Kultur | Salto Afternoon

Keine Angst vor Gleichgeschlechtlichkeit

In der Dekadenz Brixen steht mit „König & König“ ein Kinderstück mit dem Tag „LGBTQIA+“ am Programm. Für Niels Klaunick ist diese Liebe eine „Selbstverständlichkeit“.
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Foto: Severin Vogl/Compagnie Nik
Ursprünglich war das Stück ein niederländisches, illustriertes Kinderbuch von Linda de Haan und Stern Nijland. Als solches löste „Koning & Koning“  gerade in den USA Mitte der Nuller-Jahre eine breite Debatte um Toleranz und religiöse Freiheit aus. Das Buch, welches wegen seiner Thematisierung einer männlich-gleichgeschlechtlichen Beziehung in einigen Bundesstaaten zeitweise verboten war und als Fall bis vors Berufungsgericht der Vereinigten Staaten kam, erfuhr dadurch auch im Europäischen Raum eine Zeit lang große Sichtbarkeit. Die Geschichte handelt von einem Prinzen, der von seiner Mutter, der Königin gedrängt wird sich eine Prinzessin unter zahlreichen Bewerberinnen auszusuchen und gemeinsam die Herrschaft des Landes zu übernehmen. Am Ende entscheidet sich der Prinz für einen Prinzen. Gespielt wird das bereits ausverkaufte Stück am Mittwoch Abend in der Dekadenz Brixen unter Regie von Veronika Wolff, mit Dominik Burki und Niels Klaunick als Prinzen (Compagnie Nik). Die Dekadenz Brixen präsentiert das Stück gemeinsam mit OEW (Organisation für Eine solidarische Welt). Klaunick, auch für Bühne und Stücktext verantwortlich, erzählt von der „Selbstverständlichkeit“ gleichgeschlechtlicher Liebe.
 
 
Salto.bz: Herr Klaunick, „Koning & Koning“ war 2000 das erste Kinderbuch, welches einen Kuss zwischen zwei Männern abbildete. Die wichtigste Frage vorweg: Wird auf der Bühne geschmust werden?
 
Niels Klaunick: (lacht) Nein, wir nehmen uns einmal in den Arm.
 
Aus welchen Gründen verzichtet man auf den Kuss?
 
Das Stück ist von 2013, was eine ganze Weile her ist… Wir haben während der Inszenierung darüber gesprochen und es war uns, wenn ich mich recht erinnere, ein zu großes Risiko; Nicht wegen der Gleichgeschlechtlichkeit, sondern wegen des Küssens an und für sich, weil damit in dieser Altersklasse eine Grenze überschritten wird, bei der dann oft Reaktionen kommen mit „Iiih“ und „Uuh“ und „Ah“. Der Kuss wäre am Ende und hätte das Publikum in vielen Fällen aus dem Stück herausgerissen, so dass man das Ende so gar nicht spielen kann. Es war keine Angst vor dem Thema der Gleichgeschlechtlichkeit. Körperlichkeit unter Erwachsenen ist in dem Alter noch ein viel schwierigeres Thema.
 
Würden Sie die Entscheidung heute noch einmal so treffen?
 
Ich denke schon, ja. Kinder sehen das in dem Alter - ab 4 - nicht so gerne wenn Erwachsene sich küssen, vollkommen egal ob das ein Mann und eine Frau, Frau und Frau, oder Mann und Mann sind. Das ist ein komisches Thema für sie und darum geht es ja letztendlich auch nicht: Es geht um die Liebe.
 
Es war keine Angst vor dem Thema der Gleichgeschlechtlichkeit. Körperlichkeit unter Erwachsenen ist in dem Alter noch ein viel schwierigeres Thema.
 
Wie reagiert das junge Publikum auf diese Liebe?
 
Ich fand das ganz spannend als wir - kurz nach der Premiere - zwei Vorstellungen in einem katholischen Kindergarten in München gespielt haben. Erst vor den „Kleinen“, dann vor den „Großen“, auch um herauszufinden für welche Altersklasse die Aufführung ist. Diese Einschätzung ist, wenn man ein Stück schreibt, erstmal schwierig.
Toll war, dass, als wir anschließend mit den Kindern sprachen, sie uns auf die Frage hin, ob sie in Ordnung fänden, dass die beiden Prinzen heiraten, uns völlig verständnislos angeguckt haben. Dann hieß es: „Warum den nicht? Die lieben sich ja und dann können sie auch heiraten.“ Das war für mich von Anfang an die Motivation, als ich die Spielversion geschrieben habe, dass es für Kinder in dem Alter normal ist, wenn ein Sohn zu seinem Vater sagt: „Wenn ich mal groß bin, will ich dich heiraten.“ Oder eine Tochter zu ihrer Mutter. Das ist pur: Wenn zwei Menschen sich lieben, dann dürfen sie heiraten oder zusammenleben. Diese Selbstverständlichkeit wollte ich unterstützen.
 
Der Intendant meinte aber: „Wenn das ein Grund ist, aus dem mein Vertrag nicht verlängert wird, dann habe ich alles richtig gemacht.“ 
 
Sie haben es angesprochen, das Stück ist bald - am 16. Juni - 10 Jahre alt. Hat man in dieser Zeit negatives Feedback zu den Inhalten erhalten?
 
