Politik | Landtag

Keine Wunderwirker

Während Landeshauptmann Arno Kompatscher dazu aufrief, Brücken zu bauen, sprach die Opposition von Verrat, Täuschung und Enttäuschung.
LH Kompatscher Landtag Jan 2024
Foto: SALTO
  • Gäste und Pressevertreter warteten heute (18. Jänner) auf den vollen Tribünen gespannt auf den Beginn der Landtagssitzung, auf deren Tagesordnung die Wahl von Arno Kompatscher zum Landeshauptmann stand. Im Sitzungssaal herrschte eine lockere, beinahe ausgelassene Stimmung unter den SVP-Fraktionären, die alsbald von den harrschen Stellungnahmen der Vertreter der Oppositionsparteien vertrieben wurde. Eingangs der Sitzung wurde jedoch eine Gedenkminute für den erst kürzlich verstorbenen langjährigen Landtagsabgeordneten Helmuth Renzler abgehalten. 

  • „Ich stelle mich nun zum dritten Mal der Wahl“, erklärte Landeshauptmann Arno Kompatscher in seiner Eröffnungsrede. Man stehe vor einer Vielzahl an Krisen und nehme einen Bruch in der Gesellschaft wahr – die Vielzahl der im Landtag vertretenen Parteien sei ein Ausdruck für diesen zerrütteten Zustand der Gesellschaft. Die Bildung der Koalition sei eine Herausforderung gewesen, schlussendlich habe man sie jedoch innerhalb des geplanten Zeitrahmens umsetzen können. Im Mittelpunkt des Regierungsprogrammes stehe die Wiederherstellung der Autonomie. Auch habe man klare Ziele bezüglich fairer Löhne, leistbarer Lebenshaltungskosten und der Verhinderung von Altersarmut definiert, die Klima-Neutralität stehe ebenfalls auf der Agenda wie auch die Entbürokratisierung. 

     

    „Auch wir werden keine Wunder wirken können.“

     

    „Auch wir werden keine Wunder wirken können“, schickte Kompatscher voraus und dämpfte damit die Erwartungen. In den kommenden fünf Jahren müssten noch mehr Anstrengungen unternommen und noch weitreichendere Maßnahmen ergriffen werden. Stolz könne man aber darauf sein, dass man besser aus den Krisen der vergangenen Jahren gekommen sei – Grund dafür seien auch die besseren Rahmenbedingungen. „Es wird an uns liegen, uns mit Respekt zu begegnen und uns zu finden“, so der Landeshauptmann, der die anwesenden Abgeordneten dazu aufrief, gemeinsam mit Zuversicht die Zukunft zu gestalten. 

  • Sven Knoll, Landtagsabgeordneter der Süd-Tiroler Freiheit: „Wir werden diese Regierung nicht unterstützen!“ Foto: Seehauserfoto

    Die Oppositions-Vertreter ließen kein gutes Haar an Landeshauptmann Kompatscher und seiner Koalition, sprachen von Täuschung und sahen die SVP bereits dem Untergang geweiht. Die Aussagen der Team K-Abgeordneten über jene der Grünen bis hin zur Süd-Tiroler Freiheit waren in ihrem Inhalt beinahe deckungsgleich. Sven Knoll nannte die heutige Sitzung eine historische, denn zum ersten Mal gehe die SVP eine Koalition mit faschistischen Kräften ein. In seiner Rede ging der Fraktionssprecher der rechtspopulistischen Süd-Tiroler Freiheit ausführlich auf den verfehlten Weg der Edelweiß-Partei ein. Auch die Wahl eines zweiten italienischen Landesrates stieß Knoll sauer auf, wies auf die Gefahren für die Autonomie hin und bezeichnete diese Vorgangsweise als wenig glaubwürdig. Weder die Schutzmachtfunktion noch die Ortsnamensgebung seien im Regierungsprogramm erwähnt. Zum wiederholten Male bezeichnete der Sprecher der STF die neue Regierungskoalition als Koalition der Verlierer und kündigte an: „Wir werden diese Regierung nicht unterstützen!“

