Kultur | Salto Afternoon

„Schlaginstrument aus den Alpen“

Der Südtiroler Schlagwerker Max Castlunger hat am MaxiCube getüftelt und sucht nun den Partner zur Serien-Produktion. Trotz kleinem Formfaktor steckt viel im Instrument.
Max Castlunger
Foto: Privat
In seinem mit Schlagwerk aller Art gefüllten Archiv, in welchem vom Gong über Holztrommeln und Prototypen, zu Instrumenten umgearbeiteten Möbeln, viel zu entdecken wäre, setze ich mich auf letzteres für unser Gespräch. Castlunger nimmt auf einem MaxiCube Platz. Auch zahlreiche Trommeln mit Tierfellen, heimischer und exotischer Art umgeben uns: Rochen, Leguan und Kamel teilen sich den Raum um uns mit Hirsch, Wildschwein und Ziege. Der Würfel, oder englisch Cube, ist etwas gedungener als seine Schwester die Cajon, damit besser für Körperhaltung und Transport, im Inneren komplexer. Ähnlich wie bei einer Snaredrum sind Schnarrsaiten verbaut die den Klang modulieren, je nachdem zu welcher Kante hin Castlunger das Instrument schlägt, ein anderer Klang. Zu sehen ist auch ein früherer Prototyp, der wohl einmal Beistelltisch war und deutlichen DIY-Charakter gegenüber dem glatten, maschinell gefertigten Endprodukt aufweist. Dass das Instrument nicht nur im Werbeclip funktioniert, demonstriert er bei einer kurzen Demonstration.
 
 
Salto.bz: Herr Castlunger, wie kam es zum MaxiCube?
 
Max Castlunger: Das war so, vor zwei Jahren, durch den Verein Perfas, haben wir zu Covid-Zeiten  eine Reihe von Video-Statements veröffentlicht. Ich habe in meinem Video Produkte für die Seele als Hauptthema gehabt. Wir brauchen natürlich vieles für unseren Körper und den Alltag, brauchen Werkzeuge… Das geht alles mehr ums Äußerliche, aber wir brauchen auch etwas für die Seele. Das ist Kunst und darauf sollten wir nicht vergessen. Gerade in schweren Situationen können wir von Kunst profitieren, da sie auch wie Medizin wirkt und gut tut.
Mein Statement hat Peter Rubner, von der großen Firma aus Kiens gesehen und mir eine SMS geschrieben, dass er damit einverstanden sei. Würde ich Hilfe brauchen, so solle ich mich melden. Da überlegte ich, und da ich viel mit Holz gearbeitet hatte und die Idee hatte den MaxiCube weiter zu entwickeln, aber nicht die Fähigkeiten und Maschinen dafür. Da habe ich das vorgeschlagen, das Instrument bis zum Endprodukt weiterzuentwickeln. Er hat gleich zugesagt und mir Mitarbeiter zur Seite gestellt. Dann bin ich mit dem Vorarbeiter in Percha zusammen gekommen und er hat mir bei der Entwicklung geholfen: Technische Sachen, wie die Einfräsungen der Platten, damit sie beim Spielen nicht schmerzen. Wir haben die Hölzer dünner und leichter gemacht und 20 Stück angefertigt. Zehn verwende ich für Workshops und zehn um mit dem Projekt weiter zu machen.
 
Ich habe die Corona-Zeit auch genützt, da ich die Zeit hatte, etwas anderes zu tun: Selber Instrumente zu bauen und Beispiele geben, wie man Altes wiederverwenden kann.
 
Wenn das Projekt in der Pandemie-Zeit weiterentwickelt wurde können Sie sich vielleicht auch erinnern. Wie ging es Ihnen als Sie das erste Mal gehört haben, Sie seien nicht „systemrelevant“? Das klingt wie wenn man zum ersten Mal hört, dass man ein „zu Lasten lebendes Kind“ sei…
 
Das war auch ein Grund: Es ist nicht nur systemrelevant, was unser Körper zum Überleben braucht. Körper und Seele gehören zusammen und damit sie im Gleichgewicht sind, muss man auch beide füttern. Wir, die wir mit Musik und Kunst arbeiten sind sehr ausgeschlossen gewesen, haben alles verloren. Ich habe viele Standbeine, ich unterrichte, halte Workshops und spiele Konzerte. Das war alles eingeschränkt.
Ich habe die Corona-Zeit auch genützt, da ich die Zeit hatte, etwas anderes zu tun: Selber Instrumente zu bauen und Beispiele geben, wie man Altes wiederverwenden kann. Ich glaube sehr an Upcycling, auch im Haus sind viel Möbel, die gebraucht waren und die ich umgebaut habe.
 
Wenn Sie von Upcycling sprechen, dann spielt das bei der Entstehung eine Rolle, das Endprodukt besteht aus neuen Materialien. Welche Hölzer sind verbaut?
 
Genau. Es sind vier verschiedene Hölzer. Das Gerüst und die Leisten, welche das Gewicht des Körpers tragen sind aus Lärche. Die vordere, etwas weichere Platte, die einen Ton mit mehr Bass gibt ist aus Pappel-Holz. Die beiden Seiten mit dem Bongo-Klang müssen härter sein, um eine gute Note abzugeben, das ist Buche. Hinten ist eine Briken-Platte für die Conga. Jedes Holz hat eine andere Klangeigenschaft und Farbe. Dann hat man optisch die Natur einfach belassen, wie sie ist.
 
