Kultur | Literaturgeschichte

Kleine Prinzenrolle

Wie die Geschichte zum „größten Prinzen“ der Literaturgeschichte über Umwege nach Südtirol führt. Und gegenwärtig in das Theater in der Altstadt nach Meran.
Prinz
Foto: SALTO
  • „Der deutsche Philosoph Prof. Martin Heidegger hielt sich Mittwoch erstmals in Innsbruck auf und stattete u. a. der Hofkirche sowie den Grabstätten von Georg Trakl und Josef Leitgeb in Innsbruck-Mühlau Besuche ab“, hieß es Anfang April 1953 in einem lokalen Blatt. Heidegger und Trakl genießen internationale Berühmtheit, wer aber ist Josef Leitgeb? Und was hat er mit Südtirol und der Geschichte des französischen Schriftstellers und Piloten Antoine de Saint-Exupéry zu tun? 
     

    Zuweilen macht es ja wohl nichts aus, wenn man seine Arbeit auf später verschiebt.


    Fast genau ein Jahr bevor Martin Heidegger am Friedhof in Innsbruck unter anderem Josef Leitgebs Grab einen Besuch abstattete, war dieser nach einem turbulenten aber kurzen Leben verstorben. Zwei Jahre vor Leitgebs Tod erschien seine bekannteste Tat, die mit seiner Frau Grete übersetzte "Der kleine Prinz" – die Erzählung wurde 1943 erstmals veröffentlicht – von Antoine de Saint-Exupéry, als Erstausgabe in deutscher Sprache beim Rauch-Verlag in Bad Salzig. 

  • Erstausgabe in deutscher Sprache: In der Übersetzung von Grete und Josef Leitgeb erschien "Der kleine Prinz" erstmals im Juni 1950. Bis heute wurden von dieser Originalausgabe 1,2 Millionen Exemplare verkauft. Foto: SALTO

    „Geboren in Bischofshofen als Sohn des Bahnbeamten Alfred Leitgeb und der Frau Maria Leitgeb geb. Haas, aus Natz bei Brixen“, steht in einem Eintrag zum 1897 geborenen Josef Leitgeb beim Forschungsinstitut Brenner-Archiv in Innsbruck nachzulesen. Auch, dass die Familie 1899 nach Innsbruck an den Geburtsort des Vaters zurückkehrte, die Mutter bereits 1906 starb und der junge Josef kam mit seinem Bruder in einem Innsbrucker Waisenhaus in Innsbruck aufwuchs. Ab den 1920er Jahren war Josef Leitgeb als Volksschullehrer tätig, promovierte 1925 zum Doktor der Rechte an der Uni in Innsbruck und ehelichte im gleichen Jahr Grete Ritter, Tochter eines aus Liechtenstein stammenden Innsbrucker Rechtsanwalts. Für die Berliner Zeitschrift Der Sumpf – ein intellektuelles Satireblatt gegen den aufkommenden Nationalsozialismus schrieb Leitgeb unter dem Pseudonym Paul Pasquill. Auch der aus Bozen stammende Philosoph Carl Dallago engagierte sich für die Widerstands-Zeitschrift, von der allerdings nur vier Nummern erschienen, nachdem die Doppelnummer 5/6 im März 1933 von der SA eingestampft wurde. 
     

    Was hast du davon, die Sterne zu besitzen?


    1939 rückte Leitgeb als Hauptmann zur Deutschen Wehrmacht ein und diente unter anderem als Funker in der Ukraine (Lemberg, Rowno und im Raum Kiew). Ab 1943 war er Leiter des Militärsenders Sistrans bei Innsbruck. Sein 1927 geborener Sohn Kristof kam als einer der letzten Soldaten am 31. Jänner 1945 zur Deutschen Wehrmacht. Nur wenige Monate gab es von ihm kein Lebenszeichen mehr. Zurück blieb eine große Trauer um den Verlust.

  • Meraner Rezension: "...die alle Schwingungen des Originals ins Deutsche hinüberrettet" meinte Rezensent Alfred Boensch zur Übersetzung von Grete und Josef Leitgeb. Foto: Standpunkt

    Nach dem Krieg stieg Josef Leitgeb zum Stadtschulinspektor in Innsbruck auf und kam als Präsident der Volkshochschule in Kontakt mit dem „für den kulturellen Wiederaufbau wichtigen Französischen Kulturinstitut in Innsbruck“, sowie den Initiatoren der Alpbacher Hochschulwochen. In diese Internationalität und Nachkriegszeit fallen auch die beiden Übersetzungen zu Antoine de Saint Exupéry: Brief an einen Ausgelieferten (1948) und Der kleine Prinz (1950), die Leitgeb gemeinsam mit seiner Frau besorgte. 
     

    Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.


    In der Wochenzeitung für abendländische Kultur, Politik und Wirtschaft Der Standpunkt – sie erschien wöchentlich von 1947 bis 1957 in Meran – kam im Herbst 1950, unmittelbar nach dem Erscheinen der deutschen Prinzen-Ausgabe auch schon zu einer ersten Rezension des übersetzten Bestsellers – mit lobener Erwähnung der Übersetzungsleistung und einem Abdruck der legendären Illustration.

  • Foto: SALTO

    Seit 14. Dezember sind die zeitlosen Standpunkte des kleinen Prinzen im Theater in der Altstadt zu sehen. Regie führt Christina Khuen, auf der Bühne sind Sabine Ladurner, Julian Pichler und Anniek Vetter zu sehen. Letztere leiht der kleinen Hauptfigur (dem Original nachempfunden) ihre Stimme und führt die Handpuppe (Leonard Wanner) von Planet zu Planet. Vetter wurde 1995 in Bozen geboren, studierte ab 2017 an der Hochschule für Musik und darstellenden Kunst Stuttgart im Bachelor-Studiengang Figurentheater. Sie spielt in verschiedene Ensemble- und überzeugt auch immer wieder mit Soloarbeiten. 
    Auch wenn die kommenden Dezember-Aufführungen bereits ausgebucht sind, gibt es noch Restkarten für eine Vorstellung im Jänner. Abgesehen von der wunderbaren Erzählung ist es wohl auch einzigartig, wie es der in unzähligen Sprachen und Minderheitensprache übersetzten Geschichte gelingt, beinahe 100 Jahre nach dem realen Flugzeugabsturz des Autors und Piloten Antoine de Saint Exupéry, Kinder wie Erwachsene zu fesseln. In Meran gab es jedenfalls bei den Aufführungen stets großen Beifall, vom alten Greis bis zum Kleinkind. Verdientermaßen.