  • Die Regierungsrede des Neulings

    (fra) Hinter den Kulissen tobt derzeit innerhalb der SVP ein harter Kampf. Nach Informationen von SALTO wollen Arno Kompatscher und auch SVP-Obmann Philipp Achammer, Arnold Schuler wieder in die Landesregierung berufen. Das würde aber heißen, dass der Neueinsteiger Luis Walcher auf der Strecke bleibt. Dagegen läuft eine mächtige Seilschaft Sturm: Bauernbund, der Bezirk Bozen mit Unterstützung des SVP-Bezirke Pustertal und Eisacktal.
    Es ist deshalb alles andere als ein Zufall, dass es ausgerechnet Luis Walcher ist, der sich am Donnerstagvormittag als erster SVP-Abgeordneter nach der Rede von Arno Kompatscher zu Wort meldet. Walchers Rede ist eine Verteidigungsrede mit einigen persönlichen  Einsprengseln. Eine willkommene Verschnaufpause in der kollektiven Kopfwäsche, die der designierte Landeshauptmann an diesem Vormittag über sich ergehen lassen muss.
    Es darf aber unterstellt werden, dass es weniger um den Inhalt, als um den Auftritt geht. Denn es verwundert, dass ausgerechnet ein Neuling in Landtag seine erste Rede nach Kompatscher hält. Luis Walcher ist ein Stratege. Er bringt sich geschickt und bewusst in Stellung für den Kampf um den Posten als Landesrat für Landwirtschaft. Diese Regierungsrede von ihm ist vor allem eine geplante Kampfansage im Stechen gegen Arnold Schuler.
    Die Botschaft für die eigene Partei und die entscheidende Abstimmung am Montag im Parteiausschuss ist klar. Luis Walcher muss in die Regierung.
    Auch so kann man Politik machen.

    Foto: Comune di Bolzano
  • Auch die Grünen-Sprecherin Brigitte Foppa konnte bzw. wollte Landeshauptmann Kompatscher nicht schonen, wies auf die Proteste hin und beschwor die Gefahr vonseiten eines faschistischen Gedankengutes. Damit schlug sie in die gleiche Kerbe wie Knoll: Kompatscher werde als erster in die Geschichte eingehen, der mit faschistischen Kräften paktierte habe. Auch Foppa bemängelte am Regierungsprogramm, dass wesentliche Punkte fehlen würden wie beispielsweise das Thema Inklusion. Unumwunden warf die Grünen-Chefin Kompatscher vor, die Wähler getäuscht zu haben, die nun entsprechend enttäuscht seien. Protestiert werde deshalb, weil die Protestierenden den Glauben in Landeshauptmann Kompatscher verloren hätten.

     

    „Widerstand kommt von allen Seiten.“

     

    „Widerstand kommt von allen Seiten“, polterte Paul Köllensperger vom Team K, der die Koalition zerfledderte und fragte, ob rechts und links beliebig austauschbar seien. „Wer mit dem Teufel paktiertet, muss seine Seele verkaufen“, so der Team K-Sprecher, der wie schon Foppa zuvor Landeshauptmann Kompatscher vorwarf, nicht von Anfang an mit offenen Karten gespielt zu haben und nicht transparent erklärt zu haben, dass eine Mitte-Rechts-Koalition festes Ziel und der Plan gewesen sei. Weder sei der Wählerwille respektiert worden, noch habe man der Autonomie einen Gefallen getan, so Köllensperger, der die SVP am Zerbersten sieht. Eine Extra-Vorstellung lieferte wie üblich Jürgen Wirth Anderlan, der das Schauspiel als Casting-Show bezeichnete. Nicht fehlen durfte die Forderung nach einer Corona-Aufarbeitung, welche die Landesregierung zwar in Angriff nehmen wolle, jedoch nur halbherzig. Die Wahl Kompatschers zum Landeshauptmann werde er zwar nicht unterstützen, aber seine Politik in den kommenden Wochen - was das heißen soll, ließ „der JWA“ offen. 

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Martin Daniel Do., 18.01.2024 - 12:38

Es bleibt der Eindruck, dass Landeshauptmann und Obmann bereits vor den Wahlen eine Koalition mit Fratelli und Lega angestrebt, im Wahlkampf aber teils andere Signale ausgesendet haben. Was in den letzten 3 Monaten aufgeführt wurde, hätte dann nur mehr dazu gedient, die Bildung dieser Koalition trotz des schlechten Abschneidens von FdI, die 3-4 Mandate eingeplant hatten, und des Absturzes der Lega, die nur ein parteiexterner Bürgermeister vor dem Verschwinden aus dem Landtag rettete, als unausweichlich darzustellen. Um keine Schuld an dieser historischen ersten Koalition mit rechtsnationalistischen italienischen Partnern zu tragen - und vielleicht auch zu versuchen, ein Stück moralischer Integrität zu wahren.

