Bühne | Freilichttheater

Sturm und proletarischer Einkauf

Rochaden und Neuerungen gibt’s heuer im Südtiroler Freiluftbetrieb. Erwartetes und unerwartet Präsentiertes mit Stücken von Mitterer, Fo und Shakespeare im Sommer.
FSU, Rittner Sommerspiele und Freilichtspiele Lana 2025
Foto: SALTO
  • Nicht alles, was auf die Freiluftbühne kommt, kann und muss gefallen. Ein wenig ist das Plakat der Freilichtspiele Lana heute im Filmclub der Elefant im Raum, den es anzusprechen gilt. Klarerweise auch gutes Marketing, da man über sich reden lässt, nur vielleicht ist es kein guter Geschmack: Auf dem von der dänisch-norwegischen Künstlerin Nina Maria Kleivan gestellten Motiv ist in zweifacher Ausführung ihr eigenes Baby zu sehen, einmal im Hitlerkostüm und einmal als Mussolini, beide Male mit Blume in der Hand. Miniaturen von Panzern aus der Vogelperspektive wuseln um die kleinen „Führungspersönlickeiten“ über eine alte Landkarte, auf der noch „Deutsches Reich“ zu lesen ist. Verdeutlichen solle das, wie Hitler und Mussolini Europa als Sandkasten bespielt haben, heißt es dazu seitens des Vizepräsidenten Bertrand Huber.

  • Verkaufte Heimat: Das Motiv der Freilichtspiele Lana hat eine dänisch-norwegische Künstlerin gestaltet. Es wird von sich reden machen. Foto: Freilichtspiele Lana / Nina Maria Kleivan
  • Das Stück dazu? Felix Mitterers „Verkaufte Heimat“ unter der Regie des weiterhin ortstreuen Thomas Hochkofler. Man will insbesondere junges Publikum über das Thema Option informieren und einen Beitrag zu mehr Miteinander statt Nebeneinander, nicht nur zwischen den Sprachgruppen im Land, leisten. Man habe verlernt sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen und könne nur für das eine oder andere sein, so Hochkofler. Lustvoll fand diese Aussicht des Miteinanders nicht nur deutschsprachige Laien- und Berufsschauspiel-Kolleginnen und Kollegen, sondern auch Hochkoflers „Joe“-Schauspielkollege und Kamera-Mafioso Massimo Cattaruzza (genauer: Zio Terenzio), der selbstironisch in die Rolle des Bühnen-Podestá schlüpfen wird. „Che se ne parli dell’option e che ci si discuti anche, questo serve a tutti noi“, meint Cattaruzza und fügt hinzu: „Anche se farò il cattivo podestà e costringerò tutti a parlare italiano.“
    Altes neu macht auch wieder die junge, für die Kostüme zuständige Mirjam Hellrigl, die mit ihren nachhaltig aus Secondhand-Kleidung geschneiderten Kostümen für „Shakespeare in Love“ einen Silberpreis von der (Bozner) Europäischen Textilakademie erhalten hat. Derzeit sei sie im ganzen Land auf der Suche nach Kleidung auch aus der Optionszeit. Es gehe ihr um Authentizität und um Kleider mit Spuren eines gelebten Lebens, so Hellrigl.
    Neu ist heuer weiters, dass nun auch der Kreuzgang des Kapuzinergartens in die Freilichtspiele Lana miteingebunden werden darf. Am 27. Juni, eine Woche vor der Premiere der „Verkauften Heimat“ am 4. Juli, lädt man ebendort auch zu einem Themenabend zur Option, welchen man am Beispiel Lana aufgliedern will.

  • Vom Verkauf zum Einkauf

    Bezahlung: Mit Dario Fo will man einen italienischen Literaturnobelpreisträger ins Sommerspielformat am Ritten übersetzen. Foto: SALTO

