Kultur | Salto Afternoon

Liebe, D-Mark und Tod

"Docu.emme" ging mit der Doku "Liebe, D-Mark und Tod" in die Winterpause. Gezeigt wurde ein Dokumentarfilm über den Einzug türkischer Musik nach Deutschland.
Liebe, D-Mark und Tod
Foto: Stadtkino Verleih

Der reiche, wirtschaftlich florierende Staat Deutschland hat seinen Status in der Welt nicht aus eigenen Kräften zementiert. Behilflich waren ihm unter anderem Heerscharen von Gastarbeitern, die seit den 1960er Jahren aus Ländern wie Griechenland, Jugoslawien, oder der Türkei ins Land kamen. Zumeist männlich, jung, auf der Suche nach Arbeit. Die sie fanden, die sie ausführten, die so Deutschland zu neuer Stärke verhalfen. In einem türkischen Protestlied aus jener Zeit heißt es: „Es wurden Arbeiter gerufen, doch es kamen Menschen an“. Die brachten ihre Kultur mit, und insbesondere, die Musik. Darum, und was seitdem geschehen ist, erzählt der Film „Liebe, D-Mark und Tod“ des deutschen Filmemachers Cem Kaya.
 

Ihre Lieder und Alben wurden und werden bis heute zumeist auf Kassetten weiterverbreitet, waren begehrt innerhalb der türkischen Community in Deutschland.


Der Film beginnt mit einer Abfolge greller Schriften, der Titel, die Credits. Bunt sind auch die Texte, die Kaya immer wieder als Zwischentitel verwendet, um etwa historische Entwicklungen in einem Satz zusammenzufassen. Die visuelle Gestaltung erinnert entfernt an Gaspar Noé, und steht im Kontrast zum Alltag der türkischen Gastarbeiter. Die in Deutschland ankamen und unter teils prekären Umständen die Arbeit aufnahmen. Schlechtere Bedingungen als sie die deutschen Staatsbürger hatten, lange Arbeitszeiten etwa, und ein geringerer Lohn. Dazu kommt die Sprachhürde, und die zerplatzten Träume, die fern in der Heimat heraufbeschworen wurden, Luftschlösser der Hoffnung, in ein vielversprechendes Deutschland einzureisen. Die wenige Freizeit, die blieb, wollte gestaltet werden. Doch in den Bahnhofshallen, den „Wartesälen des Heimwehs“, wollte man die Gastarbeiter nicht, in den deutschen Lokalen ebenso wenig. Also wurde viel auf Straßen herumgestanden, ehe man sich in eigene Lokale zurückzog. Die Musik, die dort gespielt wurde, war von sozialpolitischen Umständen geprägt. Die Situation der Arbeiter wurde thematisiert, die Sehnsucht nach der türkischen Heimat, der Schmerz hinsichtlich der Trennung von den Liebsten, Frau, Kinder, was man eben so liebt. Einige der bekanntesten Stimmen jener Zeit kommen in der Dokumentation zu Wort. Und kommen sie es nicht, da sie bereits verstorben sind, jung oder alt, wird mit glühenden Augen über sie berichtet. Yüksel Ozkasap, Cavidan Ümal, Cem Karaca, um nur die Spitze des Eisbergs zu nennen. Ihre Lieder und Alben wurden und werden bis heute zumeist auf Kassetten weiterverbreitet, waren begehrt innerhalb der türkischen Community in Deutschland. Bis sie ihren Weg in den deutschen Mainstream fanden, sollte es noch etwas dauern. In der Türkei selbst waren sie große Stars, in Deutschland mussten sie von Anfang an neu beginnen.

 

Trailer


Mit der Rezession in den 1980ern stieg auch der Fremdenhass. Schon in den Jahren zuvor galten die Gastarbeiter für viele Deutsche als notwendiges Übel, nun jedoch schien man großflächig zu vergessen, wer maßgeblich für den deutschen Wohlstand mitverantwortlich war. Von da an folgte eine Reihe an Anschlägen, Diskriminierung war wieder en vogue. Das führte zu einer weiteren Welle musikalischen Protests, dieses Mal jedoch vermehrt durch den aufkommenden Hip-Hop. Der sorgte schließlich dafür, dass die türkische Musik in den Mainstream fand. Doch das sollen die Protagonisten des wundervoll authentisch erzählten und bebilderten Film selbst erzählen. Jene, die dabei waren, die sich erinnern, in der Erinnerung schwelgen, manchmal recht nostalgisch, manchmal mit Erleichterung in der Stimme. Der Film ist ihnen und ihrer Identität nahe gekommen, man fühlt sich eingeladen, einen Blick zu werfen, und das Ohr in Richtung der oftmals melancholischen, oftmals fröhlichen Musik zu wenden. Das Sehen und das Hören lohnen sich, sie zeigen ein Stück türkischer Geschichte, die gleichzeitig untrennbar auch ein Stück deutsche Geschichte wurde. Mit all ihren glücklichen Momenten, den Sorgen und Nöten und der Trauer. So sind die drei Kapitel des Films weise gewählt. Liebe, D-Mark und der Tod.