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DUNE

„Fear is the mind-killer“: Zwei der größten Künstler der Filmhistorie scheiterten einst an Frank Herberts Magnus Opus. Denis Villeneuve wagt einen erneuten Versuch.
Dune
Foto: Warner

Erst traf es Alejandro Jodorowsky, dann David Lynch. Sie beide, ihres Zeichens visionäre Filmemacher, unternahmen den Versuch, den Science-Fiction Roman „Dune“, zu Deutsch „Der Wüstenplanet“, und zwar den ersten Teil der sechsteiligen Reihe, zu verfilmen. Im ersteren Falle scheiterte Jodorowsky berühmterweise am eigenen Anspruch. Zu groß war die Vision, zu teuer wäre der Film geworden, und so wurde nie auch nur eine Szene gedreht. Schade, da unzählige Konzeptzeichnungen, Entwürfe und die angedachte Besetzung mit unter anderem Mick Jagger und Salvador Dalí, und nicht zuletzt die Musik von Pink Floyd ein herrlich surreales Werk vermuten lassen. Einige Jahre später unternahm Hollywood einen neuen Versuch, dieses Mal unter der Regie des damals als Wunderkind geltenden David Lynch. Er, der nach seinem großartigen, aber wenig gewinnbringenden Debüt „Eraserhead“ (1977) den „Elephantenmensch“ (1980) drehte, und damit große Erfolge feiern konnte, war jedoch der Falsche für den Job. Zu streng waren die Vorgaben des Studios, zu eingeschränkt die künstlerische Freiheit des Auteurs, so hatte Lynch etwa kein Mitspracherecht beim finalen Schnitt. Sein „Dune“ gilt als misslungene Adaption von Herberts Roman, genießt in manchen Kreisen mittlerweile jedoch Kult-Status.

Hat es sich Denis Villeneuve in seiner doch recht vorhersehbaren Adaption von Frank Herberts Roman zu leicht gemacht? Die Antwort lautet Nein...

Nun aber schreiben wir das Jahr 2021, und nach über einem Jahr Corona-bedingter Verspätung startet „Dune – Part One“ im Kino. Der Kanadier Denis Villeneuve, bekannt für gleichermaßen bei Kritik und Publikum beliebten Filmen wie „Arrival“ (2016), „Prisoners“ (2013) oder zuletzt „Blade Runner 2049“ (2017), unterteilt das erste Buch in zwei Filme. So erzählt „Part One“ nur die Hälfte des rund 800 Seiten starken Romans. Villeneuve setzt so seinen ruhigen Erzählstil fort, er lässt sich, den Figuren und den Geschehnissen rund um letztere viel Zeit, zweieinhalb Stunden in diesem Fall. Wie gehabt geht es um das Haus Atreides, ein Adelsgeschlecht vom Planeten Caladan, welches den Auftrag erhält, den Wüstenplanet Arrakis zu verwalten. Dort leben jedoch die einheimischen Fremen, ein Wüstenvolk, und außerdem sieht sich der Anführer der bösartigen Harkonnen, ein finsterer Baron, von den Neuankömmlingen bedroht. Im Zentrum der Geschichte steht der junge Paul, dargestellt von Timothée Chalamet, Herzogssohn, Thronfolger, und irgendwie besonders, denn er kann die „Stimme“ nutzen, Menschen manipulieren, ganz ähnlich wie seine Mutter Jessica (Rebecca Ferguson). Der Wüstenplanet ist für die Menschen des Hauses Atreides unbekanntes Terrain, und die diplomatischen, militärischen, und nicht zuletzt, übersinnlichen Fähigkeiten der Protagonist*innen sind überlebenswichtig. Die nicht unkomplizierte Welt von „Dune“ im Detail zu erklären, würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen, weshalb man lieber auf den Film verweisen sollte, der die schwierige Aufgabe, einen ganzen Berg an Exposition in wenigen Minuten zu erzählen, sehr gut meistert – ganz im Gegensatz zur literarischen Vorlage. Herberts Roman ist bei all seinem Kult und der großen Anhängerschaft ein literarisch bloß passables Werk. Sprachlich kaum interessant ist der Roman lange Zeit ungelenk erzählt und scheint von der eigenen Exposition überfordert. Das macht Villeneuve und das dem Film zugrundliegende Drehbuch besser. Dennoch streicht man konsequent nebensächliches und fokussiert sich auf die Haupthandlung. Insbesondere die teils seitenlangen Dialoge des Romans sind stark verkürzt. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Atmosphäre der rätselhaften Welt, weniger auf dem politischen oder ökonomischen Aspekt der Geschichte. Die Intrigen zwischen den Häusern werden weniger besprochen als militärisch ausgefochten, und der Kampf um das wohl vom irdischen Erdöl inspirierte „Gewürz“ wird nur ab und an thematisiert. Mehr noch als der Roman setzt der Film den Protagonisten Paul in den Mittelpunkt. Ihn und seine häufigen Träume verfolgen wir durch die Laufzeit des Films, Träume, in denen immer wieder ein und dasselbe Mädchen erscheint.

