Kultur | Salto Weekend

Konststrejk im Museion

Weshalb der Performancekünstler Simon Steinhauser im Museion streikte, am Hof in Wangen ein Denunziationsbüro leitet und Kellerpartys für sich trennende Paare plant.
Simon Steinhauser 4
Foto: David Valtingoier

salto.bz: Als Künstler mit langjähriger und internationaler Performance-Erfahrung haben Sie sich gratis ins Museion gestellt und zum Kunststreik für Geld aufgerufen. Warum?

Simon Steinhauser: Ich habe die Museion-Ausschreibung zur Aktion „Here to Stay“ von mehreren Stellen zugeschickt bekommen und gelesen, dass man dort einen Raum kostenfrei bespielen kann, und das in der derzeitigen Situation, wo so viele Künstler finanziell eher schlecht dastehen. Ich dachte mir: Wer soll da mitmachen? Je größer die Institution ist – so haben mir das auch andere bestätigt –, desto weniger Geld gibt es manchmal für die Künstler. 

Dennoch haben Sie an der Ausschreibung teilgenommen, kritisierten mit Ihrem Vorschlag die Haltung des Museion...

Nicht das Museion, das Museion ist eine super Sache. Ich kritisiere die Herangehensweise, wie eben diese Institution mit ihren Räumen im fettesten Corona-Zeitalter umgehen. Weil man natürlich nicht die große Kunst ins Haus holen kann, ist es eigenartig, dass man dann nicht einmal beispielsweise 1.500 Euro zusammenkratzt, damit die Leute, die man über diese Aktion einlädt, angemessen zu bezahlen. Bei jeder kleinsten Geschichte gibt es üblicherweise etwas für die Anreise oder auch ein kleines Honorar. Aber das Museion fährt da leider eine andere Schiene. Dabei könnte alles viel  cooler dort sein und man hätte mit minimalstem Hausverstand und etwas Überlegung weniger Feinde. Aber man kann natürlich auch sagen: Bringt uns die Sachen gratis.

Ich hab das als Metapher auf die Kulturlandschaft bezogen.

Sie haben sich zwei Stunden hingestellt und ein Protestschild gehalten...

Ja das war mein Konzept. Das war die Antwort auf die Ausschreibung, um darauf hinzuweisen, dass eben – salopp gesagt – "auf die magersten Böden nicht die fetteste Sau draufgeht". Mein Projekt ist schlicht und einfach eine Visualisierung des Hinweises KONSTSTREJK FÖR PENGAR auf Schwedisch, im Style des Protestschildes von Greta Thunberg. Ich hab das als Metapher auf die Kulturlandschaft bezogen, im übertragenen Sinne von: Kunststreik für Geld. Der Museion-Direktor, Herr Bart van der Heide, ließ dann auch noch über eine Mitarbeiterin nachfragen, was Pengar heißt. Ich hab mit einem Screenshot geantwortet und dann das OK für meine Performance erhalten. Das Museion nahm  meinen Performancevorschlag an, das war dann ja schon mal was...

Performance von Simon Steinhauser:KONSTSTREJK FÖR PENGAR / Quelle: Museion


Glauben Sie beim Museion, oder auch bei anderen Kulturanbietern, die diese Ausschreibung an die Künstler*innen verschickt haben, kommt Ihre Kritik an?

Diese Performance macht natürlich erst dann Sinn, wenn aus ihr hereus eine Diskussion entsteht, sonst ist das irgendein Hansel der da im Museion steht, auf Thunberg macht und versinnbildlicht, dass Künstler in Corona-Zeiten arm dran sind – das ist dann ähnlich, wie bei den 72 Künstler-Porträts auf Brücken, die ohne größere Aussage auf sich aufmerksam machen. 

Als Perfromance-Künstler sind Sie nicht bei dem neuen Verbund PERFAS?

Nein, bin ich nicht. Prinzipiell finde ich aber Zusammenschlüsse, um Ziele zu erreichen, nicht negativ, da kann und will ich auch nichts dagegen sagen. Ich würde aber nicht mein Gesicht ablichten lassen, um auf diese Weise „hausieren“ zu gehen. Eher würde ich jene Leute am Plakat abdrucken und sichtbar machen, die während der Corona-Zeit beispielsweise in den Krankenhäusern arbeiten. Es ist schön und gut wenn Schauspieler und Musiker den öffentlichen Raum auf diese Weise nutzen und ich freu mich, dass sie bald wieder arbeiten können, aber die Form der Aktion sagt mir nicht zu. Auch beim Südtiroler Künstlerbund fehlt es aktuell an gesellschaftskritischem Background. Das ist bedauerlich.

