit je zwei Fahrspuren von 3,50 Metern Breite ersetzt, die westlich der bisherigen Straße mitten durch den Berg gehen. 1515 Meter lang ist der Tunnel „Rafenstein“. Fast 2000 Meter lang der nach einem kurzen offenen Straßenstück folgende Tunnel „Goldegg“.  Der mündet dann unter dem Johanniskofel nach Tunnel Nummer 15 wieder auf die bisherige Staatsstraße, wo gleich im Anschluss zwei Autobushaltestellen und ein neuer Gehsteig errichtet wurden. Ab dem 16. Tunnel bewegt man sich dann auch auf der bisherigen Straße auf weit sichererem Terrain, das bereits in den vergangenen Jahrzehnten ausgebaut und erneuert wurde – allen voran auf der Strecke zwischen Halbweg und der Abzweigung nach Wangen, wo vom Land erst vor zehn Jahren Hand angelegt wurde.

Musste man bislang 21 Tunnels durchqueren, um in das Tal zu gelangen, sind es künftig also nur mehr acht. Mit einer weit bequemeren Strecke und verkürzten Fahrzeit rückt das Sarntal zumindest symbolisch ein Stück näher an die Landeshauptstadt heran. Vor allem aber ist die Anbindung des Tals in Richtung Süden erstmals in der Geschichte weitgehend vor den Naturgefahren geschützt, die die Straße seit ihrer ersten Verschüttung im Jahr 1721 immer wieder aufs Neue zerstört hatten, wie ein im Frühjahr vom Sarner Geschichtsverein herausgegebenes Buch zur Geschichte der Straße anschaulich erzählt.

Sicherheit wird auch mit insgesamt acht Fluchtstollen groß geschrieben, die mit einer Ausnahme aus den beiden neuen Tunneln auf die alte Straße führen. Die zwischen 120 und 400 Meter langen Fluchtwege können auch von Rettungsfahrzeugen befahren werden; zwischen ihnen und den beiden Tunneln wurden jeweils Luftdruckkammern eingerichtet, um den Rauch bei etwaiger Rauchentwicklung nicht in die Stollen eindringen zu lassen. Dazu kommen rechts und links alternierende Ausweichstellen und Notsäulen – kurzum, Tunnelbau im Südtirol des 21. Jahrhunderts. Und somit alles, wovon man auf der bisherigen Strecke nicht einmal träumen konnte.

Dass im Tunnel Rafenstein letztlich drei statt der ursprünglich geplanten zwei Sicherheitsstollen und im Tunnel Goldegg gar fünf statt drei errichtet wurden, verdanken die Sarner letztendlich dem Bozner Porphyr, in den die Tunnel gesprengt wurden. „Hart wie ein Sarner Schädl“, wird das Gestein im Tal scherzhaft genannt. „Wir haben kaum jemals mit einem so harten und kompaktem Material gearbeitet“, sagt auch Projektverantwortlicher Maurizio Mazagg. Wie sich bereits beim 3,50 breiten Probestollen zeigte, der am Anfang der Arbeiten an der Stelle des heutigen Rafenstein-Tunnels ausgefräst wurde, erleichterte und verbilligte dies die Arbeiten. Denn muss ein Tunnel bei brüchigerem Gestein normalerweise nach der Sprengung mit Stahlprofilen und Nägeln gesichert werden, reichte es bei den neuen Tunneln ein wenig Spritzbeton aufzutragen, bevor die definitive Verkleidung folgte. „Da wir uns damit viel Geld erspart haben, wurde damals beschlossen, die Zahl an Fluchtwegen zu erhöhen“, erzählt der Ingenieur.

Gut zweieinhalb Jahre mit durchschnittlich zwei bis drei Sprengungen pro Arbeitstag dauert es, bis schließlich beide Tunnels samt Fluchtwegen fertiggestellt waren. Bei den Sprengungen musste auch das darunter liegende Schloss Runkelstein genauestens überwacht werden, das schon einmal beim Ausbau der Straße zu Schaden kam. Doch während im 19. Jahrhundert durch die Unterhöhlung eines Felsens unterhalb des Schlosses ein Teil der Nordmauer samt wertvoller Fresken verloren ging, gab es diesmal nur einen einzigen und minimalen Schaden, sagt Mazagg. Was künftig mit der alten Straßen passiert, steht noch in den Sternen. Das erstes Stück wird weiter als Zufahrt zur Sill genutzt werden; sonst ist aber bisher nur die Funktion als Notspur und Zufahrt zu den Sicherheitsstollen vorgesehen. „Alles weitere muss dann die Gemeinde entscheiden“, erklärt Maurizio Mazagg. 

Neue Attraktivität fürs Tal?

Welche Auswirkungen die bessere Erreichbarkeit des Tals auf die lokale Bevölkerungsstruktur und Wirtschaft hat, wird nun spannend. Das Skigebiet Reinswald wirbt im Radio jedenfalls bereits mit seiner besseren Erreichbarkeit. Was die Attraktivität des Sarntals als Wohnort betrifft, erwartet Bürgermeister Franz Locher zumindest kurzfristig keine großen Veränderungen,. „Wir haben schon bisher einen ziemlich großen Zuzug nach Sarnthein, während einzelne Fraktionen eher unter Abwanderung leiden“, meint er.

Nachdem bei den Grundstückspreisen keine markanten Unterschiede zu Bozen bestehen würden, geht der Bürgermeister vorerst einmal von keinem großen Ansturm aus der Landeshauptstadt aus. Einerseits,  weil das Sarntal mit seinem Nord-Süd-Wind ein relativ raues Klima haben. Andererseits werde in Bozen immer noch so viel gebaut, dass sich die Nachfrage in Grenzen halte. „Wenn dort das Angebot aber einmal zurückgehen sollte, wird die Zuwanderung ins Sarntal mit Sicherheit zunehmen“, glaubt der Bürgermeister, der bereits seine dritte Legislatur absolviert. Somit hat auch er das neue Teilstück der Straße fast von Beginn an mitverfolgt. „Gerade wegen der Teilung in vier Baulose musste man schon immer wieder ein bissl Druck machen, damit das Ganze nicht stehen blieb“, erinnert sich Locher. „Aber es war uns einfach ein Herzensanliegen, auf das wir lange hingearbeitet haben.“ Am Donnerstag in einer Woche wird es sich nun endlich erfüllen.