Politik | Gemeindewahlen

"SVP nicht vom Tanzparkett fegen"

Dietmar Folie über seine Bürgermeisterkandidatur in Terlan, das Handwerk Politik und welche Chancen er sich und seiner Bürgerliste ausrechnet.
folie_handwerk.jpg
Foto: Dietmar Folie

salto.bz: Herr Folie, Sie sind selbstständiger Handwerker. Erfordert die Politik auch eine gewisse Handwerkskunst?

Dietmar Folie: Als Handwerker ist man es gewohnt, den Menschen zuzuhören, Probleme zu verstehen, mögliche Lösungsansätze herbeizuführen und diese auch umzusetzen. Und genau darum geht es in der Politik und besonders in der Gemeindepolitik auch, dass man Sachen umsetzt und weiterbringt, ohne endlose Diskussionen. Das kommt nicht an bei den Menschen. Es wird viel geredet, aber wenn es um die Umsetzung geht, dann fehlt oft der Mut, das Durchsetzungsvermögen und auch die Bereitschaft, untereinander einen Kompromiss zu finden. Und wir Handwerker haben da bestimmt ein gutes Rüstzeug. Wir sind es gewohnt, einem Kunden mit bestimmten Wünschen, ein gutes Angebot vorzulegen und dieses schlussendlich auch umzusetzen. So ist es auch in der Politik.

Apropos Umsetzung. Wie lautet Ihr Resümee nach 10 Jahren Erfahrung im Gemeinderat Terlan, zuerst in den Reihen der SVP und während der letzten fünf Jahre als Oppositionsvertreter? Was haben Sie bewegen können?

Obwohl ich anfangs in der Mehrheit war, habe mich damals eher in der Opposition gewähnt, als zuletzt (lacht). Das hat mich auch dazu bewogen, ein anderes Team zu wählen. Konkret haben wir es in den vergangen fünf Jahren bei Zukunft Terlan geschafft, die Menschen ein Stück weit mitzunehmen bei Projekten und sie darüber zu informieren, was vorher etwas gefehlt hat. Auch das Interesse am politischen Geschehen haben wir steigern können, wie man auch gerade jetzt in der Vorwahlzeit sieht und hört. Die Menschen müssen wieder Lust am Mitgestalten bekommen. Aber es liegt auch an uns politisch Aktiven zu zeigen, dass man sie mitnehmen will und es ernst meint mit der Umsetzung.

Als Handwerker ist man es gewohnt, den Menschen zuzuhören, Probleme zu verstehen, mögliche Lösungsansätze herbeizuführen und diese auch umzusetzen. Und genau darum geht es in der Politik. 

2015 wurde der Verein „Zukunft Terlan – Terlano domani“ aus der Taufe gehoben, dem dann auch die derzeitige Bürgerliste entsprungen ist. War das ein erster Schritt, um die Menschen mit ins Boot zu holen?

Den Ursprung hatte die Idee schon 2014 mit der Ausarbeitung eines Maßnahmenkatalogs, den wir der Gemeinde im Hinblick auf die neue Amtsperiode mitgeben wollten. Wir haben dann aber gesehen, dass wir, die mit den Bürgern ausgearbeiteten Themen, am besten werden umsetzen können, wenn wir es schaffen, selber zu kandidieren. Uns war immer wichtig, im Hintergrund ein Team von motivierten Menschen zu haben, die Interesse am politischen Geschehen zeigen, mitdenken und mitarbeiten wollen. Weiters wollten wir über das Politische hinaus auch Menschen aus dem Dorf einbeziehen, die eine gewisse Fachkompetenz mitbringen und über uns ein Sprachrohr erhalten im Gemeinderat. Das entpuppte sich auch als Vorteil für die Kandidatensuche, es war wie eine Schmiede für zukünftige Kandidaten.

 

Was ist Ihrer Ansicht nach, neben dem etwas fehlenden Gehör für die Anliegen der Bevölkerung, noch falsch gelaufen in Terlan während der letzten Jahre?

Wir haben intern ausgemacht, nicht über Vergangenes zu schimpfen, auch weil wir das nicht mehr ändern können. Wir konzentrieren uns lieber auf das, um was es jetzt und morgen geht und wie wir es machen würden.

