Ich seh, Ich seh den Wald nicht mehr
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Oberösterreich, um 1750. Eine bäuerliche Ortschaft. Ein Baby wird gestohlen, die Diebin trägt es in den angrenzenden Wald, und als Zuschauer*in befürchtet man schon das Schlimmste. Des Teufels Bad heißt ja der Film, und die erste Assoziation führt zu patriarchalen Vorstellungen von Hexen. Gibt es ein Menschenopfer? Ja, im Prinzip schon, aber doch anders als zunächst angenommen. Denn die Frau, die sich im Anschluss an ihre Tat selbst ausliefert, ist keine Hexe, auch wenn jemand wie sie zu dieser Zeit vielleicht gerne als solche bezeichnet wurde. Nein, sie ist „nur“ eine verzweifelte Frau, die sterben möchte, gleichzeitig aber nach ihren Tod nicht in die Hölle kommen soll. Und wie jeder weiß, ist der Zugang zum Himmelreich Selbstmörder*innen verschlossen. Der Ausweg: Eine Anklage, ein Urteil, eine Hinrichtung.
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Eine unbekannte Geschichte
Nach dem Prolog nimmt der Film von Veronika Franz und Severin Fiala die junge Frau Agnes in den Blick. Sie wird verheiratet, und bezieht ein wenig einladendes Häuschen am Waldrand gemeinsam mit ihrem neuen Gatten. Es versteht sich von selbst, dass 1750 die Verhältnisse andere waren. Insbesondere zwischen Mann und Frau geht es anders zu, auch Frauen, insbesondere Mütter, begegnen Agnes mit Abneigung. Sie distanziert sich zunehmend, ist sehr religiös und empfindsam, und leidet vermutlich an dem, was wir heute Depressionen nennen. Angstzustände prägen ihren Alltag, der sonst mit harter Arbeit ausgefüllt ist. Empathie kann sie sich kaum erwarten, nicht von ihrem Mann, auch nicht von den anderen Dorfbewohnern. Ihre eigene Mutter gibt sich immerhin Mühe. Bald wird klar, dass der Weg von Agnes unweigerlich tragisch enden muss. Der Film offenbart mit zunehmender Laufzeit, dass es sich hier um eine geschickte Verbindung von Horrorfilm und historischer Aufarbeitung handelt. Denn das Schicksal der Kindsmörderinnen, die nichts anderes wollen als von fremder Hand hingerichtet zu werden, ist keine Erfindung der Filmautor*innen, sondern kaum bekannte, europäische Geschichte.
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Effektiver Horror
Die Realität ist ja bekanntermaßen oft schrecklicher als jede Fiktion. Das gilt auch in diesem Fall. Des Teufels Bad kommt ohne große Schockmomente aus, jedenfalls ohne solche, die nach klassischen Horrorfilm-Konventionen funktionieren. Heißt: Die berüchtigten „Jumpe-Scares“, bei denen einem die Katze aus dem Sack entgegenspringt, gibt es hier nur sehr selten. Vielmehr drückt die intensive, bedrückende Stimmung aufs Gemüt. Die Abwesenheit des Übernatürlichen tut dem Film gut, er ist ganz und gar geerdet. Getragen wird das vor allem durch die Leistung von Hauptdarstellerin Anja Plaschg, die den Film in ihrer Rolle als Musikerin (aka Soap&Skin) auch mit passenden Klängen untermalt. Sie spielt reduziert, aber eindeutig, die Gedanken der Figur sind jederzeit von ihrem Gesicht abzulesen. In ruhige Bilder gekleidet ist der Film insgesamt, er lässt das Geschehen oft stehen, ist ein Stimmungsbild. Leben möchte man in diesem Szenario nicht, vor allem nicht Frau sein. Der Film ist zuweilen harter Tobak und nichts für Zartbesaitete. Gewalt gegen Menschen, Tiere, aber vor allem sich selbst tritt hier zuhauf auf. Passend dazu wurde Des Teufels Bad von der Ulrich Seidl Filmproduktion hergestellt, mit Seidl als Produzent. Regisseurin Veronika Franz war übrigens privat mit ihm verbunden, Severin Fiala ist dessen Neffe. Das Duo Franz und Fiala haben in der Vergangenheit bereits bewiesen, dass sie sich im Horror-Genre wohlfühlen. Mit Ich seh, Ich seh legten sie noch einen etwas konventionelleren Vertreter vor, der mittlerweile auch schon ein amerikanisches Remake erhalten hat. Ob das Des Teufels Bad auch passiert, bleibt abzuwarten. Aufgrund des lokalen Fokus darf aber daran gezweifelt werden. Ohnehin würde dem Film ein großer Teil seiner Kraft abhandenkommen, würde man ihn entwurzeln. Im nebelverhangenen Oberösterreich, zwischen Flussbett, Baumstämmen und düsteren Innenräumen ist diese Geschichte zuhause. Abseits aller Schockwirkung ist Des Teufels Bad aber vor allem eines: Ein nötige Einladung, über den Umgang mit psychische Erkrankungen zu sprechen, auch solchen, die verdrängt in der Vergangenheit liegen. Der Umgang mag sich zu Teilen gewandelt haben, die Erkrankungen sind dieselben geblieben.
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(c) Ulrich Seidl Filmproduktion