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Fragmente einer Behausung

Oswald Waldner überrascht uns mit einem ersten längeren Prosaband – und eine zarte, einfühlsame Prosa. Ein Gastbeitrag aus der Zeitschrift „Kulturelemente“ (#162).
Fragmente einer Behausung
Foto: alpha beta / salto.bz

von Toni Haller Pixner

Oswald Waldner, in der Literaturszene schon seit langem aktiv, einer der Gründer der Südtiroler Autorinnen und Autoren Vereinigung (SAAV), überrascht uns dieses Jahr mit einem ersten längeren Prosaband. Auf der Rückseite des Covers steht nackt, lapidar und nüchtern: „Du wirst nirgendwo zu Hause sein, wenn du nicht in dir zu Hause bist.“ Dieser Satz wirkt auf mich erst mal wie eine kalte Dusche, leicht irritiert klappe ich diese Neuerscheinung auf ... und bin sofort gefesselt, lasse mich sogartig hineinziehen in diese „Aufzeichnungen“. Eine zarte, einfühlsame Prosa, ohne Knallfrosch-Effekte, eine Sprache, die sich auf behutsamen, leisen Katzenpfoten durch die Seiten vorantastet. Der Text zwingt zur Reflexion, zur Innenschau, zur Betrachtung, nahezu meditativ umkreist er das zentrale Motiv der „Behausung“, wir finden uns in unbequemen Wohnungen wieder, in Höhlen, auf Promenaden, im Wald, im Seniorenheim, im Stadtdschungel und in dörflichen Idyllen, um nur einige der vielen „Behausungs-Orte“ zu nennen, und ständig überrascht uns der Protagonist (ein Schauspieler) mit seiner sezierenden und differenzierenden Optik, mit seiner behutsamen Beobachtungsgabe.
Streckenweise klingt Waldners Prosa wie der späte – jetzige – Handke, auch sehe ich Parallelen zu Marie Luise Kaschnitz’ Orte. Aufzeichnungen, oder Dostojewskijs Aufzeichnungen aus einem Totenhaus, das sind wohl persönliche Assoziationen, genauso wie mir Walden von Henry D. Thoreau in den Sinn kommt, jener schreibende Philosoph, der seine radikalen Experimente mit sich selbst macht, der die ihn umgebende Natur und den darin heimatlos herumirrenden Menschen unter die Lupe und aufs Korn nimmt.

Waldners Schauspieler ist auch Schlafwandler, Träumer, nicht nur scharfer Beobachter. Er lässt sich von Träumen inspirieren, lässt sich von ihnen auf andere Ebenen der Wahrnehmung führen. Auch bricht er einige prächtige Lanzen fürs Tierreich, welches unsere „Behausungen“ mehr bereichert als bedroht.
Wer in Waldners Prosa eintaucht, mit ihm mitgeht, wird seinen eigenen Spürsinn neu entdecken, vielleicht sogar neugieriger werden auf die „Existenz“ an und für sich. Der Autor scheint philosophisch beschlagen zu sein, nicht mehr ganz jung, umso reicher sein Erfahrungsschatz, auf den er zurückgreifen könnte und es auch tut. Er tastet ab, pirscht sich heran an „fragmentarische“ Befindlichkeiten des post-modernen Menschen, der sein Leben lang Ausschau hält nach jener (vom Schicksal?) ihm zugewürfelten Behausung.
Es bleibt zu hoffen, dass Oswald Waldner tüchtig weiter schreibt!

Oswald Waldner, «Fragmente einer Behausung. Eine Aufzeichnung»
Edizioni alphabeta Verlag, 2021. 230 Seiten

salto.bz in Zusammenarbeit mit Kulturelemente.