Chronik | Fall Kuhn

Keine Anklage

Die Staatsanwaltschaft Innsbruck hat die Einstellungen des Verfahrens gegen Gustav Kuhn verfügt. Mögliche Straftaten sind verjährt. Der Fall Kuhn ist damit nicht zu Ende.
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Foto: Haydn Orchester
Letztendlich könnten es drei Monate sein.
Drei Monate, die Gustav Kuhn vor einem Prozess und einer möglichen Verurteilung wegen massiver, sexueller Belästigung retten. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Innsbruck sind alle Vorwürfe die über ein Dutzend Künstlerinnen gegen den ehemaligen Leiter des Bozner Haydnorchestern erheben, inzwischen verjährt. Wie knapp es bei dieser juristischen Bemessung zugeht, wird deutlich, wenn man weiß, dass der jüngste schwerwiegende Übergriff drei Monate außerhalb der Verjährungsfrist liegt.
Das Verfahren gegen Gustav Kuhn war nach einer Reihe von Enthüllungen des Ötztaler Publizisten Markus Wilhelm losgetreten worden. Wilhelm hatte auf seiner Plattform „dietiwag.org“ die Aussagen und Erlebnisse mehrerer Musikerinnen dokumentiert, die vom hoch gefeierten Dirigenten sexuell belästigt wurden. Die Ermittlungen gegen Kuhn waren durch eine Anzeige mehrere Frauen im Juni 2018 ausgelöst worden.
Die Vorwürfe waren auch von der im österreichischen Bundeskanzleramt angesiedelten Gleichbehandlungskommission untersucht worden. Die amtliche Institution hat in ihrem Abschlussbericht vom November 2019 in allen fünf von ihr geprüften Fällen sexuelle Übergriffe zweifelsfrei festgestellt. Laut Abschlussbereicht hält die Kommission „Herrn Kuhn für unglaubwürdig, was seine Stellungnahmen und Argumente hinsichtlich der ihm vorgeworfenen Belästigungen betrifft“.
 
 
Die betroffenen Frauen reagiert deshalb mit Enttäuschung und Kritik auf die Einstellung des Verfahrens, die Ende vergangener Woche bekannt wurde. „Die Einstellung wird mit Verjährung begründet und sagt nichts über die tatsächlichen Vorkommnisse aus“, meinte die Sopranistin Manuela Dumfart gegenüber der APA, einer der fünf Frauen, die Kuhn angezeigt hatten.
Die Anwältin der Kuhn-Opfer Petra Smutny legt Wert auf eine wichtige Präzisierung:
Derzeit liegt noch keine detaillierte Einstellungsbegründung vor, die nun erst angefordert wird, um die Möglichkeit von Fortführungsanträgen prüfen zu können. Mir ist aber sehr wichtig zu betonen, dass sich die Staatsanwaltschaft bei ihrer Entscheidung aus den bisherigen Informationen ausschließlich darauf stützt, dass – ungeachtet des Umstands, dass eine sexuelle Belästigung nach dem Gleichbehandlungsrecht vorgelegen ist – noch keine gerichtliche Strafbarkeit gegeben, zum Tatzeitpunkt sexuelle Belästigung, wie wir sie heute im Strafgesetzbuch vorfinden, noch nicht strafbar gewesen sei, bzw. dass die vorgeworfenen Handlungen verjährt seien. Selbst wenn diese Argumente der Staatsanwaltschaft zutreffen sollten, wäre damit weder das Gutachten der Gleichbehandlungskommission noch die Glaubwürdigkeit der Frauen relativiert.
Selbst wenn diese Argumente der Staatsanwaltschaft zutreffen sollten, wäre damit weder das Gutachten der Gleichbehandlungskommission noch die Glaubwürdigkeit der Frauen relativiert.
Trotz Einstellung der strafrechtlichen Ermittlungen ist der Gerichtsfall Gustav Kuhn aber lange noch nicht abgeschlossen. Kuhn hat vor dem Innsbrucker Landesgericht ein Zivilverfahren gegen Markus Wilhelm und die fünf Frauen angestrengt. Dabei wollen Wilhelm & Co auch neue der Öffentlichkeit noch nicht bekannte Beweismittel vorlegen.