Politik | Kommentar

SVMussolini

Herbert Dorfmann und Alessandra Mussolini auf einer gemeinsamen EU-Liste. Spätestens jetzt hat die SVP jede Scham und jedes historische Bewusstsein verloren.
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Foto: Fotomontage/zucco.inc
Stefan Premstaller ist jung und kämpferisch.
Vielleicht wäre es aber besser, wenn der SVP-Landessekretär etwas nachdenken würde, bevor er sich mit einer Aussendung an die Öffentlichkeit wagt.
Premstaller hat am Donnerstagnachmittag eine Pressemitteilung zur EU-Kandidatur der SVP in Verbindung mit „Forza Italia“ verschickt. Dort heißt es:
 
Nachdem in den vergangen Tagen sehr viele Fehlinformationen von vielen Südtiroler Parteien zur Kandidatenliste der Südtiroler Volkspartei verbreitet worden sind, nutzen wir die Gelegenheit, um einige Punkte richtigzustellen: Fakt ist, dass wir als Südtiroler Volkspartei als einzige Südtiroler Partei mit unserem Listenzeichen – sprich mit unserem Edelweiß, mit einer eigenen Liste bestehend aus sechs Vertretern und einem eigenen Spitzenkandidaten bei den Europawahlen kandidieren! Das ist schriftlich nachzulesen und wer etwas anderes behauptet, lügt!“
 
 
Und weiter:
 
Es ist außer Frage, dass das Wahlgesetz zu den Europawahlen aus Südtiroler Sicht schwierige Spielregeln vorsieht. Es muss auf staatlicher Ebene die 4 Prozent-Klausel übersprungen werden, damit man bei der endgültigen Sitzverteilung mitmischen kann. Als Südtiroler Minderheitenpartei lag die Volkspartei immer bei etwa 0,5 %, was bedeutet, dass wir es aus eigener Kraft nie schaffen würden, eine Südtiroler Vertretung in Brüssel und Straßburg zu garantieren. Das war auch in der Vergangenheit immer der Grund dafür, warum wir als Südtiroler Volkspartei immer wieder auf Verbindungen mit anderen italienischen Parteien angewiesen waren.“
 
Der SVP-Landessekretär abschließend: „Der einzige Weg zur Gewährleistung dieser Vertretung bestand in einer technischen Listenverbindung.
 
Man muss sich diese Worte auf der Zunge zergehen lassen.
 

Der Sündenfall

 
Dabei wäre es besser, die SVP würde schweigen und hoffen, dass die Wähler und Wählerinnen nichts merken. Denn in Wirklichkeit hat die Südtiroler Regierungspartei bei diesen EU-Wahlen einen Schritt getan, der wie ein Dolchstoß für jene Männer und Frauen ist, die 1945 die Südtiroler Volkspartei aus den Ruinen des Nazifaschismus gegründet haben.
Nicht nur Friedl Volgger, Hans Dietl oder Silvius Magnago werden im Grab rotieren, sollten sie mitbekommen, dass Herbert Dorfmann am 26. Mai an der Seite von Alessandra Mussolini für das EU-Parlament kandidiert. Denn genau das ist der Fall.
Die Gegenargumente aus der Brennerstraße sind bekannt und werden gebetsmühlenartig wiederholt: Es gibt keine gemeinsame Liste, das ist nur eine technische Listenverbindung. Forza Italia ist ein Vehikel, um nach Brüssel und Strassburg zu kommen. Wir haben als einzige eine eigene Liste. Auf dem Stimmzettel findet sich das Edelweiß.
Die Wirklichkeit sieht aber etwas anders aus: Wer Herbert Dorfmann und der SVP seine Stimme gibt, wählt indirekt auch Alessandra Mussolini mit.
Wer Herbert Dorfmann und der SVP seine Stimme gibt, wählt indirekt auch Alessandra Mussolini mit.
 
Vielleicht sollte sich der SVP-Landessekretär das EU-Wahlgesetz durchlesen.
Italien stehen bei diesen EU-Wahlen insgesamt 76 Mandate im Europaparlament zu. Es gibt fünf EU-Wahlkreise in Italien. Anhand der Volkszählungsdaten von 2011 wird schon vorab festgelegt, wie viele Sitze in jedem Wahlkreis verteilt werden. Im EU-Wahlkreis Nord-Ost, zu dem Südtirol gehört, werden es 15 Sitze sein.
Die Sitzverteilung erfolgt aber auf gesamtstaatlicher Ebene. Das heißt, die Stimmen aller fünf Wahlkreise werden zuerst zusammengezählt. Und das heißt ganz konkret: Die Stimmen für Herbert Dorfmann und Alessandra Mussolini kommen in einen gemeinsamen Topf. Daraus wird errechnet, wie viele Sitze  italienweit an „Forza Italia“ vergeben werden. Erst danach werden die Sitze auf die einzelnen Wahlkreise aufgeteilt und dort nach dem Vorzugstimmenergebnis zugesprochen. 
Herbert Dorfmann erhält dann einen Sitz, den Forza Italia im Südtiroler Wahlkreis erobert hat. Das ist das Ergebnis einer Listenverbindung.
Die SVP hat mit Forza Italia demnach nichts zu tun? Und Herbert Dorfmann nichts mit Alessandra Mussolini?
Für blöd sollte man die Wähler nicht verkaufen.
 