Ganz, ganz wenig. Wir haben das Stück um die 200 Mal gespielt, da hat es vielleicht 10, 15 Mal in der Situation ganz am Ende - in der wir uns in den Arm nehmen - Kinder gegeben, die „Iiih“ gerufen haben. Sonst gab es kein Problem vom Publikum her, auch bei den Begleitpersonen wie Eltern, Großeltern und Lehrpersonen.
Das einzige andere Ereignis, das wir hatten war in einer südbayerischen Stadt - ich nenne den Namen nicht - da spielten wir „König & König“ am Stadttheater. Es hat sich eine Gruppe von Eltern, die mitbekam, dass ihre Kinder von der Schule aus in die Vorstellung kommen sollten, das Buch besorgt und es für schlimm befunden haben. Sie haben sich mit einer Petition an den Bürgermeister gewandt, dass er das unterbinden solle und sich auch an den Rektor der Schule gewandt. Der Bürgermeister hat sich an den Intendanten des Stadttheater gewandt und hat ihm nicht wirklich Rückendeckung gegeben. Der Intendant meinte aber: „Wenn das ein Grund ist, aus dem mein Vertrag nicht verlängert wird, dann habe ich alles richtig gemacht.“  Letztendlich war dann auch diese Schule da und es hat allen gefallen. Danach haben wir davon nichts mehr gehört und diese Person ist dort immer noch Intendant.
 
 
Das Buch wurde in konservativen Kreisen, insbesondere in den USA, aufgrund der gleichgeschlechtlichen Beziehung stark kritisiert. Ist nicht im Grunde das Thema der arrangierten Ehe, wenn auch im Kontext eines modernen Märchens, viel problematischer?
 
Ja, definitiv. Das hat auch eine Kollegin nach einer Vorstellung zu mir gesagt, dass das sehr klischeebehaftet ist, dass die Prinzen erstmal heiraten müssen und Druck von Seiten der Mutter da ist. Ich denke, man kann immer nur ein Thema bearbeiten. Man könnte damit anfangen und hier den Rundumschlag machen: Ist das in Ordnung, dass die Mutter den Sohn verpflichtet zu heiraten? Muss man die Ehe nicht in Frage stellen? Auch könnte man über Monarchie nachdenken, aber dafür muss man, denke ich, jedesmal ein eigenes Stück machen. Wir haben schon viel erreicht, wenn wir Kinder darin bestärken, dass es voll in Ordnung ist, wenn Männer auch Männer heiraten. Da muss man nicht das nächste Fass aufmachen, zumal wir noch ein Thema im Stück haben.
 
Jungs finden mit vier noch selbstverständlich „Hello Kitty“ toll und wollen rosa Pullover tragen. Dann kommen sie in die Schule und der soziale Druck beginnt, sie zerreißen das, werfen es weg und haben das Gefühl, sie dürften das, als Jungen, nicht mehr.
 
Welches wäre dieses?
 
Ich habe nicht eins zu eins aus dem Buch ein Stück gemacht, sondern noch eine Rahmenhandlung geschrieben, von zwei Freunden, Valentin und Waldemar. Sie sind ein clowneskes Paar, das zusammen Geschichten spielt und das sich, bevor die eigentliche Handlung beginnt, streitet weil Waldemar immer Prinzessinnen spielen und Kleider tragen möchte. Waldemar findet alles was rosa und süß ist toll und Valentin meint, das ginge nicht, er sei ein Junge. Das fand ich spannender, weil es näher am Thema gleichgeschlechtliche Ehe und Partnerschaften ist und genau in dem Alter eine Rolle spielt. Jungs finden mit vier noch selbstverständlich „Hello Kitty“ toll und wollen rosa Pullover tragen. Dann kommen sie in die Schule und der soziale Druck beginnt, sie zerreißen das, werfen es weg und haben das Gefühl, sie dürften das, als Jungen, nicht mehr. Das sind verwandte Themen, mit welchen wir die Kinder abholen können, wo sie das nicht als Problem sehen und wir sie darin bestätigen können.
 
Ich denke damit kann man den größten Pflock einschlagen, in dem man sagt, das ist das Selbstverständlichste der ganzen Welt.
 
Was lässt sich Kindern in einer Dreiviertelstunde mit auf den Weg geben?
 
Zwischen 45 und 55 Minuten liegt der Standard für das, was man für die Altersklasse 4 bis 10 machen kann. In einer Dreiviertelstunde kann man eine Menge auf der Bühne machen. Es geht mir als Künstler nicht darum sehr viel über die gleichgeschlechtliche Ehe zu erzählen, es ist wichtiger ein positives Erlebnis mit der Geschichte zu haben. In der Inszenierung ist - vielleicht noch eine Spur knapper als im Buch - die Tatsache, dass zwei Prinzen zusammen kommen nicht groß thematisiert. Das ist halt Fakt, das ist so und wird nicht als Problem dargestellt und damit ist das Stück schon vorbei. Ich denke damit kann man den größten Pflock einschlagen, in dem man sagt, das ist das Selbstverständlichste der ganzen Welt. Vielleicht gibt es auch Kinder, die die Vorstellung verlassen ohne das als besonderes Thema wahrzunehmen und das finde ich noch schöner.