Kultur | Krimi

Der Tote am Gletscher

Am 17. August erscheint der Debütroman des jungen Südtiroler Autors Lenz Koppelstätter. Er lässt Commissario Johann Grauner im tief verschneiten Schnalstal ermitteln.

Der Tote am Gletscher. Ein Fall für Commissario Grauner
von Lenz Koppelstätter
 

Nachts auf dem Gletscher, da gehört der Mensch nicht hin. Da sind nur die Geister der Toten und der Sturm und der Schnee. Trotzdem entdeckt Skipisten-Toni im Dezember hoch oben ein seltsames Licht – und wenig später die Leiche eines Einsiedlers. Mit einer Pfeilspitze in der Schulter. Fast am selben Ort, an dem viele Jahre zuvor Ötzi, die weltberühmte Steinzeitmumie, gefunden wurde, die mittlerweile im Bozener Museum liegt. Ebenfalls von einer Pfeilspitze durchbohrt. Commissario Grauner, der an manchen Tagen lieber nur »Viechbauer« wäre, macht sich im tief verschneiten Schnalstal an die Ermittlungen. Unterstützt wird er von Saltapepe, seinem jungen Ispettore aus Neapel, der noch immer nicht versteht, was die Einheimischen an den Bergen finden. Zwischen Dorfintrigen, wortkargen Bewohnern, glühweinseligen Touristen, den kriminellen Machenschaften eines Skiliftunternehmers und kuriosen Ötzi-Spuren entwickelt sich ein hochspannender Fall, der weit in die Vergangenheit führt und die Ermittler vor immer neue Rätsel stellt.


Die Handlung dieses Romans ist frei erfunden.
      Auch alle Personen. Alle – außer Ötzi.
                   Den gibt es wirklich.

 

Leseprobe: [...] Der Tote lag rücklings im Schnee. Er trug eine abgewetzte Skijacke, eine geflickte Cordhose und alte Tourenskischuhe. Die Haut war glitschig und von einer dünnen Eisschicht überzogen. Aus seinem Hals ragte der abgebrochene Schaft eines Pfeils. Die Spitze war nicht zu sehen, sie steckte im Fleisch.
Grauner ging langsam um die Leiche herum und betrachtete sie von allen Seiten. So grausam es auch war, einen Toten vor sich liegen zu haben: Er mochte diese Momente, wenn ein Fall seinen Anfang nahm. Mitten in den Ermittlungen befiel ihn manchmal Panik. Da spürte er die Angst davor, sich aus dem Labyrinth der Verworrenheiten nicht befreien zu können. Es war die Urangst eines jeden Commissarios, vor lauter Spuren und Möglichkeiten die richtige Tür nicht zu erkennen, hinter der sich die Lösung verbarg.
Aber nicht am Anfang, wenn da nur diese Leiche lag. Jetzt, wo er noch nichts wusste von diesem Menschen, war der Commissario ganz ruhig; auch die Rückenschmerzen, die während eines Falles bis ins Unerträgliche zunahmen, waren noch nicht da.
Er musterte den Toten. Die von Eis überzogene Haut schien zart, die Falten wie geglättet, die Bartstoppeln fein, die Haare ruhten sanft auf der Stirn. Die burgunderblauen Lippen des Toten waren dünn, fast schien es, als würde er lächeln.
So komisch es auch klang, aber das Wort Unschuld war es, das Grauner in solchen Momenten in den Sinn kam. Unschuldig lag so ein Toter da, unschuldig wie ein neugeborenes Kind. Und erst durch die Ermittlungen, durch das Umgraben der Beziehungsgeflechte, durch die dunklen Seiten all der Menschen, die nach und nach in den Fällen auftauchten, verschwand die Unschuld – vom Grauen verdrängt.
Wieder und wieder wanderte Grauners Blick über den Toten und das Eis und den Schnee um in herum – die Leiche wirkte wie ein Fremdkörper in der idyllischen Kulisse. Der Himmel war wolkenlos. Die Sonne strahlte, und das Eis des schier endlos scheinenden Gipfelreigens glitzerte. Die Luft war kalt und rein, und jeder Atemzug weckte die Lebensgeister – bis auf die des toten Mannes, der mit einer Pfeilspitze im Hals im Schnee lag. [...]

Eine ausführliche Leseprobe gibt es hier.

Der Tote am Gletscher. Ein Fall für Commissario Grauner von Lenz Koppelstätter, erscheint am 17. August 2015 im KiWi-Taschenbuch-Verlag. ISBN: 9783462047288. Seitenanzahl: 320. Preis: Euro 9,99 (D), Euro 10,30 (Ö)

Der Autor: Lenz Koppelstätter, Jahrgang 1982, ist in Bozen geboren und in Südtirol aufgewachsen. Nach dem Studium der Politik in Bologna und der Sozialwissenschaften in Berlin absolvierte er in München die Deutsche Journalistenschule. Als freier Autor hat er u.a. für den Tagesspiegel und Zeit online gearbeitet, als Textchef für zitty – außerdem als Kolumnist und Medienentwickler für verschiedene Verlage, Magazine und Zeitungen. »Der Tote am Gletscher« ist sein erster Roman.


Foto: kiwi-verlag.de / Gene Glover