Wie zum Beispiel?

Wir möchten verkehrstechnisch etwas innovativer werden, mit Rad- und Fußgängerwegen in den Ortszentren. Wir haben keine Radweganbindung, wir haben ein Gewerbegebiet, das von Betrieben verlassen wird, weil diese nicht erweitern können. Wir haben das Problem des Schwerverkehrs. Wir möchten mit mutigen Lösungen vermehrt verkehrsberuhigende Maßnahmen setzen.  Weiters setzen wir uns für eine Gesamtlösung ein, um der Entwicklung hin zum Schlafdorf entgegenzuwirken. Es wird massiv gebaut, viele Menschen ziehen nach Terlan, aber ihre Arbeitswelt und Freizeit sind nicht hier. Wir müssen also schauen, die Gemeinde für Betriebe attraktiv zu halten, damit attraktive Arbeitsplätze hierbleiben. 

Bestimmten Menschen wird man immer auf die Füße steigen, aber es gibt immer eine Gewöhnungsphase, bis es dann ein Mehrwert für alle wird.

Bei allem was wir tun, ist es uns wichtig, die Bürger und vor allem die Anrainer, mitzunehmen, sie zu involvieren, bevor der Plan steht. Die Ideen der Bürger sind wichtig, an diesen wächst man selber. Indem man die Bevölkerung einbezieht, zum Beispiel über einen Bürgerhaushalt oder die Fragemöglichkeit bei Ratssitzungen, kann man vielleicht auch kritische Stimmen vermehrt überzeugen.

In der nun endenden Legislaturperiode waren Sie mit 5 Frauen und Männern im Gemeinderat von Terlan vertreten. Das war die Hälfte der sich ursprünglich der Wahl stellenden Kandidaten der Bürgerliste. Nun treten Sie mit einem Team von 21 Kandidaten an, darunter 12 Frauen. Mehr, als die SVP vorzuweisen hat. Sie sind also besser aufgestellt, als die Konkurrenz?  

Ich habe Respekt vor allen, die sich in dieser Zeit exponieren und etwas bewegen wollen, egal von welcher Partei sie kommen. Jeder bringt seine Kompetenzen und Lebenserfahrungen mit. Deswegen hat jeder das Zeug, sich einzubringen und in gewisser Hinsicht etwas zu bewegen. Es geht nicht darum, wer der Bessere ist, sondern es geht um den Wettbewerb der Ideen. Unsere Mitbewerber haben weniger Kandidaten und deshalb vielleicht weniger Stimmenpotenzial. Die Wähler haben aber das letzte Wort und sollen entscheiden, wer die besseren Kompetenzen hat, die Gemeinde weiterzubringen.

 

Vor 5 Jahren konnten Sie bei der Wahl zum Bürgermeister ein Drittel der Stimmen auf sich vereinen. Nun mit dem Abgang des scheidenden Bürgermeisters Klaus Runer stellen sich zwei SVP-Kandidaten der Wahl. Ihre Chance?

Es kann alles passieren. Man hört es auch aus der Bevölkerung. Wir setzen aber ohnehin auf den Teamcharakter. Wer mir seine Stimme gibt, der wählt nicht eine Person, sondern der wählt ein 21-köpfiges Team, auch wenn nicht alle in den Gemeinderat kommen können. Es bleiben nicht nur die Gemeinderäte übrig, sondern auch Kollegen- und Kolleginnen im Hintergrund. Wir haben ein Programm, hinter dem alle geschlossen stehen. Es ist im Grunde fast zweitrangig, wer hineinkommt. Unsere Chancen sind gut, die Stimmung im Dorf steht auf Veränderung. Die Frage ist, wem die Bevölkerung das Vertrauen schenkt, eine Veränderung herbeizuführen.

In einem kürzlich erschienen salto-Interview, sprachen drei Exponenten der Jungen Generation der Terlaner SVP über Ihre Vorhaben, unter anderem, einen Wandel innerhalb der SVP bewirken zu wollen. Wie schätzen sie die Wahrscheinlichkeit einer solchen Veränderung ein?

