Politik | Palace-Affäre
Die Methode Chenot
Die Verhandlung vor dem Bozner Landesgericht am vorvergangenen Mittwoch dauerte nicht lange. Die Verteidiger stellten gleich zu Beginn den Antrag, dass der Prozess nach Bologna verlegt werde. Am 18. April wird der Richtersenat seine Entscheidung zur möglichen Verlegung bekannt geben.
Ganz gleich ob in Bozen oder in Bologna. Sicher ist, dass in diesem Prozess im Gerichtssaal viel schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit gewaschen wird. Das Besonderere in diesem Verfahren: Die schmutzige Wäsche kommt mitten aus der Welt der Reichen und Schönen.
Schnelle Archivierung
Im Strafprozess vor dem Landesgesicht sitzt neben der kampanischen Schönheitsmedizinerin Carmen Salvatore auch der langjährige Geschäftsführer des Meraner Nobelhotels Palace, Massimiliano Sturaro, auf der Anklagebank. Die Staatsanwaltschaft erhebt schwerwiegende Vorwürfe gegen das Duo: Es geht um Veruntreuung, angebliche Schwarzzahlungen und Betrug in Millionenhöhe.
Geleitet werden die Ermittlungen vom stellvertretenden Staatsanwalt Markus Mayr. Bereits in der Vorermittlungsphase wurde klar, dass dieser Prozess zu einer Schlammschlacht zwischen Palace-Eigner Pietro Tosolini, dem Meraner Gesundheitspapst Henri Chenot, dessen Ehefrau Dominique Grenier und den beiden Angeklagten führen wird.
Sturaro und Salvatore behaupten, dass das Ehepaar Chenot nicht nur in die angeblichen Veruntreuungen eingeweiht war, sondern dass sie auch die eigentlichen Nutznießer gewesen seien. Die Vorhaltungen und Indizien waren so stark, dass Staatsanwalt Markus Mayr anfänglich neben Salvatore und Sturaro auch Henri und Dominique Chenot ins Ermittlungsregister eintrug.
Dann aber geschieht etwas, was nicht alltäglich ist. Unmittelbar nach der Eintragung ins Ermittlungsregister trennt Staatsanwalt Markus Mayr das Verfahren des Ehepaares Chenot vom Palace-Verfahren ab und beantragt gleichzeitig die Einstellung des Verfahrens gegen die Eheleute Chenot.
„Weder Henri noch Dominique Chenot haben sich irgend etwas zu Schulden kommen lassen“, sieht der SVP-Parlamentarier und Chenot-Anwalt Karl Zeller diese Vorgangsweise als Bestätigung der Unschuld seiner Mandanten an.
Die Anzeige
Doch bei der Meraner Finanzwache und bei der Agentur der Einnahmen ging vor Monaten eine Anzeige gegen Henri Chenot und Dominique Grenier ein.
Unterschrieben ist die Anzeige ausgerechnet von Massimiliano Sturaro. „Ich möchte mich zur Anzeige derzeit nicht äußern“, sagt der ehemalige Palace-Geschäftsführer zu salto.bz. Tatsache ist, dass der vierseitigen Anzeige eine Reihe von Dokumenten beigelegt sind. Demnach hätte Henri Chenot seit Jahren eine verschachtelte Struktur von anonymen Gesellschaften in Luxemburg aufgebaut, in die ein großer Teil jener Gewinne fließen soll, die der Gesundheitspapst in Meran macht. Ein Geldfluss, der zum Großteil an der italienischen Steuer vorbei gehen soll.
Nach Informationen von salto.bz hat die Finanzwache deshalb Vorermittlungen aufgenommen. Auch in der Bozner Agentur der Einnahmen ist bereits vor Monaten eine Untersuchung eröffnet worden.
Nach Informationen von salto.bz hat die Finanzwache deshalb Vorermittlungen aufgenommen. Auch in der Bozner Agentur der Einnahmen ist bereits vor Monaten eine Untersuchung eröffnet worden.
