Politik | Flüchtlinge

„Dann wird Europa reagieren“

Mit tausenden Flüchtlingen am Brenner wird vom italienischen Flüchtlingsrat gedroht. Tatsächlich sollen in den nächsten Tagen weitere 70 Menschen in Bozen ankommen.
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Foto: upi

Es ist nicht das erste Mal, das die Idee aufkommt. "Ein Problem wäre es, aber das sollte man nicht herbeireden, wenn der italienische Innenminister hier tatsächlich auf Konfrontationsschiene gehen würde und 50.000 Flüchtlinge an die Grenze schickt, um zu zeigen, was vier Radpanzer aufhalten“, hatte der ehemalige Tiroler Landeshauptmann Wendelin Weingartner vor knapp zwei Wochen in einem salto-Interview zu Österreichs angekündigten Grenzschutzmaßnahmen erklärt. Angesichts der nicht enden wollenden Flüchtlingsströme über das Mittelmeer kommt der Gedanke nun auch als konkrete Drohung an Brüssel  - diesmal aus dem italienischen Flüchtlingsrat (Consiglio Italiano per I Refugiati - CIR).   CIR-Direktor Christopher Hein unterstrich seine Forderung nach mehr Hilfe von Seiten der EU in den ARD-Tagesthemen mit einem konkreten Szenario: „Lassen wir die Schiffe ankommen, öffnen wir unsere Häfen für die Flüchtlinge. Stellen wir aber Busse und Züge zur Verfügung und bringen wir den großen Teil der Menschen an den Brenner und nach Ventimiglia zur französischen Grenze – und dann wird Europa reagieren", meinte Hein dort.

In der ohnehin aufgeheizten Situation folgten die Reaktionen darauf umgehend. „Wir lassen uns nicht drohen", konterte Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP)  und kündigte eine Klärung mit Italiens Regierung an. „Die Zusammenarbeit mit Italien funktioniert nach wie vor sehr gut, das werden auch Drohungen einer italienischen Hilfsorganisation nicht so schnell ändern", räumte er allerdings auch ein.

"Es ist wichtig, dass wir aus der Hyperventilation herauskommen. „Die Wahrheit ist immer grau, sie ist nicht schwarz und weiß."

„Südtirol darf sich so etwas nicht gefallen lassen“, wetterte hierzulande Sven Knoll von der Südtiroler Freiheit angesichts der „ernstzunehmenden Bedrohung“. Wenn zehntausende Migranten an den Brenner gebracht werden, würde in Südtirol das totale Chaos ausbrechen, gab sich der Landtagsabgeordnete alarmiert. Er fordert Landehauptmann Kompatscher und die Landesregierung daher auf, umgehend in Rom zu intervenieren, um sicherzustellen, dass „kein einziger illegaler Migrant bis zum Brenner gebracht wird“. Beunruhigt gab sich Knoll auch über eine Information, die seiner Bewegung zugetragen worden sei: Demnach  habe sich Österreichs Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil am Sonntag zu einen Lokalaugenschein am Brenner aufgehalten. Für Knoll Grund genug, eine mögliche Grenzsperrung einmal mehr für seine politische Mission zu nutzen: „Wenn Österreich die Grenze sperrt, wird Südtirol zu spüren bekommen, was es heißt zu Italien zu gehören“, so der Landtagsabgeordnete. „Denn dann steht Südtirol auf der falschen Seite des Zauns.“

Zu Herzen nehmen sollten sich wohl nicht nur Politiker jenseits des Brenners einen Wunsch, den Österreichs Caritas-Präsident Michael Landau am Sonntag in der ORF-Pressestunde äußerte: „Es ist wichtig, dass wir aus der Hyperventilation herauskommen“, sagte er dort zur aktuellen Flüchtlingsdiskussion. „Die Wahrheit ist immer grau, sie ist nicht schwarz und weiß."

Fakt ist jedenfalls, dass man sich in Südtirol nach der Ankunft von rund 7000 Flüchtlingen an den Küsten Süditaliens in den vergangenen Tagen auf die Aufnahme von rund 70 weiteren Flüchtlingen einstellt. Sie sollen laut dem zuständigen Abteilungsdirektor Luca Critelli in Bozen untergebracht werden, wo nach der Eröffnung neuer Unterkünfte in Leifers und Schlanders wieder Kapazitäten frei seien.  Mit diesen Neuankünften habe Südtirol dann mit rund 1740 Flüchtlingen seine vom Staat vorgeschriebene Quote erreicht. Allerdings könnte Rom die Quote für die einzelnen Regionen und autonomen Provinzen angesichts des anhaltenden Zustroms auch an die neuen Erfordernisse anpassen, räumt Critelli ein.