    Zeichen einer weiteren Form des Miteinanders, jener zwischen Theaterbetrieben, ist das heurige Rittner Sommerspiel: Präsident Andreas Baumgartner hebt den Vorproduktionsvorhang ein Stück weit und lässt durchblicken, dass es vor vier Monaten mit mehreren Austritten aus dem Sommerspiel-Vorstand so ausgesehen hätte, „als ob dieser Tisch hier heute leer wäre“. Die Regisseurin Elke Hartmann vom 2006 gegründeten, kreativ-aufmüpfigen Innsbrucker „Off“-Theater praesent hat Intendant Rudolf Frey von den Vereinigten Bühnen Bozen vermittelt. Theater darf im praesent, wie der Name vermuten ließe, gerne auch politisch und sozialkritisch sein. Da passt die „politische Farce“ nach Dario Fos „Non si paga, non si paga!“ über Inflation, bürgerlichen Aufstand und eine Prise Anarchie bestens ins Theaterrepertoire und die Zeit. „Bezahlt wird nicht! – Wenn Kaufen Luxus ist, ist Klauen Pflicht!“, so der etwas unhandliche deutsche Titel, der im zweiten Teil darauf hinweist, dass wenn die Dinge immer teurer werden, den Menschen irgendwann fast nichts anderes übrig bleibt, als „proletarisch einzukaufen“.
    Wem der Weg zum Hineinschnuppern in Elke Hartmanns Arbeit nach Innsbruck zu weit ist, der kann sich – vor dem Premierendatum am 18. Juli in der Kommende Lengmoos – auch den 24. und 25. Mai anstreichen. Als Teil eines Sybille Berg Schwerpunkts mit zwei Produktionen (die zweite ist „Es kann doch nur noch besser werden“ der Praxenknecht EO) wird das Theater praesent unter der Regie von Elke Hartmann Bergs „Viel Gut Essen“ geben. Vielleicht für den einen oder die andere ein Gusto-Stück oder auch nur ein Appetizer auf den Sommer. Die Probearbeit an „Bezahlt wird nicht!“ steht jedenfalls noch an, man darf gespannt sein.

  • Frischer Wind?

    Sturm: Ein gelassener Roland Selva saß heute zur Rechten eines motivierten, aufmerksamen Torsten Schilling. Für das gemalte Plakat konnte der junge Künstler Lorenz Wenter gewonnen werden. Foto: SALTO

    Die Trinität der traditionsreichen Sommerspiele schließt wie gewohnt bei den Freilichtspielen Südtiroler Unterland, wo hinter dem Posten Regie nach mehr als zwanzig Jahren nicht der Name Roland Selvas zu finden ist. Die Regie übernimmt Torsten Schilling, der in den letzten Jahren bei den in die Gruppenrunde nicht aufgenommenen Schlossfestspielen Dorf Tirol Regie führte, wo man heuer „Lysistrata in Rock“ geben wird.
    Torsten Schilling nimmt sich bei obligater Ortstreue zum Spielort Klösterle, an welchen zurückgekehrt werden kann, ein Novum fürs Unterland vor: William Shakespeares „Der Sturm“ soll in Neumarkt für frischen Wind sorgen. Premierendatum ist der 5. August. Schilling, der sich erfreut zeigte, „im Hafen FSU anzulegen“ und auch die Stückfassung ausarbeitet, betonte dabei „die Wichtigkeit für und mit den Leuten im Ort zu arbeiten“. Besonders durch den Spielort an einer Sprachgrenze gelte es, so Schilling, ein besonderes Augenmerk auf den Umgang mit Sprache zu legen. Die im Unterland fast schon obligatorische Dialektfigur scheint damit trotz altehrwürdigem Stück von vor 400 Jahren nicht vom Tisch.
    Geplante Freiheiten in der Stückfassung kündigt Torsten Schilling indes auch bei den Rollen der neu weiblich besetzten Prospera sowie deren Schwester Antonia an. Auch die Figur des Luftgeistes Ariel, die man mal männlich, mal weiblich besetzt sieht, wird mit einer Frau besetzt. Protestchor-Leiterin und Sängerin Marion Leichter übernimmt dazu noch die Bühnenmusik. Einen Schritt ein Stück weit zurück hat dagegen Roland Selva gemacht, der heuer in eigenen Worten „noch mal“ künstlerischer Leiter ist. Die „alten Knacker“ müssten für jüngere Theaterfreunde Platz machen, sonst ändere sich nie etwas, so Selva. Auch zeigte sich Roland Selva zu Torsten Schillings Stückwahl erfreut: „Über Shakespeare hab ich mich nie drüber getraut.“ So darf man nun auf frischen Wind, hoffentlich aber keinen Regen oder kein Gewitter für den Freilichtreigen in Südtirol hoffen.