Politik | Wie kann die Autonomiereform partizipativ gestaltet werden?

Mehr Macht dem Landtag durch Statutshoheit

In 10 Tagen wird der Landtag erneuert, Mehr- und Minderheiten werden neu sortiert, ein teilweiser Schichtwechsel bei der politischen Vertretung vollzogen. In zweifacher Hinsicht ändert sich dadurch zunächst nichts: als Legislative eines autonomen Landes hat der Landtag in den letzten Jahren gegenüber der Landesregierung an Macht eingebüßt, von der die meisten verabschiedeten Gesetzesvorlagen stammen. Und beim Grundgesetz der Autonomie, dem Statut, kann er kaum mitreden, geschweige denn eigenständig Reformen anstoßen und umsetzen. Warum hat eigentlich jenes Organ, das den politischen Pluralismus Südtirols widerspiegelt, in Autonomiefragen ein so geringes Gewicht?
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 Dabei steht die Reform der Autonomie bereits seit der letzten Parlamentswahl auf der Agenda. Im September 2013 sind mit dem "Bozner Memorandum" erste Schritte gesetzt worden, und die Verhandlungen um ein neues Finanzabkommen haben begonnen. Das Ganze wird von wenigen Parlamentariern und der Landesregierung betrieben, der Landtag bleibt außen vor. Selbst die 137er-Kommission ist noch nicht aktiviert worden. Laut Art. 103, Abs. 3, wird der Landtag zwar zu Abänderungen des Statuts von der Regierung in Rom gehört, kann aber kein Veto einlegen und ohne Zustimmung des Regionalrats keine Motionen einbringen. Während jede Verfassungsänderung einem Referendum ohne Quorum unterworfen werden kann, haben die Südtiroler Bürger bei Statutsänderungen kein derartiges Recht, im Gegenteil: sie haben überhaupt kein Recht auf irgendeine formale Mitsprache und Mitbestimmung.

 

Es gab gute Gründe in der Geschichte, warum die Autonomie auf der Ebene der politischen Elite ausgehandelt wurde: vielleicht wäre die Schwergeburt des Pakets vor 41 Jahren nicht geglückt, wenn alle Parteien und Bürger mitgemischt hätten. Auch danach blieben es eine Handvoll Experten der Mehrheitsparteien, die die Autonomie umsetzten und weiter entwickelten. Doch hat sich die politische Szene geändert, Südtirol ist pluralistischer geworden, die Autonomie wird als territoriale begriffen. Heute vertritt die SVP nicht mehr die Mehrheit der Wählerschaft, und eine Autonomiereform an Landtag und Bürgern vorbei hätte eine zu geringe politische Legitimation.

 

So gibt es zum einen Stillstand oder gar von der Regierung einseitig verfügte Einschränkungen bei der Autonomie, zum anderen eine selbstverwaltete Volksabstimmung für die Selbstbestimmung und andere Vorschläge mit Zentrifugalkraft. Vielleicht braucht es diese Nadelstiche und diesen Druck, um der Trägheit des Zentralstaats auf die Sprünge zu helfen. Doch können sie nicht die gemeinschaftlichen Bestrebungen ersetzen, mit formalrechtlich demokratischen Verfahren echte Reformen des Autonomiestatuts voranzubringen. Dafür fehlt in unserem Land der institutionelle Rahmen, wo über die Grundregeln der Autonomie und längerfristig akzeptable Formen der Selbstregierung debattiert und entschieden werden kann. Das Parlament in Rom kann das nicht.

 

Der Ausweg ist mehr Statutshoheit, also die Befugnis der in Südtirol Gewählten und Wähler selbst über das Statut zu befinden. Natürlich kann ein reformiertes Autonomiestatut nur Teil der Verfassung werden, wenn es am Ende vom Parlament verabschiedet wird. Doch in vielen anderen autonomen Regionen Europas kann das legislative Organ der betroffenen Region zunächst selbst die Reform entwickeln. Wer anders als der Landtag oder eine andere von den Wählern vor Ort bestimmte Versammlung kann besser über den Reformbedarf entscheiden? Unsere heutige Autonomie bringt pluralistische Mehrheitsdemokratie und Minderheitenschutz, also ethnische Konkordanz, in Einklang. Diese Prinzipien können durchaus bei der Statutsreform gewahrt werden. In Sardinien wird dieser Weg zur Statutshoheit beschritten. Auch die Südtiroler Gesellschaft scheint mir reif genug, um im ersten Schritt selbst über eine Reform des Statuts befinden zu können.
 

Thomas Benedikter

(zuerst erschienen in: FF, 17.10.2013)