Eine Goldmühle
Der heute 73-jährige Henri Chenot, gebürtiger Katalane, französischer Staatsbürger, studierter Meeresbiologie, Fachmann für Chinesische Medizin, Phytokosmetik und Phytotherapie übernahm bereits in den achtziger Jahren die Kurabteilung des Meraner Nobelhotels. Henri Chenot und seine Frau Dominique Grenier - als Direktorin des Wellnessbereichs - machten das Palace international bekannt. Stars, Millionäre und Berühmtheiten pilgern seit drei Jahrzehnten zu den Chenots in die Passerstadt.
2006 übernimmt der Bozner Baulöwe Pietro Tosolini das angeschlagene Palace. Mit ihm kommt auch Massimiliano Sturaro als Geschäftsführer, und einige Jahre später übernimmt die Ärztin Carmen Salvatore die medizinische Leitung der Palace-Kurklink „Espace Henri Chenot“.
Das Projekt Palace floriert. Das zeigen die Bilanzzahlen: 2005 hatte das Palace einen Umsatz von 13 Millionen Euro. 2014 waren es 42 Millionen und ein Jahresgewinn von 9 Millionen.
Henri Chenot hat vor 30 Jahren ein Geschäftsmodell entwickelt, das ihm viel Geld einbringt. Allein im Palace verdienen er und seine Unternehmen jährlich rund 3 Millionen Euro.
Dass der Gesundheitspapst dabei einen sehr kreativen Umgang mit der italienischen Steuergesetzgebung pflegt, ist zumindest in einem Fall seit Jahren aktenkundig.
Royalties nach Holland
Henry Chenot hat sich vor vielen Jahren seine Diäten und seine Behandlungsmethoden unter dem Markenzeichen „Methode Chenot“ schützen lassen. Ebenso geschützt sind die Bezeichnung „Espace Henri Chenot“ und „Soggiorno Benessere Dominique Chenot“.
Vor allem aber hat der findige Franzose ein steuerlich mehr als interessantes Geschäftsmodell gefunden. Alle Rechte für diese Marken gehören anfänglich der niederländischen Gesellschaft „Henicado BV“. Das Unternehmen mit Sitz in Amersfoort in der Provinz Utrecht gehört der Familie Chenot. Der Firmennamen ist eine Abkürzung der Vornamen von Henri, seinen Kindern Nicolas, Caroline und von Ehefrau Dominique Grenier (Henicado). Geschäftsführer des Unternehmens ist Fabio Mazzoni, ein italienischstämmiger Wirtschaftstreuhänder mit Wohnsitz in Belgien. Dass Chenot für seine Firma die Niederlande als Niederlassung wählt, dürfte auch mit der äußerst geringen Steuerbelastung in diesem EU-Land zusammenhängen.
Am 31. Dezember 2000 schließt die Henicado BV mit der „Hotel Palace Gestione Srl“ einen Vertrag mit zehnjähriger Laufzeit ab. Demnach bekommt die Chenot-Gesellschaft 10 Prozent des Umsatzes, den das Palace mit der Methode Chenot und den entsprechenden Produkten sowie dem Beauty-Bereich seiner Ehefrau macht. Jahrelang fließt so viel Geld über diese Royalties nach Holland.
Luxemburger Anonymität
Am 16. Januar 2004 wird vor einem Luxemburger Notar die „HC International S.A.“ gegründet. HC steht für Henri Chenot. Die Societé Anonym gehört je zu 45 Prozent Henri Chenot und Dominique Grenier und zu je 5 Prozent ihren beiden Kindern Caroline und Nicolas Chenot. Geschäftsführer wird auch in diesem Unternehmen Fabio Mazzoni.
Mit der Übernahme des Palace durch Pietro Tosolini 2006 übernimmt der neue Eigentümer auch den Vertrag mit der Chenot-Firma. Die HC International S.A hat inzwischen die holländische Henicado BV ersetzt. Zudem handelt Tosolini eine Vertragsänderung aus. Die HC International bekommt nur mehr 7 Prozent an Royalties. Dafür bekommt Henri Chenot einen zusätzlichen jährlichen Fixbetrag als Verwalter und Dominique Chenot wird Festangestellte im Palace.
Inzwischen bietet die HC International Chenots Methode und seine Anwendungen nicht nur im Meraner Palace an, sondern man schließt auch Verträge mit drei weiteren italienischen Nobelhotels in Brescia, Mailand und Verona ab. Was die Einnahmen deutlich erhöht.