 
Haben Sie verschiedene Variationen durchprobiert oder wussten Sie schon welches Holz und welchen Klang Sie brauchen?
 
Mit Hölzern experimentiere ich schon etwa zehn Jahre, angefangen bei den Stämmen. Anfangs habe ich nur Pappel-Holz verwendet, das ist immer gesprungen, weil es zu weich war. Dann kam ich darauf, dass Buche gut klingt, wenn man etwas Sustain, also einen Klang der etwas länger dauert haben möchte. Holz schwingt natürlich viel weniger als ein Fell. Die Hölzer hatte ich schon bei anderen Projekten ausprobiert und konnte sie im Prototyp verbauen. Was wir anders gemacht haben ist, dass zuerst alles verschraubt war und das war mir zu viel Metall. Wir haben beschlossen die Platten einzukleben und das war noch mal besser, stabil und kompakt.
 
Ich fand die Cajón immer schon toll, weil sie keine territoriale Zuwendung hat.
 
Bei einem Produkt denkt man auch über ein Zielpublikum nach. Denken Sie da an Profimusiker, Sit-in-Demonstrationen… was würde Ihnen noch einfallen?
 
Der didaktische Bereich. Ich arbeite seit 20 Jahren mit Schulen, mache Trommelkurse mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Die Cajón hat sich in den letzten 10, 15 Jahren weltweit verbreitet, davor kannten sie wenige, ich spiele sie schon länger und bin auch mit einem Cajón-Hersteller in Bologna, wo ich früher studiert habe, in Kontakt. Ich fand die Cajón immer schon toll, weil sie keine territoriale Zuwendung hat. Hört man eine afrikanische Trommel, bringt einen das gleich nach Afrika. Die Cajjón ist ziemlich neutral. Deswegen ist der MaxiCube eine Cajón, aber mit verschiedenen Plugins, weil es links und rechts mehrere Klänge hat. Man blickt auch nicht mehr nur in eine Richtung, sondern spielt es 360 Grad, wodurch es sich in einem spielerischen Kontext sehr gut eignet. Man kann kleine Arrangements machen, indem man mehrere Seiten zusammen spielt. Das ist didaktisch gut geeignet. Es ist auch für volkstümliche Musik geeignet, offen für jede akustische Musikart der Welt.
 
Ist der MaxiCube in einer Bürgerkapelle für Sie vorstellbar?
 
Ja, warum nicht? (Castlunger demonstriert wie das klingen könnte) Etwa auch auf einer Schutzhütte, als Hocker. Was man in Lokalen oft sieht, ist eine Gitarre an der Wand, oder eine Ziehharmonika… Im Alpenraum haben wir ja keine traditionellen Schlaginstrumente, außer mal einem Löffel oder Besenstiel. Das ist ein Schlaginstrument aus den Alpen, aus Holz gebaut, den Materialien, die bei uns vorhanden sind.
 
Musik (...) ist auch ein Freund, eine Begleitung für den Musiker selbst. Wenn man musiziert ist man nie allein, man ist mit der Musik.
 
Ist Musik für Sie etwas, das Sie für Ihren Tagesrhythmus brauchen, oder gibt es Tage an denen Sie das Schlagwerk im Haus lassen um etwa wandern zu gehen?
 
Ich spiele außer Schlagwerk auch melodische Instrumente, Flöte etwa, oder Klarinette, welche mein erstes Instrument war, die indische Sitar, oder melodische Schlaginstrumente. Für mich ist Musik eine Art Therapie. Wenn ich mal zwei, drei Tage nicht spiele - das passiert manchmal - dann fehlt mir etwas. Ich fühle eine Leere, bin etwas traurig und denke mir, was das ist, es fehlt mir ja nichts. Das ist genau die Musik. Seit ich meinen Bruder verloren habe, als ich jung, 17, war ist die Musik ganz in mein Leben eingedrungen. Davor habe ich schon gespielt, in der Kapelle und mit Freunden, aber mehr zum Spaß. Die Musik hat das Loch gefüllt, sie ist nicht nur Kunst oder Unterhaltung, sie ist auch ein Freund, eine Begleitung für den Musiker selbst. Wenn man musiziert ist man nie allein, man ist mit der Musik.
Sie baut Verbindungen mit etwas mehr auf, das ist philosophisch gesehen so, dass alles Leben im Universum durch Rhythmus läuft, durch wiederkehrende Ereignisse. Ein Anfang, ein Ende, ein Neuanfang. Die Planeten kreisen um die Sonne, die Erde dreht sich. Jahreszeiten, Tag und Nacht, das ist alles wiederkehrend. Wir folgen auch diesen Biorhythmen, die das Leben antreiben, als ob da jemand mit einer großen Kurbel wäre, der das antreibt. Wenn man Rhythmus spielt, musiziert, dann macht man etwas sehr natürliches, das Leben selbst in gewisser Weise. Ich brauche das als Ausgleich, weil ich ein sehr energiereicher Mensch bin und mir das hilft, diese Energie gut zu kanalisieren.