Politik | SWZ und Klimaschutz

Kein Tropfen auf den heißen Stein

Auf uns kommt es wohl nicht an,ist eine gängige Meinung zum Klimaschutz,vor allem bei jenen, die sich in unserem Wasserkraft-verwöhnten Alpenlandl etwas zu sicher fühlen.
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Findet sich diese Haltung in der Südtiroler Wirtschaftszeitung, ist das schon bedenklicher. Südtirol will bis 2040 klimaneutral werden. „Die Maßnahmen kosten viel Geld“, kommentiert das R. Weißensteiner in der SWZ vom 28.7.23, „sind aber nutzlos, wenn der CO2-Ausstoß anderswo explodiert.“ Nein, sie sind es nicht. Die weltweiten Emissionen müssen bis 2030 um -45% sinken, und dann bis 2060 auf null, um dem 2°-Ziel noch eine Chance zu geben. Doch steigen sie derzeit immer noch. Die konkret verfolgte Politik deutet eher darauf hin, dass die Erderwärmung bis 2070 bei +3° landen wird. Weißensteiner hat damit recht, dass bisher zu wenig bis gar nichts getan wurde. Als Ausnahmen lobt er die EU, Australien, Neuseeland und mit Abstrichen Kanada. „Ist es zielführend und sinnvoll, wenn wir klimaneutral werden und gleichzeitig China und Indien das Gegenteil tun?“ fragt der SWZ-Kommentator…China hat erst kürzlich wieder Kohlekraftwerke errichtet und weitere 368 sind geplant.“ Ist die Klimapolitik der EU damit nutzlos, der Südtiroler Klimaplan als Teil Europas ein Schnitt ins eigene Fleisch?

China-Bashing unbegründet

Kein Zweifel: China verursachte 2021 30,9% des globalen Treibhausgasausstoßes und heute vermutlich schon ein Drittel. Die USA und die EU zusammen liegen bei 21%. Doch haben die USA und die EU zusammen nur etwa die Hälfte der Einwohnerzahl Chinas, weshalb pro Kopf betrachtet China „erst“ bei 7 t CO2 pro Kopf im Jahr liegt, die USA immer noch bei 15,4 t, Österreich bei mehr als 9 t und Südtirol wohl nur knapp dahinter, wenn man die grauen Emissionen einbezieht. für China müssen wir als Hauptabnehmer chinesischer Waren zugeben, dass die CO2-Emissionen der riesigen Exportmasse aus China dem Hersteller- und nicht den Verbraucherländern zugerechnet werden. Zudem gibt China so viel Geld für Erneuerbare Energie aus wie kein anderes. Von 2020 bis 2022 hat China 140 GW an Erneuerbaren dazu gebaut, die EU nur zwischen 30 und 40 GW. Damit hat China mehr Erneuerbare Energiekapazität gebaut als die EU, die USA und Indien zusammen. Den Kohleausstieg, das verschweigt Weißensteiner, wird auch die EU erst gegen 2050 schaffen, nicht nur China. Als weiteren mildernden Umstand für China muss man anerkennen, dass China Klimaneutralität bis 2060 zugesagt hat, also nur 10 Jahre später als die EU, die von einem ganz anderen Wohlstandniveau ausgeht. Bei den kumulativen CO2-Emissionen (vgl. mein Kommentar auf SALTO) liegt China schließlich zurück.

Kumulative CO2-Emissionen: der Westen vorne

Sieht man sich die historisch kumulierten CO2-Emissionen an, stecken wir als Teil eines Industrielandes wie die ganze OECD tief in der Verantwortung. Berechnet man nämlich die kumulativen CO2-Emissionen für den Bezugsraum 1850-2011, liegen die historischen Industrieländer immer noch vorne, während China erst bei 12% angelangt ist. Allein die USA und die EU-28-Länder zeichnen zusammen für mehr die Hälfte der heute in der Atmosphäre deponierten Treibhausgase verantwortlich.  Wenn sich die historischen „Hauptsünder“ aus der Verantwortung stehlen, wird der Rest der Welt noch weniger motiviert sein. Dann rückt Klimaneutralität tatsächlich in weite Ferne.

Klimaschutz ist verpflichtend.

LH Kompatscher hat bei der Vorstellung des Klimaplans Südtirol 2040 erneut deutlich betont: Klimaschutz ist nicht nur eine moralische Verpflichtung, sondern auch eine politische und rechtliche. Das Klimaschutzabkommen von Paris 2015 ist ein völkerrechtlich verbindliches Dokument, die EU hat ein für alle Mitglieder geltendes Klimaschutzgesetz (mit Programm „Fit for 55), Italien ist zur Klimaneutralität bis 2050 verpflichtet und hat einen allerdings noch unzureichenden CO2-Reduktionspfad dorthin definiert (PNIEC), die Regionen müssen Pläne zur nachhaltigen Entwicklung verabschieden, auch um in den Genuss verschiedener EU-Förderungsprogramm zu kommen ((z.B. FESR und ESF).  Nur ist bisher versäumt worden, allen Regionen zwingende Reduktionsziele vorzugeben, an welche Förderungen, aber auch Sanktionen geknüpft sind. Dass nun Kompatscher nicht diesem „scaricabarile“-Denken verfällt, sondern sich weiter vorwagt als die meisten anderen Regionen, ist ihm hoch anzurechnen. Umso mehr, als er unter permanentem Druck jener Kräfte steht, die ihm einreden: “Auf uns kommt es doch gar nicht an.“

Nutzlos ist Klimaschutz auch im Kleinen nicht

Mal abgesehen davon, dass der Klimawandel auch in Südtirol bereits massive Schäden anrichtet – man denke an den Borkenkäferbefall eines wachsenden Teils des Südtiroler Waldes – bringt Klimaschutz langfristig weit mehr als Nichtstun. Wenn beispielweise die Energieintensität der Südtiroler Wirtschaft und Gesellschaft um 1,7% jährlich sinkt, wie vom nationalen Klimaschutzplan vorgesehen (PNIEC, S.392) wäre viel gewonnen, weil auch die Rechnung für die importierte fossile Energie stark zurückgeht und weniger Geld abfließt. Wenn Südtirol bei Transport und Gebäudeheizung rascher elektrifiziert als andere, ist es in Zukunft besser aufgestellt, weil es weniger Geld für Energie ausgibt. Die „Auf uns kommt es nicht an“-Haltung ist also auch nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich kurzsichtig.

„Klima ade?“

„Klima ade?“ betitelt Robert Weißensteiner seinen Kommentar zum Südtiroler Klimaplan. In der Tat: wenn Südtirol unter dem Motto „sollen doch die anderen“ oder „Und China?“ den bequemsten Weg geht und alle übrigen 300 Regionen in der EU dasselbe tun unter dem Verweis auf den höheren CO2-Ausstoß einer anderen Weltregion, kann man den globalen Klimaschutz abschreiben. Dann klinken sich jene Länder aus, die historisch das Klimaschlamassel zu verantworten haben, dann machen die Entwicklungsländer erst recht nicht mit. Der Klimaschutz ist eine der gewaltigsten Herausforderungen an die globale politische Verantwortung gegenüber der Nachwelt. Wenn demokratische Länder und Regionen ihr nicht gerecht werden, dann echt „Klima ade!“. Gerade auf uns kommt es an.