Politik | Freiheitliche

Blaue Scheidung

Nicht nur die SVP droht ihr Fußvolk an Bürgerlisten zu verlieren. Die Freiheitlichen und der Fall Vintl.

Der Freiheitliche Obmann Walter Blaas ist für einen Kommentar nicht zu haben. „Ich bin im Ausland und kann nicht sprechen“, erklärt er kurz angebunden. Ebenfalls nicht in Bozen, sondern in Madrid ist dann schließlich Pius Leitner erreichbar.  „Selbstverständlich ist es keine angenehme Geschichte, wenn sich bisherige Gemeinderäte nicht mehr als Freiheitliche der Wahl stellen“, erklärt der Fraktionssprecher der Blauen im Landtag. 

Besonders unangenehm wird die Geschichte, wenn sich gleich sieben freiheitliche Gemeinderäte nicht mehr unter dem bisherigen Logo der Wahl stellen.  Jede dritte Stimme in der Pustertaler Gemeinde Vintl ging bei den Gemeinderatswahlen 2010 an die Blauen. Abgesehen von Waidbruck und seiner späteren Feuerwehrposse das beste Ergebnis, das die Freiheitlichen bei Gemeinderatswahlen einfuhren.  Doch ausgerechnet in dieser Hochburg kehren der Partei nun alle sieben Gemeinderäte den Rücken – und wollen eine Bürgerliste gründen. Oder, wie es Hannes Zingerle ausdrückt: „Eine Sammelliste für alle, die als Gegenkraft zur Volkspartei antreten wollen.“ Dass sich dazu auch ehemalige Volksparteiler oder enttäuschte Mitglieder anderer Parteien gesellen wollen, schließt der Vintler Gemeinderat keineswegs aus. „Die Leute in den Gemeinden sind einfach stuff von den Parteien“, sagt er. „Da hat es zu viele Enttäuschungen gegeben in den vergangenen Jahren“. 

"Das war eine bodenlose Frechheit..."

Das gilt auch für Hannes Zingerle selbst. Elf Jahre hat der ehemalige Jugendsprecher der Freiheitlichen für die Partei „nur gearbeitet und ist gerannt“, sagt er selbst; vor einem halben Jahr ist er aus dem Vorstand und als Jugendsprecher zurückgetreten. Maßgeblich dazu beigetragen haben nicht nur der Rentenskandal und die Enttäuschung über das Verhalten seiner Parteiführung. Zingerle musste plötzlich auch noch aus der Zeitung erfahren, dass er verdächtigt würde, den Kassazettel für das pikante Beate-Uhse-Geschenk für seinen Parteikollegen Sigmar Stocker an die Medien gespielt zu haben, um den Freiheitlichen zu schaden. „Da lachen ja die Hühner“, sagt er noch heute, „das war eine bodenlose Frechheit.“

Doch auch in Vintl selbst fühlten sich Zingerle und seine Gemeinderatskollegen von der Landespartei im Stich gelassen. „Wir waren wirklich extrem aktiv hier“, sagt der Vintler Gemeinderat, „doch wenn wir einen Frühschoppen organisierten, ließ sich kaum jemand aus Bozen blicken. Wenn wir per Mail eine Anfrage hatten, bekamen wir in den seltensten Fällen eine Antwort.“ Einzige Ausnahme sei Pius Leitner. Doch sonst habe das Gefühl vorgeherrscht: Je aktiver und stärker die Gemeinderäte und die Ortsgruppe geworden sind, desto weniger Wertschätzung und Unterstützung sei von der Parteispitze gekommen. Erklärungen dafür hat Zingerle bis heute nicht. „Man weiß ja, wie viele Freiheitliche Funktionäre abgesprungen sind und durch verschiedene Aktionen hinausgeekelt wurden“, sagt er. „Vielleicht will man als Partei nicht wachsen – oder versucht die persönlichen Lieblinge zu schützen, indem man alle, die zu stark sind, ausbremst.“

"Das sind Alibi-Aktionen..."

Pius Leitner will solche Aussagen nicht als Befund für den Zustand seiner Partei gelten lassen. „Hier geht es um rein persönliche Geschichten, und ich finde es sehr schade, wenn diese auf dem Rücken der Partei ausgetragen werden“, kommentiert er die Vorwürfe.  Auf Details zu den persönlichen Fehden will er nicht eingehen – „und das erwarte ich mir auch von allen die Freiheitliche sind“, lautet die Warnung, wieder eine öffentliche Schlammschlacht loszutreten, wie sie unter anderem rund um den Austritt des ehemaligen Vinschger Bezirksobmanns Peppi Stecher entstanden ist. Sicher sei jedoch:  „Die Behauptung, dass man von oben keine Unterstützung  bekommen hat, ist ein großes Märchen.“

Der immer mehr um sich greifenden Idee, dass Parteien in der Gemeindepolitik überholt sind, kann der Fraktionsvorsitzende der Blauen jedenfalls wenig abgewinnen. „Bürgerlisten kommen und gehen“, sagt er, „das sind in meinen Augen eher Alibi-Aktionen, weil man sich nicht bekennen will -  egal zu welcher Seite.“ Wo aber wollen die Freiheitlichen ihre Basis herbekommen – wenn sich bisherige Funktionäre selbst in den Hochburgen abwenden und neue, wie bei allen anderen Parteien, schwer zu gewinnen sind? „Wir haben diesmal wirklich eine einzigartige Situation, weil sich die Menschen zu Recht über einiges geärgert haben in den letzten Jahren“, gibt Leitner zu. Doch gerade Gemeinderatswahlen würden den so genannten Wutbürgern nun die große Chance bieten, zu zeigen, was sie selber können. „Raus aus den Stauden“, lautet deshalb sein Aufruf an alle Bürger. „Beteiligt euch, denn kritisieren allein ist zu wenig.“

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Mensch Ärgerdi… Mi., 18.02.2015 - 17:36

„Beteiligt euch, denn kritisieren allein ist zu wenig.“
Das soll wohl ein verspäteter Faschingsscherz sein oder? Wer wäre denn heute noch so blöd für die Freiheitlichen im Dorf zu kandidieren? Ein Gemeinderat bekommt nicht die goldenen Gehälter und Renten wie ein Landtagsabgeordneter. Da ist für einen engagierten Bürger der sich für Politik interessiert eine Bürgerliste 100 mal besser, zumindest bleibt da der Ruf noch halbwegs unangetastet.

Mi., 18.02.2015 - 17:36 Permalink
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gorgias Mi., 18.02.2015 - 18:01

Die Freiheitlichen hatten bis jetzt immer zwei Kernkompetenzen : Einmal als Antiprivilegienpartei und dann gegen Ausländer zu sein. (zumindest gegen kriminelle und gegen Asylanten gegen die ein Brandanschlag verübt wurde)

Da jetzt seit einiger Zeit die eine Kompetenz pfutsch ist, will man uns jetzt die Angst vor dem schwarzen Mann einreden. Das kann man sich zumindest denken wenn man die Plakate sieht die die Freiheitlichen in Brixen vorgestellt haben.

Dass das jetzt nicht mehr genug ist und dass die Leute vor Ort nicht dafür einen auf dem Deckel bekommen wollen ist nachvollziehbar.

Mi., 18.02.2015 - 18:01 Permalink