Umwelt | Glyphosat

„Die Bauern wollen keinem schaden“

Der Obmann des Bauernbundes Leo Tiefenthaler über die Suche nach Glyphosat-Alternativen, die Situation in Südtirol und die verzwickte Lage der Bauern.
Leo Tiefenthaler
Foto: SBB
Salto.bz: Herr Tiefenthaler, wie haben Sie den Monsanto-Prozess in den USA verfolgt und was halten Sie vom Urteil?
 
Leo Tiefenthaler: Grundsätzlich muss man sagen, dass die Höhe des Betrages beim Urteil schon sehr überraschend war. Jetzt müssen wir sehen, wie es weitergeht. Leider, und ich meine wirklich leider, ist es so, dass es sehr viele unterschiedliche wissenschaftliche Aussagen zu dem Thema gibt. Die einen sagen, der Wirkstoff könnte krebserregend sein, die anderen sagen, er ist nicht krebserregend. Auch wenn wir Experten in der Landwirtschaft sind, bei diesem Thema sind wir alle Laien. Und man tut sich wirklich schwer, mit diesen unterschiedlichen Aussagen zurechtzukommen. Wenn es eine inhaltliche Linie gäbe, wäre es für uns alle leichter, aber anscheinend kommt man zu keinem solchen Ergebnis, was das Tragische an der ganzen Geschichte ist.
 
Glauben Sie, dass das Urteil in irgendeiner Form auch Auswirkungen auf Südtirol haben wird?
 
Ich denke nicht. Die Entwicklung, dass man Alternativen zu solchen Pflanzenschutzmitteln sucht, wird stärker vorangehen.  Mit Forschung und Wissenschaft wird man sich in Zukunft noch mehr darauf konzentrieren, von Glyphosat und anderen Herbiziden wegzukommen. Diese Entwicklung hat aber schon vor Jahren eingesetzt.
Es gibt Kellereien in Südtirol, die schon vor zehn Jahren begonnen haben, komplett auf Herbizide zu verzichten.
Gibt es auch in Südtirol dementsprechende Bemühungen?
 
Ja, die gibt es. Ein Beispiel: Es gibt Kellereien in Südtirol, die schon vor zehn Jahren begonnen haben, komplett auf Herbizide zu verzichten. Jedes Mitglied, das freiwillig verzichtet, bekommt von der Kellerei jährlich einen bestimmten Betrag pro Hektar für die erhöhten Ausgaben. Schließlich braucht es dann mehr Handarbeit und mehr Maschinen, wenn man komplett von Pflanzenschutzmittel absieht. Ich kenne Betriebe, die schon weit über 70 Prozent ohne jegliche Herbizide arbeiten.
 
Wo und in welchen Mengen wird in Südtirol Glyphosat eingesetzt?
 
Solche Mittel werden eingesetzt, um Gräser und Unkraut zu vernichten, die mit den Pflanzen um Nährstoffe und Wasser konkurrieren. Vor 50 Jahren wurden sie noch flächendeckend eingesetzt, weil es keine Beregnungen gab und die Reben andernfalls vertrocknet wären. Heute gibt es zwar größtenteils Beregnungen, aber in bestimmten Lagen ist es immer noch nicht möglich darauf zu verzichten, auch wenn man es grundsätzlich will. Im Getreideanbau wurde es am meisten und mit der höchsten Dosierung eingesetzt und, was noch schlimmer ist, 14 Tage vor der Ernte. Das ist natürlich äußerst schlimm, weil es flächendeckend über den ganzen Bestand versprüht wurde und sich viel mehr Rückstände auf der Ernte befanden. Im Obst- und Weinbau wird es nur streifenweise eingesetzt um das Unkraut zu bekämpfen und kommt nie direkt mit den Früchten in Kontakt.
Allgemein gibt es in der Landwirtschaft die Tendenz, von den Herbiziden wie Glyphosat wegzukommen. Das ist aber leider nicht so schnell möglich, weil es keine wirklich guten Alternativen dazu gibt, sonst hätten wir es natürlich schon längst getan.
Im letzten Jahr wurde beschlossen, dass Glyphosat für weitere fünf Jahre verwendet werden darf. Halten Sie das für gerechtfertigt?
 
Allgemein gibt es in der Landwirtschaft die Tendenz, von den Herbiziden wie Glyphosat wegzukommen. Das ist aber leider nicht so schnell möglich, weil es keine wirklich guten Alternativen dazu gibt, sonst hätten wir es natürlich schon längst getan. Die Bauern sind die Letzten, die irgendwem schaden wollen, weder ihrem Boden noch ihrem Obst noch den Kunden. Aber jede Alternative hat wiederum Nachteile, mit denen man zurechtkommen muss. Oft versucht man jetzt mit Heißwasserdampf das Unkraut zu bekämpfen. Aber beim enormen Energieaufwand und dem Schaden, der den Lebewesen im Boden zugefügt wird, frage ich mich nur, ob es wirklich soviel umweltfreundlicher ist. Auch Maschinen sind eine Möglichkeit, aber auch diese benötigen sehr viel Energie, von den Kosten ganz zu schweigen. Aber ja, grundsätzlich sollte und wird man versuchen, von solchen Herbiziden wegzukommen.