Dune Official Trailer, von Warner Bros. Pictures


Überhaupt spielt der spirituelle Aspekt der Geschichte eine übergeordnete Rolle. Die übersinnlichen Fähigkeiten einiger Figuren und die Wirkung des „Gewürzes“ – all das bietet Raum für psychedelisches (auf die dementsprechende Wirkung des Gewürzes wird sogar im Dialog hingewiesen). Doch abgesehen von einigen gut gemeinten, aber wenig originellen Visionen des Hauptcharakters bleibt Villeneuve seinem kühlen, rationalen Stil treu und unternimmt gar nicht erst den Versuch, sich auf das Terrain seiner Kollegen Jodorowsky und Lynch zu begeben. Denn sie, beide im Kino des Surrealismus zu Hause, lieben Träume und das erzählerische Potential, das in ihnen steckt. Vom Ansatz Jodorowskys, sein „Dune“ solle besser sein als LSD, ist bei Villeneuves Interpretation nichts zu sehen. Und so ist seine Verfilmung sehr deutlich ein Kind unserer Zeit. Rational, kontrolliert, geplant. Hollywood hat sich bewusst für einen Regisseur entschieden, der die Fähigkeiten besitzt, großes Kino zu schaffen, groß auch in seiner Qualität, der jedoch nicht für Überraschungen bekannt ist. Mit anderen Worten: Künstlerische Risiken geht Hollywood ungern ein, und aus dieser Perspektive ist Villeneuve die perfekte Wahl für die Regie (ganz anders als Lynch oder Jodorowsky). Entsprechend seines Oeuvres ist „Dune – Part One“ nichtsdestotrotz ein beeindruckend fotografiertes Werk. Der Wüstenplanet und die Menschen, die sich darauf bewegen, imponieren in ihrer Präsentation. Der Film lebt von großen Bildern, Panoramen, die mal durch weite, staubtrockene Landschaften, mal durch die Gesichter der Figuren entstehen. In letzteren liegen Schwermut, Furcht und Sorge. Der Wüstenplanet ist ein gefährlicher Ort, den Menschen, der klein darin ist, einnehmend, so wie es auch die Bilder und die Geräusche und Musik (Hans Zimmer) tun. Der Ton des Films ist düster, und widerspricht dem Zeitgeist des Blockbusterkinos auf angenehme Art und Weise. Bloß inhaltlich bietet der erste Teil der Reihe nicht allzu viel, denn der Regisseur nimmt sich die Zeit, um das Wenige, das zunächst geschieht, ausgedehnt zu erzählen. So bleibt am Ende der Eindruck, dass da noch etwas folgen muss, und dass das geschieht, bleibt zu hoffen (und liegt vor allem am wirtschaftlichen Erfolg des Films). Möglicherweise trügt jedoch der Schein, und das Wenige enthält mehr als man denkt, sodass ein erneutes Schauen sich lohnen würde. Die größtmögliche Leinwand wird dabei helfen, Verstecktes zu entdecken. Auf einer solchen sollte man sich den Film ansehen, und glücklicherweise erhalten wir nach einem kurzen Ehestreit zwischen Warner und Villeneuve (es ging um die Streaming-Auswertung vs. Kino) die Gelegenheit dazu.

Hat es sich Denis Villeneuve in seiner doch recht vorhersehbaren Adaption von Frank Herberts Roman zu leicht gemacht? Die Antwort lautet Nein, da jedem ernsthaften Versuch, „Dune“ zu adaptieren, Respekt gezollt werden sollte. Sie lautet aber auch Ja, da der Film auf ausgetretenen Pfaden geht. Anders als seine Vorgänger hat er es jedoch geschafft, eine gelungene Adaption zu verwirklichen. Ob Villeneuve gemäß dem berühmten Zitat („Fear is the mind-killer“) zu wenig Angst vor der Aufgabe hatte, oder doch sehr große, ihr aber wie Paul widerstanden hat, bleibt dem Publikum zu entscheiden.