Selma Mahlknecht verlegt die Finanzspekulationen ins Märchenreich.
Der Mix von Märchenkulisse und alltäglicher Begriffs- und Problemwelt bewirkt, dass die Zuschauer/innen ganz unterschiedliche Reize aufnehmen und verarbeiten müssen. Die Bruchstellen der Komödie und des Märchens dienen dabei als bewusst gesetzte Aufmerksamkeitspole und Bausteine für die individuelle Zusammensetzung und Sinninterpretation der gezeigten Geschichte. Im Stück selbst stehen die Frauen im Vordergrund. Ihnen ist die Entwicklung des Handlungsstrangs zugewiesen. Prinzessin Protzwitha die Prunkvolle, ist eine untypische Prinzessin: Stets dunkel gekleidet übernimmt sie zugleich die Rolle der Erzählerin, die ihr andere immer wieder streitig machen, um ihre eigene Geschichte in den Mittelpunkt zu rücken. Sie ist anstatt mit der Society mit leeren Schatztruhen und aufmüpfigen Gezwergschaftern befasst und muss schauen, wie sie das vor dem Bankrott stehende Königreich ihres verstorbenen verschwenderischen Vaters rettet. Schwungvoll und beredt fördert Andreas Bertoldi als gute Fee Kreditchen bei ihr die Hoffnung, dass das aufwändige Hofleben ewig fortgesetzt werden könne. Nur die Zuschauer/innen haben den vagen Verdacht, dass sich das vorgeschlagene Kreditabkommen als Fake erweisen könnte und die Kronprinzessin möglicherweise einem Spekulanten aufsitzt, der im Falle des Scheiterns der Sanierung selbst die Übernahme des Königreichs beabsichtigt. In der Tat erweisen sich die Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen – wir kennen dass schon – als unzureichend, um den Lebensstandard bei Hofe zu erhalten und die Fertigstellung des nach nirgendwo führenden halbfertigen Tunnels zu finanzieren. Deshalb braucht es eine märchenhafte Lösung, die Selma Mahlknecht die Ideenreiche auch flugs zur Hand hat.
Magdalena Platter kann den Glanz des Prinzessinseins nicht auskosten, da sie mehr als Verwalterin in Erscheinung tritt und ihre Figur als Aufhänger konstruiert ist, um die Geschichten der anderen zu erzählen. Doch auch die anderen Hofdamen kommen eher verquer daher. Entgegen der märchenüblichen Rolle von Stiefmüttern erweist sich Nährtrude die Rührige als völlig harmlos: sie ist auf den Schönheitskult fixiert und allzu stereotypisiert als affektiert trippelnde Kuchenbackerin. Patrycja Pierchala gibt ihr als Strahlefrau trotzdem eine starke Präsenz. Ähnliche Züge weist ihre Tochter Faulrun die Saumselige auf. Dass die jungen Leute was vom Chillen verstehen, zeigt in dieser Rolle Martina Gögele, die auch den zwischendurch aufblitzenden Frust der nachgereihten Thronprätendentin überzeugend auf die Bühne bringt. Sie ist ganz auf den charmanten Hofstylisten fixiert, den Florin Pöder verkörpert. Wobei das schon zu viel gesagt ist, da seine Performance als Charmeur in ein Bildschirmformat hineingezwängt wird, um die Künstlichkeit der Modewelt zu betonen.
Elisabeth von Leon als Kammerdienerin Schindegard die Unwirsche betont mit ungelenken Bewegungen sehr plastisch deren hölzerne Art und erlaubt sich gegenüber der Damschaft Töne, die außerhalb des Märchens mit einem sofortigen Rauswurf quittiert würden. Demgegenüber bleibt Hartmann Raffeiner selbst mit Spitzhacke ein berechenbarer Gezwergschafter. Ruth Kofler als Finanzmieze miaut zunächst zutraulich, entwickelt dann Sparprogramme und macht deutlich, dass es bei einer Kreditberatung nicht nur auf gutes Rechnen ankommt. Biobäuerin Suurliesl hat es zur Hoflieferantin gebracht und könnte als Signal für die agrarpolitische Wende in Südtirol interpretiert werden, wenn sie mit ihrem Outfit nur annähernd einem wirtschaftlichen Erfolg Plausibilität verleihen könnte. Katharina Mölk schlüpft in die undercover-Rolle. Als Prinz Mutlos von Zauder tritt Theo Mair auf, schicksalsgetrieben und ahnungslos, wie er seinen Zauber loswerden könnte. Vielleicht eine Liaison mit Protzwitha? Als sich der Versuch als Rohrkrepierer entpuppt, entdeckt er seine Lust an der Unterwerfung und verdingt sich als Knecht. Als solcher stolpert er seiner Bestimmung entgegen.
Die Kostüme suggerieren, dass Selma Mahlknecht Schwarz-weiß-Malerei betreibt. Die Zuschauer/innen nehmen hingegen die Lust mit, sich nach der Aufführung über die Zwischentöne und Ungereimtheiten eines Stücks zu unterhalten, in dem das märchenhafte Finale die Anspielungen auf die reale Welt wegwischt und dennoch das Glück nicht glänzt.