Politik | Wendehälse

Der Veith des Mülls

Der Fall Mals zeigt, wie untreu sich der Landesrat für Landwirtschaft ist. Als Bürgermeister von Plaus gelang es Arnold Schuler 1990 ein Staatsgesetz auszuhebeln.

Der Beschluss des Gemeinderats von Mals zum Pestizidverbot am 7. Jänner war ein Musterbeispiel von feiger Politik. Die Mehrheit gegen den Volksentscheid fand sich keineswegs im aufrechten Gang: Gemeinderäte blieben der Abstimmung fern, andere enthielten sich ihrer Stimme. Nur so gelang es den Kritikern das Pestizidverbot zu verhindern.
Josef Noggler, Landtagsabgeordneter und offenbar reformfauler Bauer, hat aus dem Hintergrund heraus den Malsern dieses faule Ei ins Nest gelegt. Das andere faule Ei stammt von seinem Freund Arnold Schuler.

Der Landesrat für Landwirtschaft hat die Verhinderung des Pestizidverbotes begrüßt und seine Erleichterung zum Nein für ein Pestizidverbot mit den fehlenden gesetzlichen Rahmenbedingungen begründet.
Arnold Schuler verrät damit seinen ersten landesweiten politischen Erfolg.

Schuler ist also kein Malser. Mehr.

Er schrieb damals das Jahr 1990. Eines der großen Themen, die den politischen Betrieb in Südtirol befassten, waren die Müllberge. Der Schweizer Experte Walther Ryser legte 1989 im Auftrag des Landes Südtirol unter Umweltlandesrat Erich Achmüller das Abfallkonzept 2000 vor, das den Sockel für die Südtiroler Abfallpolitik von heute darstellt. Damit wurde die Trennung der Wertstoffe in Südtirol eingeleitet.

Für den Restmüll aber hatte Südtirol zu jener Zeit keine Zuständigkeit. Die Abfälle wurden der Bevölkerung mit der Müllsteuer verrechnet. Diese war mit einem Königlichen Dekret von 1925 geregelt: Haushalten wurde der Müll nach einem Quotienten vorgerechnet, der – vereinfacht gesagt – aus der Fläche ihrer Wohnung und aus der Anzahl der darin lebenden Personen zusammengesetzt war.

Da bekanntermaßen die Wohnfläche nichts mit der Menge der verursachten Abfälle zu tun hat, murrten viele Bürger über diese Willkür. Dieses Murren bekamen die Gemeindepolitiker nicht nur zu hören, sondern angesichts der sich zuspitzenden Müllproblematik auch ab. Was aber sollten sie und das Land ohne Zuständigkeit tun?

Plaus setzte seine Abfallregelung 1990 tatsächlich um. Im völlig rechtsfreien Raum.

Dem damals 30-jährigen Bürgermeister von Plaus stank das. Er sollte etwas verantworten, das er selbst absurd fand. Schuler wehrte sich und startete eine umwelttechnische Revolution, die später auch gebührend gefeiert wurde.
Seinen Gemeinderäten schlug er als Bürgermeister vor: "Wir vermieten den Haushalten die Container." In Folge sollte jeder Haushalt nur jene Menge an Müll zahlen, die vor seinem Haus abgeholt wurde. Müllvermeider wollte man mit niedrigen Kosten belohnen, Abfallverschwender sollten umsomehr zahlen – die Müllsteuer würde damit ignoriert, ein Mülltarif pro Entleerung eingeführt.
Plaus setzte seine Abfallregelung 1990 tatsächlich um. Im völlig rechtsfreien Raum.

Schuler brauchte notgedrungen Rechtssicherheit. Um rechtens zu werden, brauchte der Plauser Beschluss einen römischen Sichtvermerk. Da er aber das Dekret des Staates verletzte, war damit nicht zu rechnen. Der Reformer erntete bei den Landtagspolitikern zwar Sympathien, aber vor allem Kopfschütteln. Aus der Patsche helfen wollte ihm keiner und er hörte mehrfach diesen einen Satz: "Es fehlen die rechtlichen Rahmenbedingungen."

Es fehlen die rechtlichen Rahmenbedingungen.

Doch Schuler erhielt aus dem damaligen Landesamt für Gemeindenaufsicht Rückendeckung. Dessen Direktor Siegfried Rainer sah zwar, wie hoffnungslos das Anliegen war. Allerdings unterstützte er den hartnäckigen Rebell. Rainer drückte angesichts dieser Gesetzesunterwanderung alle Augen zu – und griff auf einen altbewährten Trick zurück.
Der Direktor wartete, bis sich ein dicker Stapel an neuen Verordnungen angesammelt hatte, die allesamt den römischen Sichtvermerk brauchten. Die einzige Chance war: Das Plauser Müllreglement könnte inmitten dieses dicken Stapels den nötigen Vermerk erhalten, ohne dass das Papier in Rom gelesen werden würde. Ein blinder Passagier, gewissermaßen.
Die Sache ging tatsächlich durch.

Arnold Schuler hat als Plauser Bürgermeister einen Meilenstein in Südtirols Abfallwirtschaft gesetzt: Nach dem Vorbild von Plaus wurde wenige Jahre später in ganz Südtirol das Verursacherprinzip eingeführt.

24 Jahre später sucht der Bürgermeister von Mals Ulrich Veith einen Weg, das Volksvotum zum Pestizidverbot umzusetzen. Veith stößt aber auf einen wie Landesrat Schuler, der dann sagt: "Es fehlen die rechtlichen Rahmenbedingungen."

Schuler ist also kein Malser. Mehr.