Umwelt | Pestizide und ihr Risiko

Vom Winde verweht

Durch die Abdrift von Pestiziden ergeben sich Risiken- hygienische, ökonomische und für die Gesundheit. Doch die Risiken werden ignoriert.
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In der konventionellen Landwirtschaft werden Pestizide zum Schutz der Pflanzen vor Krankheiten und Schädlingen eingesetzt. Prof. Hensel vom Institut für Risikobewertung, Georg Kössler vom Apfelkonsortium, Agrarlandesrat Schuler und Michael Oberhuber, Direktor der Laimburg luden zum Pressegespräch in Glaning. Eine Botschaft sollte übermittelt werden: Kein Bereich ist so gut kontrolliert wie der Pflanzenschutz. Prof. Hensel erklärt: “Die Regulationsdichte ist gerade beim Pflanzenschutz am höchsten. Es gibt keinen anderen Bereich, der so gut kontrolliert wird.”

In der Gemeinde Lana, der größten Obstbaugemeinde Südtirols, wurde diese These einem Praxistest unterzogen. Nach geltenden Landesgesetz (Regelung über Abstände) liegt es in der Zuständigkeit der Gemeindepolizei Kontrollen durchzuführen.

Abdirft von Pestiziden in Privatgärten:

Ich wurde Zeuge der Abdrift in meinen Garten, rief die Gemeindepolizei an und sagte sie solle kontrollieren und prüfen, ob alle gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden.

Der Gemeindepolizist diskutierte mit mir am Telefon über Spritzmittel und nach 15 Minuten des Herumredens fragte er mich, ob er nun kommen solle. “Ach, dann lassen Sie es halt!”, war meine Antwort.

Beim Lananer Bürgermeister Harald Stauder habe ich mich deshalb beschwert und folgenden Brief geschickt:

“Sehr geehrter Herr Bürgermeister Dr. Stauder,

leider wurde mir der Samstag Morgen, 14. März 2015, durch überfleißige Spritzmittelfans vermiest...(ich vermute die Bauernjugend dahinter)...In einem Privatgarten mit unterschiedlichen Pflanzen sind solche Spritzungen generell nicht sinnvoll. Zudem wurden die Spritzungen sehr dilettantisch ausgeführt...Es werden vor allem Pflanzen gespritzt, die gar keine Läuse haben werden, da sie nicht blattlausanfällig sind.

Ob die geltenden gesetzlichen Vorschriften eingehalten wurden, konnte ich trotz Rücksprache mit der Gemeindepolizei nicht in Erfahrung bringen...(Ich habe meinen zweiten Gemüsegarten aufgegeben, da es zu erheblicher Abdrift aus der angrenzenden Obstwiese in den Gemüsegarten kam)


 

Deshalb bitte ich Sie, Herr Bürgermeister, sich der Sache anzunehmen:

  1. Aufklärung der Bevölkerung über Möglichkeiten der natürlichen Schädlingsbekämpfung durch Förderung der Nützlinge und über sinnloses Spritzen.

  2. Information und Überwachung der Ausbringung von Pflanzenschutzmittel gemäß den Landesgesetzen”


 

Der Bürgermeister bedankte sich für das Schreiben und nahm sich der Sache an. Er beriet mit den bäuerlichen Vertretern im Gemeindeausschuss die Angelegenheit und eine Aussprache mit dem Beratungsring fand statt, bei der das Thema Spritzmittel angesprochen wurde. Es wurde vereinbart, dass eine entsprechende Aufklärungskampagne gestartet wird.

Daraufhin teilte ich der Gemeinde mit, dass es neben der Abdrift in Privatgärten auch zur Abdrift auf biologisch bewirtschaftete Flächen kommen kann und schrieb:

“...In der Gemeinde Lana muss man auch bedenken, dass biologisches Gemüse produziert wird. Konventioneller Obstbau in der näheren Umgebung kann die Produktion von Biogemüse beeinträchtigen und Biobetriebe finanziell belasten...ein Miteinander der verschiedenen Bewirtschaftunsarten muss möglich sein. Die Versorgung der Bevölkerung mit regionalen, hochwertigen Nahrungsmitteln darf nicht durch die Apfelexportwirtschaft beeinträchtigt werden.”

Der Bürgermeister von Lana setzte sich daher mit dem Versuchszentrum Laimburg in Verbindung. Aus der angekündigten Aufklärungskampagne wurde aber nichts. Bürgermeister Harald Stauder erklärte mir, dass man in der Laimburg auch keine Antwort auf diesen Problemkreis hat.

In Südtirol ist die Laimburg das Kompetenzzentrum für Landwirtschaft und diese Anstalt hat keine Antwort, wenn ein Bürgermeister nach einer Lösung des Problems der Abdrift fragt. Das Versuchszentrum Laimburg ist selbst vom Problem der Abdrift betroffen. Im Kräuterhof der Laimburg, oberhalb von Schloss Trautmannsdorf, kommt es auch zum Eintrag von Pestiziden aus benachberten Obstwiesen. Betroffen sind häufiger die Kräuterbeete, welche weiter von den Obstplantagen entfernt sind. Es sind diese “Spritzmittelwolken”, welche über weite Strecken Pestizide verfrachten und zur Kontamination von anderen Anbaukulturen führen können. Kräuter werden wesentlich häufiger auf Rückstände untersucht als andere Lebensmittel und daher wird auch öfter etwas gefunden.