Ich habe über das Denunziationsbüro lediglich Leuten angeboten, ihre Nachbarn zu denunzieren, sprich: sie zu verraten, oder sich über die jeweiligen Nachbarn negativ zu äußern.

Im März haben Sie auf dem Aspmayrhof in Wangen/Ritten ein Denunziationsbüro eingerichtet. Eine Performance als Bürohengst für Ängstliche?

Das war ja jene Zeit, wo man nur über Wanderwege die Gemeinde erkunden konnte. Ich habe über das Denunziationsbüro lediglich Leuten angeboten, ihre Nachbarn zu denunzieren, sprich: sie zu verraten, oder sich über die jeweiligen Nachbarn negativ zu äußern. Unter dem Deckmantel des Büros würden sie nicht erkannt. Das hatte auch mit dieser Zeit zu tun, wo manche Leute einen regelrechten Wahn hatten, andere zu verpfeifen, weil irgendjemand im Keller laut Musik gehört hat, oder weil Kinder im Freien ohne Maske gespielt haben. Zudem war das Denunziationsbüro auch eine historische Offenbarung, da das mit dem Denunzieren in Südtirol schon vor 100 Jahre betrieben wurde, als viele die eigenen Nachbarn verraten haben. Vielleicht ist das bei den Südtirolern verinnerlicht, dass sie das gerne machen, keine Ahnung. Vor diesem Hintergrund leitete ich dieses temporäre Büro. Es gibt aber auch einen persönlichen Grund: mein Großvater, der aus der Nähe von Bruneck stammte, musste einst auch wegen einer Verratsgeschichte nach Osttirol flüchten. Von den 1920er bis in die 1940er Jahre hinein und auch danach wurde in Südtirol immer viel und gerne denunziert. Und in den letzten Wochen und Monaten wurde die Vorliebe für das Denunzieren wieder offensichtlich.

 

Wie viel Büroarbeit fiel an?
Ich hatte einen Postkasten am Hof angebracht, an dem ein Wanderweg vorbeiführt. Es kamen einige Hinweise herein, beispielsweise illegale Treffen, alles in allem aber keine wirklich großen Sachen. Die Arbeit meines Büros war es dann, diesen Dingen nachzuspüren und bei sich wiederholender Rechtsverletzung Abmahnungen auszustellen.

Demnächst stellen Sie den Keller des Aspmayrhofes für eine Art Trennungsperformance zur Verfügung...

Der Keller ist ja auch ein Symbol für Freiheit, auch während des Faschismus hierzulande ist viel in Kellern passiert. Ich möchte aus aktuellem Anlass Kellerpartys anbieten, wo Menschen aus verschiedenen Haushalten, die sich während der Pandemie nicht sehen konnten die letzte Trennungsparty feiern können. Der Keller soll Raum für alljene sein, denen Corona beziehungstechnisch geschadet hat. 

Ist Ihre derzeit sehr aktive Performancetätigkeit als Comeback zu sehen? Sie haben über viele Jahre beim erfolgreichen Projekt "God's Entertainment" mitgewirkt…

Comeback würde ich nicht sagen. Wenn man von Wien nach Wangen kommt, ein Bauernhofprojekt startet, dann gehen viele Dinge eben irgendwie anders. Ich habe seit dem Umzug durchaus künstlerisch weitergearbeitet, allerdings eher im bildnerischen Bereich. Wäre ich nach New York gezogen und nach ein paar Tagen dort in eine Künstlerszene reingerutscht, wäre es wohl anderes gelaufen...

 

Kurz zurück zum langen Kunststreik. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie zwei Stunden im Museion mit einem Protestschild ausharrten?

Die ersten 5 bis 10 Minuten habe ich mir den Raum angeschaut, danach kippte ich in meine Gedankenwelt. Nach rund einer Stunde schaute ich auf das Handy, nach eineinhalb Stunden begann die Position etwas mühsam zu werden. 

Wer hat Ihnen am Ende die 0 Euro in die Hände gedrückt?

Mir wurde für meinen tollen Beitrag gedankt. Mehr war da eigentlich nicht.

Als Leiter eines Denunziationsbüros möchten Sie aber aber nicht das Museion denunzieren?

Nein, das werde ich nicht machen.