Wenn die SVP massiv an Federn verliert, dann kann auch intern etwas verändert werden. Wenn sie aber die absolute Mehrheit wiedergewinnt, dann wird es so weitergehen, wie zuletzt. Abzuwarten bleibt, inwieweit sich die SVP öffnen muss, im Hinblick auf andere Kräfte, um regieren zu können. Da sehe ich schon die Möglichkeit, dass die Jungen etwas bewegen können. Das hängt aber auch davon ab, wer von ihnen in den Gemeinderat gewählt wird. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass es einige Zeit dauert, bis man versteht, wie die Arbeit im Gemeinderat abläuft, wenn man erstmals hineingewählt wird.

Wir treten nicht an, um die SVP vom politischen Tanzparkett wegzufegen. Es geht darum, den Stil in unserer Gemeindepolitik zu ändern und aufzuzeigen, dass es auch anders geht.

Ohne Kraft von außen ist also nur schwerlich ein Wandel denkbar?

Wenn wir jetzt stark werden, dann würde ihnen das sicher helfen, intern etwas ändern zu können. Und das muss auch das Ziel sein. Wir treten nicht an, um die SVP vom politischen Tanzparkett wegzufegen. Es geht darum, den Stil in unserer Gemeindepolitik zu ändern und aufzuzeigen, dass es auch anders geht.

Die Bürgerliste ist also offen dafür, mit der SVP gemeinsam, kooperativ Politik zu betreiben?

Zusammenarbeit ist wichtig, darum geht es unterm Strich. Aber es muss auf beiden Seiten der Wille da sein und es bedarf einer neuen Kultur im Gemeinderat, unter Einbeziehung der Bürger. Schlussendlich hängt es auch von den Mehrheiten ab, ob du deine Mitbewerber in das Boot holen musst oder es mit deiner eigenen Kompetenz und den eigenen Leuten versuchen kannst. Da hat dann der Wähler das letzte Wort.

Sie sind Sprecher des Netzwerks Bürgerlisten, das Bewegungen aus 40 Gemeinden zusammenbringt. Welche Vorteile bringt diese Vernetzung?

Das Netzwerk ist in erster Linie geboren, um im Vorwahlkampf, wo es um Bürokratisches geht, einen Erfahrungsaustausch zu ermöglichen. Die Bürgerlisten haben keine Mutterpartei, die alles schlüsselfertig präsentiert. Über das Netzwerk können erfahrene Bürgerlisten jenen helfen, die zum ersten Mal dabei sind. Der Mehrwert liegt im Austausch. Jedes Dorf hat individuelle Bedürfnisse, es gibt aber durchaus Schnittpunkte, wo man voneinander lernen kann. So können wir mehr Vielfalt in die Gemeindestuben bringen und erhöhen die Sichtbarkeit auf Landesebene.

Wie zuversichtlich sind Sie, die Vorherrschaft der SVP zumindest in einigen Gemeinden zu brechen?

Die Tendenz geht hin zu weniger Parteien und mehr Bürgerlisten in den Gemeindestuben. Der Wunsch der Wähler lautet oft, nicht nach Parteien zu wählen und wir bedienen das glaube ich auch ein Stück wenig. Bei uns steht keine Parteipolitik im Vordergrund. Wir können frei entscheiden, sind unabhängig. Das ist sicher ein Vorteil der Bürgerlisten.

Der Mehrwert liegt im Austausch. Jedes Dorf hat individuelle Bedürfnisse, es gibt aber durchaus Schnittpunkte, wo man voneinander lernen kann. So können wir mehr Vielfalt in die Gemeindestuben bringen und erhöhen die Sichtbarkeit auf Landesebene.

2018 haben Sie sich um einen Platz im Südtiroler Landtag beworben, damals im Team K. Gibt es keinerlei Unterstützung seitens der Landespartei für ihre Bürgerliste?

Es gibt keine. Es war zwar Thema bei uns, wir sind aber zum Schluss gekommen, dass es auf Ortsebene am besten ist, neutral zu bleiben. Bei mir war es 2018 auch eher eine Unterstützungskandidatur, ich hatte das Gefühl, es brauche eine Veränderung auf Landesebene. Mein Ziel war aber nie eine politische Karriere im Landtag. Hier vor Ort gibt es genug zu tun und das ist es, wofür ich mich mit voller Kraft einsetze.