Tarfussers Urteil
In den kommenden Monaten wird sich für ihn entscheiden, ob er seine Karriere mit dem Amt des Leitenden Oberstaatsanwaltes in Mailand beendet. Vorerst gibt der frühere Bozner Oberstaatsanwalt Cuno Tarfusser aus Den Haag eine Einschätzung der Terrorgefahr in Südtirol. In einem langen Interview mit der Neuen Südtiroler Tageszeitung zeigt sich der Richter am Internationalen Strafgerichtshof in Meran wenig überrascht darüber, dass in seiner Heimatstadt eine mutmaßliche Dschihadisten-Zelle ausgehoben wurde: „Auch wenn ich hier in Den Haag bin, lebe ich nicht auf dem Mond und nicht in einer Glaskugel“, erklärt er die Tatsache, schon seit langem über die Gruppe informiert zu sein.
Bei der Frage, wie gefährlich die mutmaßliche Terrorzelle tatsächlich war, will Tarfusser zwar nicht zu viel preisgeben. Das Level sei jedoch sicher nicht mit jenem von Paris zu vergleichen, meint er. „Aber man sollte die Sache auch nicht herunterspielen.“ Angst müsse man in Südtirol keine haben, beruhigt der ehemalige Bozner Oberstaatsanwalt. „Nur keine Psychose“, so seine Botschaft. Denn: Die Behörden hätten eine „relative Kontrolle“ über das Territorium. „Im Sicherheitsbereich wird nicht nur das getan, was Sie in den Zeitungen lesen. Nicht jede Aktion wird an die große Glocke gehängt.“ Dass gegen die vermuteten Südtiroler IS-Schläfer in Meran fünf Jahre ermittelt wurde, kann als direkter Beleg für diese Aussage hergenommen werden. „Manchmal ist es gut, über einen längeren Zeitraum zu ermitteln, damit man das gesamte Umfeld besser beobachten kann“, so Tarfusser in der Südtiroler Tageszeitung.
Dass Südtirol mit der Aushebung der mutmaßlichen Terrorzelle seinen Status als Insel der Seligen endgültig verloren hätte, wehrt der ehemalige Oberstaatsanwalt ab. Insel der Seligen sei das Land nie gewesen. Man habe es vielmehr mit einer halbwegs überschaubaren Realität zu tun. „Aber es ist immer gut, wenn auch kontrolliert wird.“