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Gesellschaft | Katholische Eiferer

Die heilige Familie

Ein erzkatholischer Kongress in Verona offenbart eindrücklich die tiefe Kluft zwischen Italiens Regierungsparteien.
Der 38-jährige Familienminister Lorenzo Fontana gilt als leghista doc.  Sein Weltbild orientiert sich an abendländischen Werten und katholischem Fundamentalismus.  Homosexualität hält er für eine folgenschwere Fehlentwicklung. So kann es kaum verwundern, dass Fontana seine Heimatstadt Verona als Tagungsort für den World Congress of families angeboten hat, eine erzkonservative Organisation, die "die natürliche Familie für den einzigen stabilen Faktor der gesellschaftlichen Entwicklung" hält und die "Schönheit der christlichen Ehe" zelebriert. Im Übereifer des Gefechts unterliefen  dem Minister und Lega-Vizechef jedoch einige Fehler. Etwa die auf das Plakat gedruckte  Schirmherrschaft der italienischen Regierung für die Tagung. Premier Giuseppe Conte dementierte sichtlich verärgert. Es war der Beginn eines Schlagabtauschs, der die weltanschauliche Distanz zwischen den zwei Regierungsparteien so schonungslos offenlegte wie kaum je zuvor.
 
"E`una riunione di sfigati", wetterte M5S-Staatssekretär Stefano Buffagni: "La nostra idea di famiglia è diversa da quella che andrà in scena a Verona, da medioevo". Gesundheitsministerin Giulia Grillo: "Sono totalmente distante da questa manifestazione ideologizzata." Auch Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio heizte die Polemik an: "Si prepara il festeggiamento diun medioevo. Figuriamoci se può rappresentare la mia idea di paese." 
Im Vorfeld der Veranstaltung haben mehrere Kongressredner ihre Ansicht zur Homosexualität geäussert. So etwa die Gynäkologin Silvana De Mari: "L`atto sessuale tra due persone dello stesso sesso è una forma di violenza fisica usata anche come pratica di iniziazione al satanismo." Eine Überzeugung, die vom Vertreter der russisch-orthodoxen Kirche und Tagungsredner Dimitri Smirnov geteilt wird: "Ci siamo separati dagli omosessuali come dalla peste, perché e contagiosa.
 
Mehrere Dutzend Frauenorganisationen sowie CGIL und Arcigay kündigten Kundgebungen gegen den Kongress an und forderten die Region Venetien auf, die Schirmherrschaft für die Veranstaltung zurückzuziehen. Präsident Luca Zaia lehnte ab und betonte gleichzeitig, keine homophobe Einstellung zu haben. Auch Vizepremier Matteo Salvini kündigte seine Teilnahme an dem Kongress an – bizarr genug: denn der Lega-Chef ist meilenweit entfernt von den puritanischen Idealen des World Congress of families, dessen amerikanischer Präsident Brian Brown stolz auf seine neun Kinder verweist.
 
Italiens Vizepremier hat deren nur zwei, aber von verschiedenen Frauen, von denen er mittlerweile getrennt ist. Und auch die im Internet zur Schau gestellten Fotos, die den Innenminister nackt im Bett der TV-Moderatorin Elisa Isoardi zeigen, dürften kaum den prüden Moralvorstellungen der Organisation entsprechen, die in ihren Statuten "Sex ausserhalb der Ehe als Missbrauch" brandmarkt. Nun wird befürchtet, dass Demonstranten bei der Kundgebung am 30. März genau jene Fotos hochhalten. Um damit einmal mehr zu beweisen, dass Heuchelei im katholischen Lager auf eine lange Tradition zurückblicken kann. Familienminister und Veranstalter Lorenzo Fontana leugnet die Realität schlicht weg "Le famiglie arcobaleno non esistono."
 
So hat die umstrittene Tagung in Verona  bereits vor ihrem Beginn ein unbeabsichtigtes Ziel erreicht: sie hat auf eindrückliche Weise demonstriert, wie tief der weltanschauliche Graben ist, der die beiden Regierungsparteien voneinander trennt. Und auf welch dünnem Eis sich die Koalition bewegt.