Wirtschaft | Neues Gesetz

Hilft Bargeldgrenze gegen Steuerflucht?

Seit 1. Juli sind Bargeldbezahlungen nur mehr bis 2.000 € erlaubt. Die Handelskammer hält diese Maßnahme gegen Steuerflucht für wenig sinnvoll, Gewerkschaften sind dafür.
Bargeld
Foto: Pixabay

Der Aufschrei der Wirtschaft war groß. Am 1. Juli ist die neue Höchstgrenze von 2.000 Euro für Bargeldzahlungen in Kraft getreten, ab 2022 sollen Barzahlungen nur mehr bis 1.000 Euro möglich sein. Auch Ausgabesteuern können seit 2020 nur mehr bei nachverfolgbaren Zahlungen abgesetzt werden. Diese Maßnahme ist Teil des Plans der Regierung Conte, durch die Digitalisierung von Bezahlungen der Steuerhinterziehung den Gar auszumachen. Doch nicht alle sind von der Effizienz dieses Gesetzes überzeugt. Die Südtiroler Handelskammer spricht sich entschieden gegen die Herabsetzung der Schwelle für Bargeldzahlungen aus. Diese Maßnahme stelle nur einen bürokratischen Mehraufwand für Unternehmen dar: „In Krisenzeiten sollte die wirtschaftliche Tätigkeit nicht weiter eingeschränkt werden; vielmehr gilt es, die Unternehmen in jeder Hinsicht zu unterstützen“, betont Handelskammerpräsident Michl Ebner. 

Ganz anders sieht es Christian Troger, Generalsekretär der Südtiroler Gewerkschaftskammer UIL-SGK: „Italien hat ein historisches Problem: Jedes Jahr entgehen dem Staat geschätzt mehr als 100 Milliarden Euro an Steuergeldern. Dieser Anteil an Schattenwirtschaft muss abgebaut werden.“ Laut Troger gewährleiste eine digitalisierte Bezahlung die Nachverfolgbarkeit von Geldbewegungen. Entscheidend dafür seien aber auch finanzielle Anreize. Das zeige das Beispiel der Regierung Prodi, welche in den 90er Jahren eine steuerliche Abschreibung auf energetische Sanierungen einführte und dadurch einen großen Teil inoffizieller Wirtschaft abbauen und Steuereinnahmen generieren konnte. An dieser Prämierung sei der Staat diesmal leider gescheitert, bemängelt Troger. Das ursprüngliche Gesetzesdekret sah vor, einen Teil der durch die digitale Transaktion anfallenden Spesen mit einem solchen Steuerbonus zu kompensieren. Im endgültigen Gesetz war dieser Anreiz nicht mehr enthalten. „Das zeigt wieder einmal, wie stark die Lobby in Italien ist“, so Troger.

Diese Maßnahme stellt nur einen bürokratischen Mehraufwand für Unternehmen dar

Die Handelskammer betont, dass die Regelung insbesondere für Kleinstunternehmer unverhältnismäßig große Spesen mit sich ziehe, wie Bankkommissionen und Miete für das POS-Gerät, sodass sich bei Kleinstumsätzen und Warengruppen mit geringem Aufschlag ein reines Verlustgeschäft anbahne. Der Generalsekretär hält dagegen. Natürlich könne man über die genaue Grenze diskutieren, und es sei klar, dass sich die ganzen Verwaltungsspesen, die bei digitalen Transaktionen anfallen, für einen Kaffee etwa nicht auszahlen würden. Es hänge am Ende aber von der Gestaltung der Zusatzkosten ab. Die Spesen sollten also nicht auf Operationsbasis, sondern im Verhältnis zum Volumen des Tauschs berechnet werden. „Aber bei 2.000 Euro macht eine Obergrenze sicher Sinn,“ betont Troger. Als wichtigen Wirtschaftszweig, bei dem durch die Obergrenze eine bessere Nachverfolgbarkeit gewährleistet sei, nennt Troger den Tourismus.

 

 

Wie Geldbewegungen transparenter gestaltet werden können, ist im Stiefelstaat bereits seit Jahren Thema vieler Debatten. Die Regierung Monti hatte im Jahr 2001 die Grenze für Bargeldzahlungen auf unter 1.000 eingeschränkt, höhere Summen mussten über die Bank oder mit Schecks überwiesen werden. Heftige Protestrufe aus der Wirtschaft brachten den Ex-Premier Matteo Renzi 2016 dazu, die Obergrenze für Bargeld wieder auf 3.000 Euro anzuheben. 86 Prozent der Bezahlungen werden in Italien weiterhin in Bar abgewickelt.

Digitalisierte Bezahlung gewährleistet die Nachverfolgbarkeit von Geldbewegungen

Ein kleines „Zuckerle“ soll es diesmal für jene BürgerInnen, die bestimmte Summen digital bezahlen, dennoch geben. Verbraucher erhalten einen Kassenbon-codex, mit dem sie an einer Lotterie teilnehmen und Preise zwischen 10.000 bis 50.000 Euro gewinnen können. Digital Bezahlende haben dabei höhere Gewinnchancen. Laut Troger sei das Signal dieser Kassenbon-Lotterie aber nicht eindeutig genug. Es brauche eine richtige Prämie, nur so könne die Schattenwirtschaft abgebaut werden und mit den Einnahmen der Sozialstaat finanzierbar gemacht. Das sei für die kommenden Jahre umso wichtiger, in denen aufgrund der Wirtschaftskrise Staatshaushalte tendenziell eher schmaler ausfallen werden: „Man hätte bereits in der Krise 2008 reagieren sollen“, sagt Troger.

 

Die Handelskammer betont zwar, sie setze sich ebenso für die Bekämpfung der Steuerhinterziehung ein, es brauche jedoch zielorientierte Maßnahmen. Die Regelung der Regierung Conte bringe nämlich insbesondere für Südtirol als Grenzgebiet, und dadurch mehr auf den Export mit Nachbarländern angewiesen, Wettbewerbsnachteile. Generalsekretär Troger hält die Befürchtungen für übertrieben, denn die Veränderungen beträfen den Exportbereich weniger. „Es ist kurios, wenn die Handelskammer das sagt,“ bemerkt Troger, „denn sie müssten wissen, dass der Anteil der Schattenwirtschaft besonders hoch in Italien ist.“ Wie hoch der Anteil ist, zeigt die Studie von Friedrich Schneider des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW), die den Anteil der Schattenwirtschaft am BIP aller OECD Länder bemisst: Italien steht dort auf Platz zwei jener Länder mit dem größten Anteil entgangener Steuergelder.

 

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Profil für Benutzer Elisabeth Garber
Elisabeth Garber Sa., 18.07.2020 - 18:37

Keine Erbaulichkeiten @Georg Lechner - gibt es eigentlich auch positive Dinge bzw. Entwicklungen, die man über die EU sagen könnte? Oder geht alles schon längst den Bach runter und die EU wird zwischen USA, China, Russland und Migrationsströmen komplett in Nationalstaaten zerbröselt werden? Eigentlich will ich es gar nicht so genau wissen - "Das Schachbrett des Teufels" (von Dir/Ihnen immer wieder zitiert...) lese ich nur deshalb nicht, weil es mein Magen nicht packen würde vor lauter düster grübeln... - hab die Rezensionen gelesen.
Schade, dass M. Vestager gescheitert ist - nicht mal mitgekriegt.

Sa., 18.07.2020 - 18:37 Permalink