Walking on Mahü
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Zurück durch die Zeit: Wir schreiben das Jahr 2002, im herbstlichen Vorabendprogramm hat gerade das damals noch frische Konzept der Castingshow starken Zuschauerandrang, die Telefonleitungen glühen für Christl, Tschuggnall und Co. Die 0-er Jahre feiern in Glitzer-Pailletten-Glanz ein Hochfest.
Mit dabei, Martin Perkmann, Protagonist, Erzähler und Hauptsänger für „Sternmanie - Ein Musical zwischen Rampenlicht und Schattenseiten“, der seine Geschichte erzählt, gut 21 Jahre später. Er schaffte es bis unter die besten zwölf, bis er - einvernehmlich vorab mit der Sendungsregie geklärt - sein freiwilliges, aber bis zur Livesendung quotenwirksam geheim gehaltenes Ausscheiden bekannt gab. Für Perkmann rückte übrigens der spätere Gewinner der ersten Staffel durch dieses Ausscheiden noch einmal in das finale Dutzend nach.
Dass aus einer halben Staffel einer Castingshow – Formate, die seit jeher viel Sendezeit und vergleichsweise wenig Inhalt haben - in der singenden Nacherzählung ein abendfüllendes Musical werden soll, fordert erstmal kreative Köpfe und ein Gegenüber. Martin Perkmann kann sicher Martin Perkmann spielen, aber ohne eine Schauspielausbildung sind Theatermonologe Glatteis-Terrain, so dass ihm Brigitte Knapp in verschiedenen Rollen zur Seite steht, immer text- und tonsicher. Diese reichen von A wie Arabella bis Z wie zu aufdringliche Fans und sind allesamt kurze Parts. Regisseur des Abends Christian Mair und Perkmann selbst geben auf der goldglitzernden Sternenbühne (unverzichtbarer Bühnenbau durch Robert Reinstadler) den Songs mit Abstand die meiste Sendezeit. In dieser Hinsicht unterstützt Chris Kaufmann an der Stromgitarre den Hauptdarsteller Perkmann.
Wie sind denn nun die mehrheitlich in deutscher Sprache verfassten Lieder und wovon handeln die Texte? Hier muss man leider auch erwähnen, dass man bei „Sternmanie“ in vergleichsweise knappen eineinhalb Stunden noch weniger Vertrauen in das Kurzzeitgedächtnis des Publikums setzt, als die Showvorlage mit ihrer durch Rückblenden und Highlight-Wiederholungen aufgeblähten Sendezeit.
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Es gibt Balladenpop in vielfach männlichem (schwachem) Paarreim-Gewand mit refrainhaft gedachten, aber eindeutig überstrapazierten Wiederholungen und tonal sehr ähnlichen Stücken, die nicht an den Gänsehautfaktor eines Live-Moments anknüpfen können. Dieser war tatsächlich beträchtlich, Staffel 1 registrierte allein im herbeigefieberten Finale einen Rekord bei den Abstimmungen, für die sechs Millionen Anrufe und SMS eingingen.
Schade, dass die tonal gleichförmigen Songs so stark aus der Sicht Martin Perkmanns geschrieben wurden, dessen Geschichte es zu erzählen gilt. Links und rechts des Wegs zu den Sternen zu schauen hätte sich sicherlich gelohnt, zumal mehr Personen und Perspektiven dem Musical gut getan hätten. Etwa, dass Tschuggnalls Weg schließlich in die Informatik führte und der der zweitplatzierten Stürmer in die Charts. Hier werden zwei Extreme projiziert, als könnte Perkmanns Weg nur zwei Richtungen nehmen: den Ausstieg aus der Sendung oder den Sieg mit folgendem Weltruhm. „Chancen von 1 zu 12 fühlen sich in diesem Moment mehr wie 50:50 an, meint Perkmann zwischen Songs. Immer wieder habe ich das Gefühl, dass die Wirkung von Castingshows als Karrierestarter überschätzt und die Leistung der später erfolgreichen Sängerinnen und Sänger dadurch kleiner gemacht wird, als sie es ist.
„Chancen von 1 zu 12 fühlen sich in diesem Moment mehr wie 50:50 an."
Neben kleinerer Nischen für Freund Robby und Partnerin Irene (es dauert knapp eine Stunde bis sie beiläufig erstmals erwähnt wird), beides auch im Duett mit Knapp, ist zu wenig Platz auf der kleinen gezackten Bühne. Nach einer starken Eröffnungsszene aus dem ORF Archiv mit dem jungen Perkmann und „Walking in Memphis“, das klingt, als würden wir es Unterwasser hören. Der „Druck“ im Livefernsehen ist spürbar, das Musical war für mich dann weniger spannend, auch da 21 Jahre später diese Stimme weniger neu und überraschend ist, auch in dem was sie zu sagen hat und weil gestern vielleicht die Tagesverfassung wohl nicht die beste war. Erzählt er im Stück davon, damals versucht zu haben, hohe Töne zu verfehlen um auszuscheiden, so passierten die Pazer im übernächsten Song dann live in der Carambolage. Gerade in jenen Passagen, in denen Perkmann wieder einmal haderte - was oft war - ist seine Stimme oft unangenehm wehleidig und man wird sich bewusst, ein Stück über Erste-Welts-Probleme zu sehen. Bei diesem Gedanken vergeht einem gegebenenfalls wieder die Lust, die bei überdramatischen Momenten mit rückhaltlosem Pathos und Kitschfaktor aufkommt, wenn die Lichtershow auf Hochtouren läuft und das schlichte Spektakel unterhält.
Unterhaltsam war aber auch mal etwas anderes und natürlich kann man auch eine Prise Fremdscham und belächelnder, gefühlter Überlegenheit für die Schablone einer Kandidatin mit „anderen Vorzügen“, Blondinen-Perücke und -Text im Castingshow-Musical nicht fehlen. Eigentlich hätte das gerne fehlen und „Deutschland sucht den Superstar“ überlassen werden dürfen, aber in Österreich macht man es schließlich auch so. Am Ende ist dieser Abend für meinen Geschmack zu stark ich-bezogen. Daran ändert auch die ablehnende Haltung, die man gegenüber dem „Vertrag mit dem Teufel“, als welche die Unterschrift in Casting-Formularen des ORF hochstilisiert wird und bei zu aufdringlichen Fans einnimmt, nichts.
Ob nun „Walking on Mahü“, auf Wiens bekanntester Einkaufsstraße, oder auf den Straßen von Partschings, die Fangirls, die eine Unterschrift ins Dekolleté haben wollen, sind nicht weit. Wir hatten uns auf einen kritischen, aber auch umfassenderen Blick auf diese Manie gefreut, als den effektiv gebotenen. Der Glanz dieses Starwahns kann für einen selbst berauschend sein, einen aber auch von anderen entfremden. Stattdessen war der Abend mehrheitlich seichter Baladenpop von Zaudern und Zorn. Irgendwie hat man aber doch das Gefühl, dass Perkmann, trotz seiner Verneinung einer „einmaligen“ Chance, die Lust auf die Bühne behalten konnte. Martin Perkmann bleibt Musiker, wie er auch bei der versöhnlichen Zugabe mit „Walking in Memphis“ zeigen kann.
Die ersten freien Plätze für „Sternmanie“ in der Bozner Carambolage gibt es ab dem 24. Jänner.