Gesellschaft | Protest

Marthas grober Schnitzer

Antonio Frena versteht die Welt nicht mehr. Sanitätsangestellte sollen auf einen Teil ihrer Gelder verzichten. Um junge Ärzte im Land zu halten. "Moralische Erpressung."

Die Alten sollen auf einen Teil ihrer Gehälter verzichten, um die Jungen im Land zu halten. Diesen Vorschlag machte Gesundheitslandesrätin Martha Stocker am vergangenen Wochenende. Konkret geht es um 8 Millionen Euro. Diese müssen den Angestellten des Südtiroler Sanitätsbetriebs nachträglich als Inflationsausgleich ausbezahlt werden. Die Rückzahlung hat die Ärzte-Gewerkschaft Anaao erwirkt. Nun soll ein Teil der 8 Millionen Euro jedoch verwendet werden, um finanzielle Anreize für junge Ärzte zu schaffen. “Unsere Gehälter sind nicht mehr so verlockend wie sie es einmal waren”, gesteht Stocker ein. Wer im Ausland studiere, bleibe immer öfter dort. In Österreich, Deutschland und der Schweiz seien die Gehälter der Mediziner um einiges höher als hierzulande. Daher die Idee der Landesrätin: Um die Jungen zu unterstützen sollen die “Alten” von einem Teil ihrer Rückzahlungen absehen – eine Art Generationenpakt also. Keineswegs erfreut darüber zeigt sich einer, der schon des öfteren gezeigt hat, dass er von dem vom Sanitätsbetrieb auferlegten Redeverbot nichts hält.


Verblüffung über einen groben Schnitzer

Unter dem Titel “Il Ricatto morale” (“Die moralische Erpressung”) veröffentlicht Antonio Frena am Donnerstag Abend auf seinem Blog einen kurzen, aber eindringlichen Text. Einen groben Schnitzer (“grosso scivolone”) habe sich Stocker in diesem Fall geleistet, so das Urteil des Chirurgs am Bozner Krankenhaus. Er erklärt warum: “Der Vorschlag ist unzulässig, und zwar aus mehreren Motiven. In erster Linie verletzt er ein Recht: Alle Provinzangestellten haben das, was ihnen zusteht, bekommen. Alle, außer die Sanitätsbediensteten. Zweitens bestätigt Stocker dadurch, dass die Provinz nicht imstande zu sein scheint, ihre Angestellten finanziell zu honorieren. Am dramatischsten ist jedoch Punkt drei: Die Jungen werden verleitet, ins Ausland zu gehen, weil sie dort angestellt werden. Und Länder wie die Schweiz zahlen ihnen bis zu drei Mal das Gehalt, das sie in Italien erhalten würden – gerade, um die jungen Mediziner anzulocken.”

Grosso scivolone per un’assessore su cui finora i giudizi non possono che dirsi positivi. (Antonio Frena)


Welche Zukunft kann Südtirol jungen Ärzten bieten?

Hart, die Worte Frenas. Doch ist er nicht der einzige, der Stockers Vorschlag wenig abgewinnen kann. Auch Paolo Bernardi, Vize-Sekretär der Anaao meint im Gespräch mit dem Alto Adige: “Hier geht es um eine Prinzipfrage, die Gelder stehen denen zu, die sie nicht bekommen haben.” Doch müssten laut Bernardi sehr wohl Maßnahmen getroffen werden, um junge Ärzte im Land zu behalten oder anzulocken. “Dabei geht es aber nicht nur um ökonomische Anreize, sondern das Problem ist ein anderes: Als junger Mediziner will man lernen, Erfahrung sammeln und beruflich wachsen.” All dies sei hierzulande jedoch schwer. Schwer, weil auch wenig Gelder in Forschung und wissenschaftlichen Fortschritt investiert würden, ist sich Antonio Frena sicher. “Die Jungen werden auch in Zukunft von Ländern und Orten angezogen werden, wo ernsthaft Wissenschaft betrieben wird. Und die ihnen auch ermöglichen, zu überleben und eine Familie zu erhalten.” Sein Fazit: “Altro che patto generazionale…”

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