Sanität: Wie geht es weiter?
In den letzten Wochen war Gesundheitslandesrätin Martha Stocker im ganzen Land unterwegs, um die Leitlinien der Gesundheitsversorgung Südtirol 2020 an den Krankenhäusern von Bozen, Brixen, Sterzing, Bruneck, Innichen, Meran und Schlanders den Mitarbeitern vorzustellen. Es kam zu Protesten, vor allem in Innichen und Sterzing, wegen der angekündigten Schließung der Geburtenabteilungen, aber auch, weil man sich übergangen und nicht informiert sah. "Ich wäre ja kein Mensch, wenn mich diese Proteste nicht mitgenommen hätten," sagte Martha Stocker den Medien. Ihr sei klar, dass es nun an ihr liege, den Ball "Sanitätsreform" einigermaßen ins Tor zu lenken, auch wenn dieser Ball mit den Jahren und Jahrzehnten des politischen Aussitzens immer schwerer geworden ist. Die vor ihr zuständigen Gesundheitslandesräte Otto Saurer und Richard Theiner hätten Gelegenheit gehabt, die Neuerungen bei den Krankenhäuser und in den Sprengeln anzugehen, doch das geschah nicht.
"Ich wäre ja kein Mensch, wenn mich diese Proteste nicht mitgenommen hätten."
Landesrätin Stocker zog nun auf der Pressekonferenz am 16. Oktober Bilanz zu den Treffen der letzten Wochen: "Die öffentliche Diskussion hat sich fast ausschließlich auf die Schließung der Geburtenabteilungen in den Kleinspitälern beschränkt. Die erarbeiteten Entwicklungsleitlinien beinhalten aber ein ganzes Paket an Maßnahmen, und die Frage nach dem Fortbestand der Geburtenabteilungen ist nur ein Aspekt. Ich verstehe, dass gerade mit diesem Thema starke Emotionen in der Bevölkerung verbunden sind, aber hier sind uns die Hände am stärksten gebunden, da wir uns an die staatlichen Vorgaben halten müssen". Doch habe sie auch feststellen können, dass ein breiter Konsens dahingehend besteht, Maßnahmen zu setzen müssen, wenn es künftig ein hochwertiges öffentliches Gesundheitswesen geben soll. "Ich habe eine fast einhellige Zustimmung zur Reorganisation des Territoriums, zur Verbesserung der Abläufe und Leistungen sowie zur Verwaltungsreform erhalten", erklärte Landesrätin Stocker.
Ihr sei es gelungen, in kurzer Zeit ein klar konturiertes Konzept für die Gesundheitsreform zu erarbeiten. "An diesem Konzept haben sehr viele mitgearbeitet, vor allem Experten aus der klinischen Praxis und Mitarbeiter aus allen Bezirken mit sehr viel Erfahrung in allen Arbeitsbereichen. Eingeflossen sind aber auch Vorschläge und Ideen, die uns via E-Mail von Seiten der Mitarbeiter und der Bevölkerung zugesandt worden sind. Dass der Vorschlag zum Stufenmodell in der klinischen Betreuung zu Kontroversen führen würde, war abzusehen und auch unvermeidbar. Unterschiedliche Meinungen gibt es vor allem darüber, wo in Zukunft welche Leistung angeboten werden soll", so Stocker.
"Die öffentliche Diskussion hat sich fast ausschließlich auf die Geburtenabteilungen beschränkt".
Die Peripherie solle nicht zugunsten der Zentren benachteiligt werden, präzisierte die Landesrätin. Es soll ein Netzwerk entstehen, bei dem jedes Krankenhaus eine eigene Rolle spielt, die Verwaltung solle mehr noch als bisher einheitlich geschehen. In ihrer Gesamtheit zielen die Leitlinien der Gesundheitsversorgung darauf ab, die zu erwartenden Kostensteigerungen der nächsten Jahre einzudämpfen. Allein durch die kontinuierlichen Preissteigerungen kämen auf das Land Südtirol bis zum Jahr 2020 für das Gesundheitswesen Mehrausgaben von 120 Millionen Euro zu. Diese sollten jedoch laut Stocker auf die Hälfte beschränkt werden. Sollte dies nicht gelingen, riskiere man das jetzt gut funktionierende Gesundheitsystem nicht mehr finanzieren zu können: "Und ich möchte nicht den kommenden Generationen erklären müssen, wieso wir nichts unternommen haben, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, solange dafür noch die Möglichkeit bestand," so Stocker.
Die nächsten Schritte der Marschroute "Gesundheitsreform" sind bereits geplant: Bereits in diesen Tagen werden die Direktoren der Gesundheitsbezirke beauftragt, sich mit den Gemeinden- und Bezirksvertretern zu treffen, um gemeinsam eigene strukturierte Vorschläge zur Kosteneinsparung und Reorganisation zu erarbeiten. Dabei sind die Finanzierbarkeit, Sicherheits- und Qualitätsstandards sowie der rechtliche Rahmen zu berücksichtigen. Die Vorschläge sollen dann bis zum 24. November vorgelegt werden. Die Auswertung der Vorschläge wird bis Ende des Jahres geschehen.
Am 22. Oktober findet ein Treffen zwischen Landesrätin Stocker und der italienischen Gesundheitsministerin Beatrice Lorenzin in Rom statt. Dabei sollen neben den Vorgaben der Spending Review zum seit 2012 geforderten Bettenabbau und der Anerkennung der Facharztausbildung auch die vorgesehene Schließung der Geburtenabteilungen zur Sprache kommen, um erneut abzuklären, ob für Südtirol vielleicht doch noch eine Ausnahmeregelung gefunden werden kann.
Mitte November wird Professor Alberto Pasdera eingeladen, die Inhalte seiner Untersuchung und seines Datenbankmodells zu den Standardkosten an den Südtiroler Krankenhäusern vorzustellen.
Ende November, voraussichtlich am 27. oder 28.11. ist zudem eine Anhörung im Landtag geplant, bei der die Daten und Fakten abermals vorgestellt werden und auch Beispiele und Erfahrungen aus den Nachbarregionen genauer veranschaulicht werden sollen.