Politik | Betrachtungen

Zugespitzter Diskurs

Ich möchte kurz einige Beobachtungen skizzieren, die ich in den letzten beiden Jahren im politischen Diskurs gemacht habe.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Die meisten Leser hier wissen, dass ich um keine politische Diskussion verlegen bin und wohl zu viel Zeit bei solchen - meist sinnlosen - Debatten liegen lasse. Warum tue ich das? Wäre es nicht besser die sonst so knappe Freizeit mit der Familie und Freunden zu verbringen, ein gutes Buch zu lesen oder einfach sportlich aktiv zu sein? Mich zieht es immer wieder in solche Debatten, weil man dabei einiges über die Welt und vor allem auch sich selbst lernen kann. Dabei ist mir einiges aufgefallen und mich würde interessieren, was die User der Salto-Community davon halten:

1. Viele Menschen tun sich schwer mit klaren Ansagen. Politiker bleiben gerne vage, auch politisch interessierte Bürger lassen sich nicht gerne auf einer Position festnageln. Lieber zieht man sich auf Allgemeinplätze zurück. Warum? Wer konkret Position bezieht, exponiert sich und macht sich angreifbar. Da ist es sicherer, Slogans und Worthülsen zu verwenden. Kein Mensch ist illegal, America first, refugees welcome, Wir sind das Volk. Was das alles konkret bedeutet, wird bewusst offen gelassen. Doch wo landet man, wenn man diese Ideen weiterspinnt? Alle diese Ideen haben zum Teil ihre Berechtigung, aber auch ihre Tücken. Diese Ambivalenz kommt zu kurz.
Ein weiterer Grund für diesen Mangel an klaren Aussagen ist die Verunsicherung des Bürgers: Im Zeitalter der Informationsflut erleben wir eine paradoxe Situation. Während der Bürger vor 30 Jahren noch deshalb unmündig war, weil er keinen Zugang zu den notwendigen Informationen hatte, um eine Situation korrekt einschätzen zu können, ist der Bürger heute gerade wegen der Informationsflut unmündig. Kein Mensch hat die Zeit, sich über alle relevanten Themen zu informieren, sodass er zwangsläufig auf Medien angewiesen ist, die die Informationen komprimieren. Gerne wird dies als Argument in Debatten angeführt: "Du bist eh kein Experte, also sei lieber still." Das mag in vielen Fällen berechtigt sein, doch diese Sichtweise lädt dazu ein, den eigenen Kopf auszuschalten, denn wenn man Probleme als Einzelner eh nicht erfassen kann, wozu es dann überhaupt versuchen?

Leider werden kontroverse, reißerische Artikel mehr gelesen als fundierte Analysen.

2. Der Diskurs wird polarer und spitzt sich zu. Anstatt einander zuzuhören und einen Kompromiss zu suchen, werden Strohmänner aufgebaut. Wer sagt, man könne keine Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken lassen, sagt damit nicht, er wolle alle im Mittelmeer treibenden Menschen nach Europa bringen. Trotzdem gilt er dann als linksgrün-versiffter Willkommensklatscher. Auf der anderen Seite schaut es nicht besser aus. Wer sich gegen die Sprachregeln der Gender-Verfechter wehrt, wird zum Sexisten und Frauenhasser gemacht, wer die Politik der offenen Grenzen kritisiert, ist ein Nazi. Daraus leitet sich auch eine neue Intoleranz gegenüber Andersdenkenden ab. Kürzlich las ich auf Facebook wie eine Frau meinte, man brauche Leuten keinen Respekt entgegenbringen, die sich kritisch zu Themen wie Migration äußerten. Es steht also schon fest, welche Meinungen legitim sind und welche nicht.  Ich frage mich manchmal wo das hinführen wird und wenn man das konsequent weiterdenkt, sehe ich gedanklich eine Gesellschaft vor mir, mit der ich nicht viel zu tun haben möchte.

Ein Versuch den politischen Gegner fertig zu machen bringt auf youtube eben mehr Klicks als der Versuch, Kompromisse zu finden.

3. Journalisten glauben heute fälschlicherweise einen pädagogischen (oder demagogischen?) Auftrag zu haben. Es ist nicht die Hauptaufgabe des Journalisten, den gesellschaftlichen Diskurs zu moderieren, indem man gewisse Nachrichten so umschreibt oder filtert, dass ja keine "ungewollten" Meinungen und Reaktionen entstehen. Die Aufgabe des Journalisten ist es, die Vielzahl an Informationen zu bündeln und dem Bürger möglichst neutral zu präsentieren. Warum sind die sogenannten "alternativen Medien" so sehr im Aufschwung? Weil die Bürger sich nicht bevormunden lassen wollen.
Im Journalismus war immer schon Platz für Meinungsartikel und auch eine gewisse Blattlinie ist völlig legitim. Man muss dabei aber aufpassen, die Grenze zur Propaganda nicht zu überschreiten. Moderne Journalisten sehen sich meiner Meinung nach selbst als Meinungsmacher, die über ihre Social-media-Accounts gewisse Stimmungen aufgreifen und katalysieren. Das kann man machen, es ist aber ein Spiel mit dem Feuer, da der Grat zwischen einem kontroversen Meinungsartikel und versuchter Manipulation sehr schmal ist.

Ich bin davon überzeugt, dass diese drei Punkte nicht Symptome sind, sondern zum Teil die Ursache für die aktuelle politische Misere sind. Meiner Meinung nach täte uns eine Deeskalierung des Diskurses gut. Wie ist das zu erreichen? Indem man endlich damit aufhört die Position des politischen Gegners als extremer hinzustellen als sie ist und endlich ein Maß an Kompromissbereitschaft zeigt. Dass es keinen Weg gibt, der für Linke und Rechte (um beim Klischee zu bleiben) gangbar ist, ist eine Lüge. In Wirklichkeit fehlt es lediglich am politischen Willen und an der journalistischen Aufarbeitung. Leider werden kontroverse, reißerische Artikel mehr gelesen als fundierte Analysen. Die Politik lässt sich davon beeinflussen. Ein Versuch den politischen Gegner fertig zu machen bringt auf youtube eben mehr Klicks als der Versuch, Kompromisse zu finden.
Auch hier auf salto.bz kann man diese Muster erkennen.