Wirtschaft | Nahverkehr
Südtiroler Strafanzeigen AG

Foto: upi
Mariano Claudio Vettori ist ein renommierter Anwalt. Lange war er Sozius in der Kanzlei von Siegfried Brugger. Später saß er mit dem zweiten ehemaligen Brugger-Partnern in einer Kanzlei: Christoph Perathoner. Perathoner ist seit Jahren Präsident der SAD Nahverkehrs AG. Mariano Claudio Vettori arbeitet seit 2015 ebenfalls für die SAD. Seit Oktober 2016 als Generaldirektor.
Bei Südtirols größtem privaten Nahverkehrsunternehmen kommt so eine explosive Mischung zusammen. Neben dem Haupteigentümer und CEO Ingemar Gatterer, dessen selbstbewusstes und resolutes Auftreten, mehr an einen feudalen Schlossbesitzer als an einen modernen Manager denken lässt, finden wir ein Anwaltsduo in der Rolle des Präsidenten und des Generaldirektors.
Dass diese neue SAD-Führung streitbar ist, exerziert man seit fast zwei Jahren durch. Klagedrohungen und Strafanzeigen scheinen inzwischen zur normalen Geschäftspolitik der SAD zu gehören. Im Fokus ist dabei vom Landeshauptmann abwärts fast jeder. Öffentliche Verwalter und Beamte, Gewerkschafter und jeder Kritiker. Unter anderem auch dieses Portal und der Autor dieser Zeilen.
Mit welchen Mitteln man dabei mitunter vorgeht, zeigt der bisher letzte Streitfall.
Am Mittwochvormittag kam es im Mobilitätsasssesorat zu einer Aussprache zwischen der SAD-Führung, Mobilitätslandesrat Florian Mussner, den zuständigen Landesämtern und den Gewerkschaften. Es ist das dritte Treffen auf einem Verhandlungstisch an dem man den Streit mit den SAD-Bediensteten lösen will.
Das Ergebnis der Aussprache, die auf der Streikfront endlich für Ruhe sorgen sollte, ist am Ende ganz etwas anderes. Generaldirektor Mariano Claudio Vettori teilte einen Tag später per Pressemitteilung mit, dass der SAD-Verwaltungsrat beschlossen hat eine Strafanzeige und eine Eingabe beim Rechnungshof gegen den Direktor des Arbeitsinspektorates Sieghart Flader zu machen.
Fladers Straftat
Das ganze ist fast schon ein surreale Geschichte. Eigentlich zum Lachen. Wäre da nicht der Aspekt der bewussten und fortlaufenden Einschüchterung öffentlicher Beamter. Eine Gangart, die für einen öffentlichen Konzessionär außer in Südtirol wohl nirgends lange geduldet würde.
Die Arbeitsinspektoren des Landes führten in den vergangenen Monaten Kontrollen bei der SAD durch. Dabei kamen nach Meinung des Landesamtes gravierende Verstöße gegen die Bestimmungen zu Tage. Die Inspektoren sind der Meinung, dass hunderte Fahrer die gesetzlich vorgesehenen Ruhezeiten nicht einhalten. Die Inspektion ist abgeschlossen. Das Arbeitsinspektorat wird in den nächsten zehn Tagen der SAD das Vorhaltungsprotokoll zustellen.
Genau das wollte Sieghart Flader zu Beginn der amtlichen Sitzung am Mittwoch mitteilen. Doch er kam nicht weit. Sofort wurde er von Mariano Claudio Vettori unterbrochen. Der Anwalt belehrte den Amtsdirektor, dass dieser über ein noch laufendes Verwaltungsverfahren kein Wort sagen dürfe. Sieghart Flader verbat sich die Unterbrechung und beendete seinen Bericht. Und das ist jetzt der Stein des Anstosses.
Die Strafzumessung
In einer Presseaussendung der SAD geht der Generaldirektor den Amtsdirektor frontal an. „Sein Verhalten verletzt jede Grundregel des zivilen Zusammenlebens“, echauffiert sich Mariano Claudio Vettori. Der SAD-Direktor spricht von „einem Betragen der Verwaltung, das an Verfolgung grenzt und absolut unverzeihlich sei“.
Doch dem nicht genug. Vettori, jetzt wieder ganz Anwalt und Strafverteidiger, liefert der Presse auch gleich sein persönliches Rechtsgutachten mit. Das heißt Anklage und Strafzumessung.
Demnach habe sich Sieghart Flader der „Verletzung des Amtsgeheimnisses“ (Art. 326) schuldig gemacht. „Auf diese Straftat steht eine Gefängnisstrafe von sechs Monaten bis drei Jahren“, doziert der SAD-Generaldirektor. Zusätzlich habe Flader aber auch gegen Verwaltungsbestimmungen verstoßen, die „es den Beamten verbietet Informationen über laufende Verwaltungsverfahren weiterzugeben“. Auch hier winkt der Anwalt mit dem Zaunpfahl: „Dieses Gesetz sieht für den schwerwiegende Rechtsverstoß, den der öffentliche Bedienstete begannen hat, eine Abmahnung, die Aussetzung des Gehaltes und den Verfall des Führungsauftrages vor.“
Gefährliche Vorverurteilung
Mariano Claudio Vettori scheint sich sehr sicher sein, dass die Staatsanwaltschaft, das Landesgericht und der Rechnungshof seine Auffassung teilen.
Denn es gibt eine ganze andere Interpretation des Vorfalls. Sieghart Flader hat keine vertraulichen Informationen weitergegeben, sondern im Rahmen einer amtlichen und der Vertraulichkeit unterworfenen Aussprache protokollierte Sachverhalte vorgetragen, die für alle am Tisch anwesenden Parteien nicht nur von Interesse sind, sondern die diesen vom Gesetz her in wenigen Tagen auch zugestellt werden müssen.
Setzt sich bei Gericht diese Auffassung durch, könnte es für die SAD teuer werden. Spätestens dann wird der SAD-Generaldirektor und Anwalt einen anderen Artikel im Strafgesetzbuch nachschlagen müssen: „Artikel 595 - Diffamazione“.
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