Der Falsch-Schirm

 
Interessant ist auch die Argumentation, dass es ein Südtiroler alleine nicht schaffen kann und die SVP deshalb gezwungen sei, eine Verbindung mit einer nationalen Partei einzugehen.
Auch hier entlarvt die Wirklichkeit die Täuscher.
In den vergangenen Wahlgängen wurden auf nationalen Listen Alexander Langer, Reinhold Messner, Sepp Kusstastscher, Anselmo Gouthier und Lilli Gruber ins EU-Parlament gewählt. Waren oder sind das keine Südtiroler Vertreter oder Vertreter Südtirols?
In den Augen der SVP anscheinend nicht. Denn die Wahrheit ist auch hier anders gelagert.
Die Südtiroler Volkspartei hat sich in Rom schon vor Jahrzehnten ein Wahlgesetz zusammenzimmern lassen, das den Alleinvertretungsanspruch der Südtiroler Volkspartei auch in Brüssel sichern soll. Das Gesetz wurde so geschrieben, dass keine Südtiroler Oppositionspartei die Vorgaben erfüllen kann.
 
 
Ins EU-Wahlgesetz wurde ein Minderheitenpassus aufgenommen. Demnach kann die SVP, als Minderheitenpartei im nationalen Parlament vertreten,  bei den EU-Wahlen mit eigenem Listenzeichen in Verbindung mit einer gesamtstaatlichen Liste antreten. Jahrzehntelang war die Democrazia Cristiana dazu der natürliche Partner, danach der PD. Und jetzt eben – angeblich aus Mangel an Alternativen – Forza Italia.
Die Minderheitenbestimmung sieht vor, dass der SVP-Kandidat 50.000 Stimmen erreichen muss. Dann steht ihm ein Sitz im Wahlkreis Nord-Ost zu. Der Vorteil für die nationale Partei, die diese Listenverbindung eingeht: Bei der italienweiten Sitzverteilung werden ihr die SVP-Stimmen zugeschrieben.
2009 schaffte die SVP immerhin 117.685 Stimmen, fünf Jahre später waren es 91.736 Stimmen.
Bedenkt man, dass es 2014 „Forza Italia“ im Wahlkreis Nord-Ost auf 737.783 Stimmen brachte, ist der Zugewinn für Silvio Berlusconi bei den anstehenden EU-Wahlen durch die SVP-Verbindung leicht errechenbar. Rund 10 Prozent mehr werden es allein durch die SVP-Stimmen im Wahlkreis Nord-Ost sein.
 

Dorfmanns Häutung

 
Das Abkommen „Forza Italia“-SVP, das diese Woche unterzeichnet wurde, hat Herbert Dorfmann persönlich mit EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani ausgehandelt.
Blenden wir fünf Jahre zurück: Im Frühsommer 2014 zieht Alessandra Mussolini mit „Forza Italia“  in der Fraktion der „Europäischen Volkspartei“ ins EU-Parlament ein. Herbert Dorfmann zog  damals als Erster persönliche Konsequenzen aus der Präsenz von Mussolini in der EVP. Er verließ die italienische EVP-Delegation und dockte bei der ÖVP an. „Ich kann nicht in einer italienischen Delegation sein, in der eine Enkelin von Benito Mussolini sitzt“, begründete Herbert Dorfmann am 18. Juli 2014 diesen Schritt gegenüber der Wiener Tageszeitung „Die Presse“.
Heute, keine fünf Jahre später, kandidieren Dorfmann und Mussolini gemeinsam für das EU-Parlament. Allein diese Häutung dürfte einiges über die Glaubwürdigkeit des SVP-Kandidaten aussagen. Ähnliches gilt für seine Partei.
 
„Ich kann nicht in einer italienischen Delegation sein, in der eine Enkelin von Benito Mussolini sitzt“
Herbert Dorfmann am 18. Juli 2014 in „Die Presse“.
 
Aber ja, es ist nur eine technische Verbindung. Und man muss in der Politik eben pragmatisch sein. Das sind die Argumente aus der Brennerstraße.
Deshalb verbündet man sich plötzlich auch mit Silvio Berlusconi, der jahrzehntelang von der SVP als Feind Südtirols gebrandmarkt wurde. Der Pragmatismus geht dabei soweit, dass eine Minderheitenpartei, deren Urväter von Benito Mussolini in den „confino“ geschickt wurden, jetzt mit der Enkelin des Diktators, die bei jeder Gelegenheit ihren Großvater und den Faschismus hochleben lässt, gemeinsam in die EU-Wahl marschiert.
Und wofür zahlt man diesen Preis? Damit Herbert Dorfmann als einer von 751 Abgeordneten im EU-Parlament sitzt und ungefähr soviel zählt wie der FC Südtirol auf der FIFA-Vollversammlung.
Für diesen Sitz verkauft eine Partei ihre Seele.
Aber -  wie der SVP Landessekretär sagt - "wer so etwas behauptet, lügt!“