„Es gibt keine Außenstehenden“

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SALTO: Herr Luncke, was hat es mit Eurer Kampagne „Habe ich mich je gefragt…?” auf sich?
Adrian Luncke: Am 21. März, dem Welttag gegen rassistische Diskriminierung, rufen die Vereinten Nationen zum Einsatz gegen Rassismus auf. Wir, ein Netzwerk aus Armonia Latina, Centro Pace, CGIL, Forum Prävention, Jugenddienst Lana-Tisens, Magari und OEW, haben spontan eine Kampagne entwickelt. Unser Ziel: zum Nachdenken über Rassismus anzuregen.
Wir haben Social-Media-Posts und A4-Plakate erstellt und sie vor allem in Brixen, Bozen, Lana und Meran aufgehängt. Wer mithelfen will, die Plakate weiter zu verbreiten, findet sie hier: Aktion gegen Rassismus - OEW Plus -
Die Kampagne
Behandele ich Menschen verschiedener Hautfarbe möglicherweise unterschiedlich? Und wann habe ich das erste Mal überhaupt über Rassismus nachgedacht? Mit solchen Fragen setzte sich die Kampagne „Habe ich mich je gefragt…?” auseinander und hinterfragte Denkmuster. Das Netzwerk aus Armonia Latina, Centro Pace, CGIL, Forum Prävention, Jugenddienst Lana-Tisens, Magari und OEW startete die Initiative, die dazu auch die eigene Sichtweise auf die Welt ergründen und möglicherweise verändern möchte.
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Wo findet Rassismus im Alltag statt?
Rassismus ist ein strukturelles Problem, das alle Lebensbereiche durchzieht und unser Miteinander bestimmt, indem es Macht und Möglichkeiten ungleich verteilt. Rassismus zeigt sich in vielen Alltagssituationen, wobei Übergriffe nur die Spitze des Eisbergs sind.
Mit unserer Kampagne teilen wir Fragen, die wir uns selbst stellen, mit anderen: Kann es sein, dass wir, weiße Menschen, uns im Bus eher selten neben Schwarze Personen oder Menschen of Color setzen, dass wir Schwarze Menschen schneller duzen als weiße, dass wir letztere vielleicht bei der Vergabe einer Arbeit oder einer Wohnung bevorzugen...?
Solche Verhaltensmuster beruhen oft auf tief verankerten Denkmustern und laufen unbewusst ab. Auch wenn sie „nicht böse gemeint“ sind, haben sie eine Wirkung auf die betroffenen Personen.
„Wir können versuchen innezuhalten, um Gedanken oder Urteile, die sich uns aufdrängen, zu hinterfragen, bevor wir ins Handeln kommen.“
Wie lässt sich mit eigenen rassistischen Gedanken beziehungsweise Stereotypen angemessen umgehen?
Rassismus prägt sich von Klein auf ein, zum Beispiel durch die Bilder und die Sprache, die wir tagtäglich konsumieren. Wenn wir uns dessen einmal bewusst sind, können wir uns in Achtsamkeit üben. Wir können versuchen innezuhalten, um Gedanken oder Urteile, die sich uns aufdrängen, zu hinterfragen, bevor wir ins Handeln kommen.
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Was kann man als Außenstehender tun, wenn man auf Rassismus im Alltag trifft?
Eigentlich gibt es keine „Außenstehenden“. Denn auch, wenn ich ungewollt einen rassistischen Angriff miterlebe, bin ich Teil der Situation. Tue ich nichts, nehme ich Rassismus, eine Form der von Menschenfeindlichkeit, hin.
Werde ich hingegen aktiv, sollte ich zunächst herausfinden, was sich die Person, gegen die sich der Angriff richtet, von mir wünscht. Dabei gibt es viele Möglichkeiten, als verbündete Person zu handeln.Welche Bereiche sind möglicherweise besonders von Rassismus betroffen?
Alle Bereiche und alle Situationen sind in unserer Gesellschaft von Rassismus durchzogen. Es gibt allerdings Bereiche, die für die Lebensführung besonders relevant sind, wie zum Beispiel das Wohnen, das Arbeiten, die Bildung, die Freizeit.
„Rassismus ist eine Ideologie des Spaltens.“
Was macht Rassismus mit der Gesellschaft?
Rassismus ist eine Ideologie des Spaltens. Er teilt Gesellschaft nicht nur in Gruppen ein, sondern spielt sie auch gegeneinander aus. Die einen sollen mehr, die anderen weniger haben. Das ist natürlich Gift für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Wie kann man rassistische Denkmuster langfristig bekämpfen?
Wir müssen anfangen, einander zuzuhören.
Menschen, die nicht durch Rassismus benachteiligt werden, leben oft in einer Blase und nehmen Rassismus kaum wahr. Veränderung beginnt aber mit der Bereitschaft, eigene Sichtweisen zu hinterfragen – dabei können Bücher, Podcasts, Veranstaltungen oder Gespräche mit Menschen, die sich mit dem Thema beschäftigen, hilfreich sein.
Sich mit Rassismus zu beschäftigen, kann unangenehme Gefühle auslösen – etwa Verunsicherung, Abwehr oder Scham. Dennoch ist genau die Selbstreflexion, zu der auch unsere Kampagne einlädt, ein wesentlicher Schritt in Richtung auf ein respektvolles Miteinander und eine Gesellschaft, in der die Würde eines jeden Menschen gleichermaßen geachtet wird.
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