Bunt rieselt der Schnee - Philipp Messners eisiges Simulakrum

Heute war es endlich kalt genug und du konntest es in München schneien lassen: wie waren die ersten Reaktionen auf dein Experiment „CLOUDS“?
Philipp Messner: Ja, gestern Abend haben wir die Schneekanonen angeschmissen. Die Wiese ist seit heute Morgen voller Menschen! Die Resonanz ist sehr gut und das Experiment hat sich schon weit herumgesprochen. Es wurde auch schon ein Schneemann gebaut.
In deinen Arbeiten beschäftigst du dich zusehends mit virtueller Ästhetik. Auch „CLOUDS“ - dein erstes Projekt im öffentlichen Raum Münchens – setzt sich mit der Ästhetik der computerbasierten Umformung von Wirklichkeit auseinander. Inwiefern reflektiert das Projekt die Digitalisierung unserer Lebenswelt und die damit einhergehende Veränderung unserer Wahrnehmung?
P. M.: Im Grunde interessiert mich die physische Dimension des Digitalen oder des Virtuellen. Ich denke das Digitale herrscht nicht nur mehr allein in unseren Bilderwelten vor, es hat große Durschlagskraft auf das Körperliche. Für mich spielt die Frage nach dem Artifiziellen eine große Rolle. Das ästhetische Feld, das ich hier eröffne, besitzt eine Oberfläche, darunter bilden sich verschiedenen Farbschichten, wie Sedimente. Wenn der Schnee betreten wird entstehen Bruchstücke, welche die verschiedenen Schichten erkennen lassen. Wenn man sich in diesem Feld bewegt, kommt es einem beinahe so vor als würde man sich in einem Rendering befinden. Auf Fotos, also in der Transformationen von Körperlichkeit zum (digitalen) Bild wird diese Überlagerung, das Verschwimmen der Grenzen zwischen Virtualität und Realität besonders deutlich. Diese ephemere, bunte Kunstschneelandschaft lässt auch an digitale Farbpaletten oder den Farbkreis gängiger Grafikprogramme denken.
Mittlerweile wäre der alpine Wintersport und -tourismus ohne Kunstschnee nicht mehr vorstellbar. Schnee ist längst zu einem Arbeitsinstrument geworden. Du verwandelst die Schneekanonen in Malmaschinen. Dabei bewegt sich dein performatives, skulpturales Happening mit den überdimensionalen Sprühdosen irgendwo zwischen Kritik und Lobgesang...
P. M.: Für mich als Grödner ist es natürlich eine Hymne an die Technologie (lacht). Nein, aber es stimmt schon, mir geht es vordergründig tatsächlich um die Maschinen die eingesetzt werden um etwas zu simulieren, eben den Naturschnee. Letztendlich kommt hier eine sehr rudimentäre Technologie zum Einsatz: Wasser wird in einen anderen Aggregatszustand gebracht. Die beigemischte Lebensmittelfarbe verdeutlicht die Künstlichkeit, die Artifiziliät des Produkts. Auch Manipulation spielt eine wichtige Rolle. Das Unternehmen, das die Schneekanonen zur Verfügung gestellt hat war dem Projektvorschlag von Anfang an sehr offen gegenüber. Das Projekt ist visuell sehr faszinierend, es ist super poppig. Wir befinden uns hier allerdings im urbanen Raum: das ist noch mal ein Unterschied. Natürlichkeit hat in diesem Rahmen eine andere Bedeutung. Aber ja, durch meinen minimalen Eingriff sabotiere oder kommentiere ich auch das Bild von Natur und natürlicher Umwelt das die Tourismusindustrie verkauft.
Philipp Messner (*1975 in Bozen, lebt in München) studierte bei Michelangelo Pistoletto an der Akademie der Bildenden Künste in Wien sowie an der École nationale supérieure des Beaux-arts in Paris bei Giuseppe Penone.
Parallel zu der Installation »Clouds« zeigt die ERES Stiftung ab 26. Januar die Gruppenausstellung »Snow Future«, in der sich Philipp Messner, Hansjoerg Dobliar und Walter Niedermayr mit unterschiedlichen Facetten von Natur und Künstlichkeit auseinandersetzen.
Am Samstag, 23. Januar, um 11 Uhr wird Philipp Messner sein Projekt in einem Künstlergespräch im Vorhoelzer Forum der Technischen Universität
München, Arcisstraße 21, 5. Stock, öffentlich vorstellen. Der Eintritt ist frei. Am Gespräch teilnehmen werden Kerstin Möller vom Kulturreferat der Landeshauptstadt München, Maria Muhle von der Akademie der Bildenden Künste München und Bernhart Schwenk von der Pinakothek der Moderne. Die Moderation übernimmt Nan Mellinger.
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