Die Strafe
Es ist für Chenot ein mehr als lukratives Geschäft. Bis 2007 die Finanzwache und die Agentur der Einnahmen im Meraner Palace eine Kontrolle durchführen und auch auf das Geschäftsmodell des Gesundheitspapstes stoßen. Schnell wird klar, dass hier einiges nicht stimmt.
Die Beanstandung: rechtswidrige Verlagerung von Gewinnen ins Ausland (Esterovestizione). Denn die Ermittler konnten nachweisen, dass das Ehepaar Chenot nicht an seinem offiziellen Wohnsitz in Lugano ansässig ist, sondern in Wirklichkeit seinen Lebensmittelpunkt in Meran hat. Zwei Zimmer des Nobelhotels werden seit Jahren nicht vermietet, sondern stehen exklusiv Henri und Dominique Chenot zur Verfügung. Vor allem aber lässt sich nachweisen, dass sich die beiden weit mehr als 180 Tage im Jahr in Meran aufhalten. Und damit in Italien voll steuerpflichtig sind.
Weil Henri Chenot sich kooperativ zeigt und zugibt, die Firmenkonstruktion aus steuerlichen Gründen gemacht zu haben, kommt es zu keinem Strafverfahren. Der Gesundheitspapst zahlt nicht nur Steuern zurück, sondern auch eine Strafe von einer halben Million Euro an die Agentur für Einnahmen.
Zudem gründet Henri Chenot in Absprache mit seinem Anwälten, Steuerberatern und der Steuerbehörde eine Firma in Italien. Damit sollen auch die Steuern in Italien bleiben.
„Seit damals ist mein Mandant meines Wissens steuerrechtlich in Ordnung“, sagt Chenot-Anwalt Karl Zeller.
Der Trick
Ob das so stimmt, wird jetzt die Finanzwache überprüfen. Denn in der Anzeige von Massimiliano Sturaro wird etwas ganz anderes behauptet.
Am 30. Dezember 2008 wird in Meran die „HC Biontis Srl“ gegründet. Das Unternehmen hat seinen Sitz im Palace in Meran, Henry Chenot ist Verwaltungsratspräsident und seine Frau Dominique Grenier seine Stellvertreterin. Die HC Biontis Srl tritt im Frühjahr 2009 anstelle der Luxemburger HC International S.A. in alle laufenden Verträge ein.
Damit hat Henri Chenot die Auflagen der italienischen Steuerbehörde erfüllt. Wenigstens auf dem Papier.
Denn gleichzeitig wird ein Lizenzvertrag zwischen der HC International S.A. und der HC Biontis Srl abgeschlossen. Die Luxemburger Firma tritt dem Meraner Unternehmen die Rechte und Lizenzen der Methode Chenot für Italien ab. Und erhält im Gegenzug 5 Prozent aller Einnahmen.
Konkret heißt das: Während vorher sieben Prozent des Palace Umsatzes direkt nach Luxemburg gingen, sind es ab 2009 nur mehr 5 Prozent. 2 Prozent bleiben bei der Meraner HC Biontis Srl und fallen damit unter die italienischen Steuerbestimmungen.
Vor allem aber gründet Chenot am 13. Juni 2011 eine weitere Luxemburger Firma. Immer nach demselben Muster. Die „HC Trademark S.A.“ ist eine 100prozentige Tochter der HC International S.A. Auch hier ist Fabio Mazzoni Geschäftsführer. Die HC Trademark übernimmt die Marke „Espace Henri Chenot“.
Das Hotel Palace hat seit Jahren einen Vertrag mit der HC Trademark und zahlt die sieben Prozent an Royalties wiederum direkt nach Luxemburg.
Weil alle Unternehmen der Familie Chenot gehören, die unternehmerischen Entscheidungen aber in Meran fallen sollen, wofür Geschäftsführer Fabio Mazzoni immer wieder ins Palace anreisen soll, geht Massimo Sturaro in seiner Anzeige davon aus, dass das gesamte System den Strafbestand einer rechtswidrigen Verlagerung von Gewinnen ins Ausland (Esterovestizione) erfüllt.
Es wird sich zeigen, ob die Steuerbehörden dieser Lesart folgen werden.
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