Gesellschaft | Erfindungen

Tausend Liter Licht

Eine brillante Idee der Lichtgewinnung in den fensterlosen Hütten vieler Slums dieser Erde – drei Südtiroler haben das Projekt in Addis Abeba experimentiert.
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Foto: oew

Gianfranco Dragà ist Geologe und arbeitet für Unternehmen im Bereich der Geo- und Wassertechnologie, oft in Südamerika und in Afrika. Das Interesse und die Faszination für die afrikanische Geschichte und Kultur teilt er mit dem Brixner Fotografen Georg Hofer. Gemeinsam unternahmen sie bereits mehrere Reisen durch die westafrikanischen Staaten und Äthiopien. Die Komplexität der Lebensweisen in diesen Ländern wirft alles über den Haufen, was wir Westeuropäer kennen, sagt Dragà, „wir müssen das akzeptieren und anerkennen“, andererseits sei immer wieder der Wunsch aufgetaucht, etwas Nützliches und Zweckmäßiges beizutragen.

Simpel und genial

So stießen die Freunde auf die Idee der „solar water bulbs“, der Plastikflaschenlampen. „Wir haben von dem Projekt in den Slums von Manila gehört, wo jemand die Idee hatte, mit einfachen Plastikwasserflaschen mehr Licht in die Hütten zu bringen.“ Eine Idee, die simpel und genial zugleich ist. Eine herkömmliche transparente 1,5 Liter-Plastikflasche wird zu Dreiviertel mit Wasser gefüllt, etwas Bleichmittel dazu und fertig. Diese Flasche wird dann in das Wellblechdach der Hütte eingehängt und den Rest erledigt die Sonne. Die Lichtbrechung durch das Wasser sorgt im Inneren der Hütte für etwa so viel Licht wie eine 50-Watt-Glühbirne.

Mit dieser Idee fuhren Gianfranco Dragà, Georg Hofer und Alessandro Olla im Mai 2012 nach Addis Abeba. Nach mehreren Gesprächen mit Behörden und Privatpersonen stellte sich heraus, dass die Äthiopier gar nicht so erpicht darauf waren, die Westler mit ihrem kuriosen Anliegen auf ihre Dächer steigen zu lassen. „Doch wir trafen Herrn Bekele, einen freundlichen und aufgeschlossenen Herrn, den unsere Idee überzeugte und der uns das Dach seiner Hütte zur Verfügung stellte,“ erzählt Dragà. So wurden also in Herrn Bekeles Dach einige Löcher gebohrt und die Plastikflaschenlampen darin versenkt.

Auf Herrn Bekeles Dach

Die meisten Hütten haben keine Fenster, aber elektrisches Licht, das, so erzählt es Dragà, den ganzen Tag über brennt. Dementsprechend hoch sei die Stromrechnung. „Mit den waterbulbs können die Leute zumindest tagsüber den Lichtschalter ausknipsen, denn wenn mehrere dieser Plastikflaschenlampen das Sonnenlicht streuen, ist das Innere der Hütte gut beleuchtet.“ Herr Bekele war sehr angetan vom Ergebnis, erzählt Dragà: „Ich war gerade dieses Jahr wieder dort und es funktioniert noch tadellos.“

Es sei schwierig Partner in Äthiopien zu finden, denn, so Dragà, die Städter von Addis Abeba sehen die Flaschenlampen als etwas Rückständiges an, das nicht in ihre Vision von ihrer aufstrebenden Hauptstadt passt. „Mit dem Lions Club haben wir bereits gesprochen, vielleicht können wir das Projekt in den umliegenden Dörfern besser umsetzen.“

Wer hat's erfunden?

Das solare Plastikflaschenlicht ist weltweit ein Hit. „A liter of light“ hat die Elendsviertel von Manila erleuchtet, ebenso die Slums von vielen anderen Weltstädten. Die Idee wird mittlerweile wieder dem eigentlichen Erfinder zugeschrieben, nachdem mehrere Personen und Gruppen, unter anderem Ingenieure des MIT-Massachusets institute of technology das Rezept für sich beanspruchten. Der Erfinder heißt Alfredo Moser und ist ein einfacher Mechaniker aus Brasilien, der als erster das Prinzip der solaren Plastikflaschenenergie erkannte. In seiner fensterlosen Werkstatt und in der Nachbarschaft installierte er die Lichtquellen bereits 2002. Nachdem sich das Prinzip so wirksam zeigte und von findigen und gut vernetzten Akademikern bekannt gemacht wurde, hat jetzt ein BBC-Artikel die gute Idee mit seinem Erfinder Moser wieder zusammengebracht. In der Zeitschrift „Internazionale“ hat Autor Lee Marshall bereits eine Kampagne für den Moser-Nobelpreis eröffnet.

Die „Schusterkugel“ ist eine weitere historische Facette der Plastikflaschenlampe: ein mit Wasser gefüllter farbloser Glas-Kolben in Kugelform wurde vor der Einführung elektrischer Lichtquellen bereits von Handwerkern benutzt, um diffuses Licht der Sonne mit einer Sammellinse zu fokussieren.

Und Gianfranco Dragà schlägt vor, die kostengünstige Lampe auch lokal einzusetzen. „In kleinen Räumen wie Hütten oder Ställen könnte man auf diese Weise ebenfalls ganz einfach für Licht sorgen.“ So käme das Solarlicht auch zu den Hühnern.