Do., 18.01.2024 - 12:38 Permalink
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Am Pere Do., 18.01.2024 - 14:18

Antwort auf von Martin Daniel

Das ist nicht nur der Eindruck, es ist seit dem Amtsantritt Melonis bereits beschlossene Sache.
Kompatscher ist bereits seit 10 Jahren dabei das Land an die Wand zu fahren, die letzten Meter schafft er noch in seiner letzen Periode. Die im Übrigen nicht 5 Jahre dauern wird, denn er wird vorher rausgeschmissen.

Do., 18.01.2024 - 14:18 Permalink
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Massimo Mollica Do., 18.01.2024 - 13:10

La cosa che più risalta da questa vicenda è che esistevano delle valide alternative ma non sono state valutate. La mia perplessità è alimentata dal fatto che nessun giornalista (di Salto compreso) chiede il perché tali scelte non siano state prese in considerazione (si veda l'intervista a Gennaccaro). Passa così l'idea che sia "la forza del destino" ad aver creato tutto questo. Ma non è così, e le motivazioni sono solo terrene.
Comunque tutto passa e passerà anche questo (sempre che Putin non decida la terza guerra termo nucleare).
Da oggi almeno si smetterà di parlare di italianie e tedeschi e si passerà al più tradizionale centrodestra e centrosinistra. E non esisteranno più partiti neutri.
E per il bene di questa terra buon lavoro a tutti.

Do., 18.01.2024 - 13:10 Permalink
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Günther Stocker Do., 18.01.2024 - 14:29

„Auch wir werden keine Wunder wirken können“, schickte Kompatscher voraus!
Nach dem Wunder mit den POST- Faschisten eine Koalition einzugehen hat er keine Wunder mehr übrig.
Gut so, es geht nicht viel schlechter!!
Das werden hoffentlich maximal 5 schlechte Jahre...
hoffen wir auf ein Wunder dass der SPUK früher zu Ende geht!!!

Do., 18.01.2024 - 14:29 Permalink
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Peter Gasser Do., 18.01.2024 - 14:32

Zitat: „die Vielzahl der im Landtag vertretenen Parteien sei ein Ausdruck für diesen zerrütteten Zustand der Gesellschaft“:
wenn die Vielzahl an Parteien und Meinungen eine „zerrüttete Gesellschaft“ zeigt, dann zeigt im Umkehrschluss eine uniforme Gesellschaft wie im Deutschland der Enddreißigerjahre oder in Russland heute also die intakte, gesunde, ideale Gesellschaft?

Ich bin entsetzt.

Die Gesellschaft heute und gerade in Südtirol ist weder entzweit noch zerrüttet, was für Unsinn, erlaube ich mir festzustellen.

Do., 18.01.2024 - 14:32 Permalink
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△rtim post Do., 18.01.2024 - 19:57

"Die Aussagen der Team K-Abgeordneten über jene der Grünen bis hin zur Süd-Tiroler Freiheit waren in ihrem Inhalt beinahe deckungsgleich." (A. Tösch, s.o)
Da hat der Salto-Kollege V. Liberato wohl was anderes gehört: "Ma è soprattutto la parte finale dell’intervento di Brigitte Foppa ad attirare l’attenzione dell’aula, quando si rivolge ai consiglieri italiani di maggioranza: 'Kompatscher si è premurato di presentarsi come garante nei confronti dei suoi partner nazionalisti e populisti di destra. Come potete accettare questa situazione? Avete visto come la SVP ha trattato i partner nella scorsa legislatura, con le sopracciglia alzate in quest’aula? Con quanta supponenza e disprezzo verso quei ‘poveretti’ di assessori? Con questo stesso spirito hanno demandato con un “vedetevela voi” la scelta del secondo assessore. Un atteggiamento che grondava egemonismo, non solo sui partiti ma anche verso il gruppo linguistico italiano. Questo è colonialismo politico. La mia parte italiana s'è sentita umiliata, quella tedesca si è vergognata'."

Do., 18.01.2024 - 19:57 Permalink