Darüberhinaus hat das Versuchszentrum Laimburg auch nicht den besten Ruf, immer alle Untersuchungen wahrheitsgetreu durchzuführen. Wenn Südtiroler Bürger Proben in ein Labor schicken wollen, so meiden sie immer öfter die Laimburg und lassen diese im Agrarinstitut San Michele all'Adige untersuchen. Die Laimburg hat ein Glaubwürdigkeitsproblem.

Die Risikobewertung des Prof. Hensel bezieht sich nur auf die Lebensmittelsicherheit von konventionellen Produkten. Auch der lebenslange Verzehr von Lebensmitteln mit geringen Pestizidrückständen macht einen nicht krank, behauptet der Professor.

In Südtirol benutzen Bauern schon seit langer Zeit chemisch synthetische Mittel zur Bekämpfung von Pflanzenkrankheiten und die Bauern sind es auch, die am häufigsten mit diesen Giftstoffen in Kontakt kommen. Die Landwirte selbst sind Versuchskaninchen. Die Autonome Provinz Bozen hat bis heute keine Studie über gesundheitliche Auswirkungen von Pestiziden auf die Bauern in Auftrag gegeben. Das gehäufte Auftreten bestimmter Krebserkrankungen bei Obstbauern ist bekannt, eine Untersuchung von Zusammenhängen zwischen dem Ausbringen von Spritzmitteln und dem Auftreten bestimmter Krankheiten wäre im Sinne der Landwirte und eine Verpflichtung der Autonomen Provinz Bozen, da die Gesundheit der Menschen an erster Stelle steht.

Abdrift auf biologisch bewirtschaftete Flächen:

In der Risikobewertung von Prof. Hensel bleibt das Problem der Abdrift auf biologisch bewirtschaftete Flächen ebenfalls unberücksicht. Man muss bedenken, dass ein biologisches Lebensmittel, auf dem Rückstände von Pestiziden gefunden werden, nicht als biologisches Lebensmittel in den Handel kommen kann. Dies bedeutet für den Produzenten der Lebensmittel einen möglichen finanziellen Schaden. Für einen im Wachstum befindlichen und zukunftsweisenden Wirtschaftszweig wie die biologische Landwirtschaft ist der konventionelle Obstbau in der Umgebung ein unternehmerisches Risiko.

Der Nachweis von Pestziden in biologischen Lebensmitteln würde medial wahrscheinlich zu einem “Bioskandal” führen. Die biologische Landwirtschaft wäre dabei der Leidtragende und es ergäbe sich ein Imageschaden, der die gesamte biologische Landwirtschaft in ein schlechtes Licht rücken würde.

Abdrift von Pestiziden auf andere Kulturen:

Spritzmittel sind immer nur für bestimmte Pflanzenkrankeiten oder Schädlinge und nur für bestimmte Pflanzenkulturen zugelassen. Ein Spritzmittel, das im Obstbau zugelassen ist, kann aber durch Abdrift auf eine andere Kultur verfrachtet werden. Ein solches landwirtschaftliches Produkt ist nicht mehr für den Handel zugelassen, egal ob biologisch oder konventionell. Es ist dies eine Frage der Lebensmittelsicherheit und Hygiene.

Prof. Hensel lässt die Fragen der Lebensmittelsicherheit und Hygiene durch das Problem der Abdrift auf andere Kulturen außer acht, ebenso die Frage nach den möglichen finanziellen Risiken für geschädigte Landwirte, deren Produkte durch Abdrift in ihrer Qualität vermindert werden oder nicht mehr in den Handel gelangen dürfen.

Lebensmittel werden nur stichprobenartig untersucht. Die Behauptung des Professors, Lebensmittel seien sicher, ist hinfällig, da der Großteil der Lebensmittel eben nicht kontrolliert wird. Dazu zählt mein Biogemüse im Garten ebenso wie die Produkte der Bauern am Wochenmarkt oder die Produkte in den Supermärkten. Lebensmittelskandale sind zufällige Erscheinungen,- nach Pferdefleisch in Lasagna hat man nicht gesucht, sie wurde zufällig gefunden.

Sicher ist nur, dass man nicht weiss, wohin und wie weit der Wind die Spritzmittel verfrachtet. Nicht nur im Vinschgau weht der Wind, der kleinste Lufthauch kann feinste Tröpfchen von Pestiziden von einem Ort zum anderen bringen.

Rückstände geben keinen Anlass zur Besorgnis”, sagt Prof. Hensel. Der Nachweis von Rückständen in Verbindung mit einer gesundheitliche Beeinträchtigung der Konsumenten wäre der Untergang für Südtirols Obstwirtschaft. Wenn man durch den Verzehr von Äpfeln krank würde, müsste das Institut für Risikobewertung in Deuschland Südtirols Äpfel unvorzüglich aus dem Verkehr ziehen.

Unserem Landesrat Schuler ist die Debatte zu emotional geführt. Nun Herr Landesrat, wenn die Pflanzenschutzmittel nun einmal nicht dort bleiben, wo sie hingehören und auf anderen Kulturen, Spielplätzen und  Privatgärten niedergehen und bis zu 400 m vom eigentlichen Einsatzort entfernt Auswirkungen auf die Biodiversität haben, sollte dies kein Grund zur Besorgnis sein?

Die Gesundheit der Menschen ist das höchste Gut. Wie gefährlich sind Pestizide tatsächlich und für wen sind sie gefährlich? Eine Antwort ist die Landesregierung schuldig geblieben und die Landesregierung selbst wird damit zum Risiko, auch zum Gesundheitsrisiko.