Politik | Österreich

Eine auslaufende Regierung zerbricht

Die Grüne Umweltministerin Leonore Gewessler hat im EU-Ministerrat für das Renaturierungsgesetz gestimmt. Die Kanzlerpartei ÖVP meint, sie war nicht dazu ermächtigt und droht mit einer Ministerklage.
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Bundesadler
Foto: ©Mg
  • Draußen ist schon wieder was passiert. Also, genau genommen ist es in Brüssel passiert. Aber mit massiven Auswirkungen auf die Regierung in Wien. Heute hat nämlich die Grüne Umweltministerin Leonore Gewessler im EU-Ministerrat für das EU-Renaturierungsgesetz gestimmt. Da sich die EU-Länder untereinander nicht ganz einig waren, stellte sich Österreichs Stimme als entscheidend für das Quorum von 65% der EU-Bürger (erreicht wurden 66%) aus 15 EU-Ländern (20 Länder stimmten dafür). Italien, Ungarn, Polen, Finnland und Schweden stimmten dagegen. Belgien enthielt sich.

    Österreich ist das Zünglein an der Waage

    Nun meint die Kanzlerpartei ÖVP allerdings, dass die Stimmabgabe Gewesslers nicht rechtens war. Schließlich hätten sich ursprünglich alle 9 Bundesländer (6 von der ÖVP regiert, 3 von der SPÖ) dagegen ausgesprochen. Die Phalanx bröckelte allerdings letzten Monat, als die SPÖ-Landeshauptleute von Wien und Kärnten ihre Ablehnung widerriefen. Jetzt streiten sich die Experten, ob die Umweltministerien heute verfassungswidrig gehandelt sprich abgestimmt hat. So sieht es zumindest der Verfassungsdienst im ÖVP Bundeskanzleramt. Die ÖVP-Verfassungsministerin Karoline Edtstadler hat auch schon mit einer Ministerklage gegen die Grüne Umweltministerin gedroht. Letztere wiederum verweist auf vier Rechtsgutachten, die ihr Abstimmungsverhalten unterstützen.

    Die Grünen verabschieden sich als Regierungspartei

    So weit, so gut (oder auch nicht). Pikant wird die Sache, weil die ÖVP nun lauthals „Regierungskrise“ schreit und mit einer Auflösung des Regierungsübereinkommens mit den Grünen droht. Das entbehrt nicht einer gewissen Komik, da vergangene Woche der 29. September als Termin für die Nationalratswahlen beschlossen wurde und die aktuelle Regierung ohnehin schon im Auslaufen ist. Interessant sind die heutigen Entwicklungen allemal in Hinblick auf die Zusammensetzung der nächsten Bundesregierung. Die Meinungsforschung prognostiziert einen deutlichen Sieg der FPÖ. Auch wenn ÖVP-Bundeskanzler Karl Nehammer wiederholt eine Koalition mit der FPÖ unter deren Obmann Herbert Kickl ausgeschlossen hat, bleibt die Hintertür zur Zusammenarbeit mit einer FPÖ ohne Kickl offen. Sollte die ÖVP bei den Wahlen besonders schwach abschneiden, könnte eine solche FPÖ-ÖVP-Koalition unter der 50%-Marke liegen. Das hieße, dass es einen dritten kleinen Koalitionspartner braucht, also entweder Neos oder Grüne. Letztere haben sich heute wohl selbst aus dem Spiel genommen. Das gilt auch für eine mögliche ÖVP-SPÖ Koalition. So können sich die Neos schon einmal auf Regierungsverantwortung vorbereiten. 

    Die Neos können sich schon einmal auf die Übernahme von Regierungsverantwortung vorbereiten

    Nachsatz: Durchaus möglich, dass die Grüne Leonore Gewessler mit ihrem heutigen Abstimmungsverhalten dereinst als die Retterin des EU Green Deal gesehen wird. (Mg, 17.06.2024)

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Franz Pattis Mo., 17.06.2024 - 21:27

Mein ganzer Respekt geht an die österreichische Grüne Leonore Gewessler die trotz massivem Druck vonseiten der Wirtschafts- und Bauernlobby inklusive unserem Abgeordneten Dorfmann für das EU-Renaturierungsgesetz gestimmt hat!
Auch der von der Industrie massiv bedrohte Brixner Auwald (soll einem BETON-Gebäude der Firma PROGRESS weichen) wird es ihr danken!!
Denn dieses sehr wertvolle Vogelhabitat entspricht genau den Kriterien des nun endgültig in Kraft getretenen EU-Renaturierungsgesetzes:
„Restnatur ist sofort unter Schutz zu stellen und auch zu renaturieren bzw. im Falle des Brixner Auwaldes wieder für Wasserzufuhr zu sorgen“!
Und mit diesem neuen Gesetz wird das Progress-Vorhaben endgültig vor dem regionalen Verwaltungsgericht TAR zu Fall gebracht werden…..

Mo., 17.06.2024 - 21:27 Permalink