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CO2-Zertifikate:die EU mogelt sich durch

Es ist eine kleine, fast unscheinbar wirkende Zahl: bis zu 5% soll die EU mit internationalen CO2-Zertifikaten aufs EU-Klimaziel 2040 einzahlen können. Ein Trick?
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Belém
Foto: Belém (Foto: Romerito Pontes für Flickr)
  • Die EU hat im Vorfeld der COP30 beschlossen, ihre Klimaziele für 2040 zwar bei -90% CO2-Ausstoß gegenüber 2019 zu belassen, aber einige Erleichterungen eingeführt wie etwa die Kohlenstoffzertifikate im EU-Ausland. Das ist ein System internationaler Klimazertifikate, das auf der COP26 in Glasgow verabschiedet und deren Details auf der COP29 in Baku festgezurrt worden sind. Ein solches System, in dem Länder auch außerhalb ihrer Staatgrenzen mit Emissionen handeln konnten, gab es schon aufgrund des Kyotoprotokolls von 1998. Die Industrieländer konnten solche Zertifikate (Certified Emissions Reductions CER) durch die Finanzierung von Emissionssenkungsprojekten in Entwicklungsländern erhalten und auf ihre eigenen CO2-Minderungspflichten anrechnen lassen. Dieses Ziel ist aber nie erreicht worden, sondern hat dazu geführt, dass insgesamt noch mehr CO2 ausgestoßen worden ist

    Wenn 5% der zugesagten CO2-Minderung der EU mit solchen außerhalb der EU erworbenen Emissionszertifikaten abgedeckt werden, könnte sich die EU gut 233 Millionen Tonnen an interner CO2-Senkung ersparen. Die Folgen dieser Anpassung wären immens: nutzen die Mitgliedstaaten diesen Spielraum komplett aus, würde dies mehr Emissionen verursachen, als Deutschland in einem Jahr ausstößt. Zu diesem Schluss kommt das Öko-Institut in einer neuen Kurzstudie. Gesprochen wird dabei immer von CO2-Zertifikaten „hoher Qualität“, doch die Operation ist ziemlich zweischneidig:

    • Als Vorteil kann man zwar die Verstärkung der Nord-Süd-Zusammenarbeit sehen, die einen höheren Finanzfluss aus der EU an finanzarme Staaten im globalen Süden bringt.
    • Als Nachteil gilt, dass es zu einem Überhang von CO2-Zertifikaten kommt. Damit werden die nationalen Klimaziele abgeschwächt und die Anstrengungen der EU-Länder bei der Emissionsreduzierung lassen nach. 
    • Als weiterer Nachteil gilt, dass diese Klimazertifikate gar nicht realen Minderungen entsprechen, weil das niemand genau erfasst und misst.
    • Es kommt zudem oft zu Doppelzählungen: sowohl der Käuferstaat als auch der Verkäuferstaat rechnen sich die CO2-Minderung auf das nationale CO2-Konto an.

    Doch werden diese Emissionen im Ausland tatsächlich eingespart und wer kontrolliert das? Metastudien des Öko-Instituts sind zum Ergebnis gekommen, dass solche für Emissionsgutschriften angelegte Klimaschutzprojekte häufig deutlich weniger Emissionen ausgleichen als angegeben oder schlichtweg nicht existieren. Durchschnittlich erreichten die Projekte nur 16% der angestrebten Emissionsreduktion. Klassisches Beispiel: die Abschaltung eines Kraftwerks, das – weil ineffizient und mit Kohle betrieben – ohnehin ersetzt worden wäre. Kurz darauf wird im selben Land ein neues Gaskraftwerk in Betrieb genommen, das wieder Klimaschaden produziert.

    Kurz: in internationalen CO2-Zertifikaten ist erheblich weniger Klimaschutz drin als draufsteht. Es werden mehr Zertifikate herausgebracht und gehandelt, als Emissionen tatsächlich reduziert werden. Schließlich werden die Klimaschutzbemühungen in Europa durch diesen CO2-Ablasshandel eindeutig geschwächt. 233 t CO2 entspricht den Emissionen von Schweden, Finnland, Dänemark und Österreich zusammen. Das wird zu einer Gefahr für konsequente Klimaschutzinvestitionen in der EU. Auch der EU-interne CO2-Zertifikatehandel kommt in Bedrängnis. Ohne klare Standards riskiert die EU erneut einen Rückschritt wie von 1998-2008, als infolge internationaler Gutschriften der CO2-Preis nie ein vernünftiges Niveau erreichte. Weit effizienter wäre die konsequente Senkung des Imports fossiler Brennstoffe von außen, weil dann tatsächlich weniger gefördert und verbrannt wird und die EU bei der Energieversorgung tatsächlich unabhängiger würde. Effizienter wäre die Aufrechterhaltung der EU-Anti-Entwaldungsverordnung, die durch Importverbote tatsächlich die Regenwaldabholzung im globalen Süden bremst. Wirksamer wäre die dezidierte Reduzierung der noch gigantischen Subventionen von fossilen Brennstoffen und die Umschichtung dieser Mittel in die Finanzierung des UN-Klimafonds, der den Ländern im Süden zur schnellen Versorgung mit kostengünstigeren erneuerbaren Energie verhilft. Hier ein aufschlussreiches FAQ des Ökoinstitus zu diesem Thema.